Wendener Firmlinge besuchen Gedenkstätte Auschwitz

Auseinandersetzung mit Holocaust


Eine kleine Gruppe Firmlinge aus dem Pastoralverbund Wendener Land besuchte während der Osterferien das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz. von privat
Eine kleine Gruppe Firmlinge aus dem Pastoralverbund Wendener Land besuchte während der Osterferien das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz. © privat

Schönau/Wenden. Wenn Weihbischof Matthias König in wenigen Wochen in Wenden das Sakrament der Firmung spendet, hat eine kleine Gruppe eine außergewöhnliche Art der Firmvorbereitung hinter sich: 13 junge Frauen und Männer machten sich während der Osterferien nämlich für eine Woche auf den Weg ins polnische Oswiecim – jene Stadt, in der die Nationalsozialisten vor fast 80 Jahren das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz errichteten.


„Außergewöhnlich ist das, weil die Vernichtung der europäischen Juden ganz sicher kein typisches oder gar nahe liegendes Thema ist, um sich auf die Firmung vorzubereiten“, sagt Sarah Koch vom fünfköpfigen Betreuer-Team. „Und außergewöhnlich ist auch, dass sich die Jugendlichen seit Dezember, also mehrere Monate und sehr intensiv auf diese Fahrt vorbereitet haben.“

Allerdings sei diese Vorbereitung nicht eine andere Form des Geschichtsunterrichts gewesen, erklärt Betreuerin Carolin Tump: „Wir haben versucht, mit unterschiedlichen Filmen einen Zugang zu diesem schwierigen und fordernden Thema zu entwickeln.“ Entsprechend sei es nicht vorrangig darum gegangen, historische Fakten zu vermitteln. „Unser Anliegen war es, darüber ins Gespräch zu kommen, was das damals Geschehene mit unserem Leben als Christen heute zu tun hat“, so Tump.
Aktueller Bezug
Mit anderen Worten: Es sollte um die Haltung zu Fragen gehen, die auch heute noch aktuell sind. „Sicher nicht so brennend und drängend wie damals. Sicher auch nicht mit so existenziellen Konsequenzen – aber doch immer noch genau so präsent“, sagt Tump. So hat sich die Gruppe mit der Verfilmung des Lebens des evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer oder den Aktionen der Widerstandsgruppe „Die Weiße Rose“ an das Thema „Freiheit und Verantwortung“ gewagt. Oder mit der Verfilmung des Literatur-Klassikers „Jakob der Lügner“ hat der Komplex „Wahrheit und Hoffnung“ auf der Tagesordnung gestanden.

Selbstverständlich blieben Zahlen und Daten nicht außen vor. Allein bei den zwei mehr als vierstündigen Führungen über das Gelände des Stammlagers I und des Vernichtungslagers Birkenau spielten diese eine wichtige Rolle. Doch auch hier ging es vorrangig um individuelle Schicksale. In Polen angekommen setzten sich die Firmlinge deshalb auch zunächst einmal mit jenen Frauen und Männern auseinander, die aus dem Kreis Olpe ins Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz deportiert worden waren.
Teilnehmer erstaunt wie erschüttert
Sie recherchierten deren Herkunft, ihre Lebenswege und verwandtschaftlichen Beziehungen – und zeigten sich ebenso erstaunt wie erschüttert, als sie die Namen dieser Personen wenig später in einer mehr als 1,1 Millionen Namen umfassenden Liste wiederfanden, die in der Gedenkstätte an die Ermordeten erinnern soll.

Mit Multimedia-Präsentationen über den so genannten Todesblock 11 sowie die Lebensläufe der SS-Männer wurden dann einzelne historische Aspekte noch einmal vertieft. Inhaltliche Schwerpunkte setzte das Organisationsteam allerdings auch mit einzelnen Workshops.
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In kleinen Runden von drei bis fünf Personen wurde beispielsweise der Frage nachgegangen, warum Gott den Holocaust zugelassen hat und wo er in Auschwitz war. Die Auseinandersetzung mit chassidischen Erzählungen und deren Bedeutung für das Selbstverständnis im Judentum oder auch mit Vorurteilen und Lügen so genannter Holocaust-Leugner standen ebenfalls auf dem mit Mitteln des Bundesfamilienministeriums geförderten Programms.
Fabrikbesuch in Krakau
„Uns war es bei dieser Fahrt auch wichtig, dass wir nicht gedrückt und zu Tode betrübt zurückkommen – sondern den Auftrag erkennen, der aus diesem schrecklichen Ort erwächst“, berichtet Team-Mitglied Antonius Klein und verweist deshalb auf eine Tages-Fahrt, die die Gruppe nach Krakau unternommen hat.
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„Mit dem Besuch der Fabrik von Oskar Schindler, der im so genannten Dritten Reich über 1000 Juden das Leben gerettet hat, wurde noch einmal deutlich: Es gab in diesem ganzen falschen Leben damals auch Menschen, die das Richtige getan haben. Und das macht Mut“, so Klein.

Für die Firmlinge waren die fünf Tage entsprechend „dicht“. Eine Teilnehmerin meinte jedoch: „Man muss diesen Ort gesehen haben. Mit dem, was wir in Büchern und in der Schule vermittelt bekommen, kann man sich das nicht wirklich vorstellen.“ Und eine weitere Teilnehmerin ergänzte: „Mir ist hier schon sehr deutlich geworden, dass ich mich jeden Tag aufs Neue entscheiden kann – und muss. Und dass jede meiner Entscheidungen Folgen hat. Wie bei der Firmung eben auch…“
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