Prozessfortsetzung: Wendenerin mit großen Erinnerungslücken an Tatnacht

Angeklagte verantwortet sich wegen versuchten Mordes


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Das Landgericht in Siegen. von Nils Dinkel
Das Landgericht in Siegen. © Nils Dinkel

Siegen/Brün. Im Wendener Ortsteil Brün hat sich am 17. Februar gegen 3 Uhr morgens ein Kapitalverbrechen ereignet (LokalPlus berichtete). Eine stark alkoholisierte Frau (67) stach laut Anklage von Staatsanwalt Rainer Hoppmann mehrfach auf ihren schlafenden Ehemann ein und verletzte ihn schwer. Vor der 1. großen Strafkammer am Landgericht Siegen muss sich die Frau seit Donnerstag, 12. August, wegen versuchten Mordes verantworten. Am zweiten Prozesstag, Freitag, 20. August, bezogen die Angeklagte, ihr Noch-Ehemann sowie vier Polizeibeamte, Stellung zu den Vorgängen in der Tatnacht.


Richterin Elfriede Dreisbach erkundigte sich zunächst bei der Angeklagten über das Leben der Eheleute. Als Jugendliche lernten sich beide in der Sowjetunion kennen. Der Mann sei ihr Jugendschwarm gewesen. Die Wege hätten sich damals jedoch getrennt und jeder habe bis 2019 sein Leben gelebt. Über das Internet sei ihr Jugendschwarm dann auf sie gestoßen und der Kontakt intensivierte sich. Die Angeklagte, die ursprünglich aus Soest kommt, habe dann den Sprung ins „Wendsche“ gewagt und sei zum Ehemann gezogen. 2020 heirateten beide dann.

Auch die 67-jährige Frau äußerte sich zur Tatnacht. An jenem Tag habe sie starke Kopfschmerzen gehabt und ein Druckgefühl im Kopf verspürt. Ihr Ehemann sei vormittags beim Angeln gewesen und gegen 16 Uhr nach Hause gekommen. Den Abend verbrachten beide gemeinsam, spielten Karten und konsumierten Alkohol. Danach könne sie sich an nichts mehr erinnern und sei erst wieder in der Ausnüchterungszelle zu sich gekommen. Der in der Nacht stattgefundene Alkohol-Test hatte 2,23 Promille ergeben.

Frau ist alkoholkrank

Dass der Alkoholkonsum kein Einzelfall sei, verheimlichte die Angeklagte nicht. Nach eigenen Angaben habe sie sich bereits 2012 zu ihrem Hausarzt begeben, der sie dann in eine Entzugsklinik eingewiesen habe. Sie sei mehrfach rückfällig geworden. Sie gab an, unregelmäßig, aber intensiv zu trinken.

Ihr um ein Jahr älterer Ehemann sagte ebenfalls am Landgericht aus. Er gab an, dass er sich von seiner Noch-Ehefrau scheiden lassen wolle. In der Tatnacht sei er gegen Mitternacht zu Bett gegangen und drei Stunden später, unter starken Schmerzen, wach geworden und „wie ein Hase“ aus dem Bett gesprungen. Diese Schmerzen waren dem ersten Einstich geschuldet gewesen. Er habe daraufhin das Schlafzimmer verlassen und sei ins Wohnzimmer geflüchtet. Dort habe er zwei weitere Stiche in den Rücken bekommen. Das Blut habe gespritzt „wie bei einer Fontäne“.

Danach habe er den Notruf abgesetzt. In der Wohnung habe es ausgesehen „wie in einer Schlachterei“. Er gab an, drei Wochen im Krankenhaus verbracht zu haben.

Rechtsanwalt sieht Widersprüche in Opfer-Aussagen

Der Rechtsanwalt der Angeklagten, Martin Kretschmer, sah in der Aussage des Opfers einen Widerspruch. Das Opfer hatte angegeben, dass ihm jemand von hinten ein Messer in den Rücken gestoßen habe. Den Polizisten hingegen habe er gemäß Protokoll erzählt, die Frau sei ihm entgegengekommen.

Des weiteren ging der Anwalt auf ein mögliches Motiv ein. Das Opfer wurde von der Polizei vernommen und nach einem möglichen Motiv gefragt. Dort habe er angegeben, dass die Ehefrau sich möglicherweise zu dieser Tat habe hinreisen lassen, da eine äußerliche Ähnlichkeit zum Ex-Mann bestünde. Das Opfer bestritt beide Aussagen in der besagten Form getätigt zu haben.

Angeklagte im apathischen Zustand

Insgesamt vier Polizeibeamte gingen auf die Geschehnisse der Tatnacht ein. Beim Eintreffen in Brün habe das Opfer den Polizisten die Tür geöffnet und lediglich eine Unterhose getragen. Bei einem späteren Alkoholtest wurde ein Promillewert von 0,6 gemessen. Die Angeklagte habe im Bett gelegen.

Nach Angaben der Beamten befand sich die Angeklagte im Tiefschlaf. Bis auf ein Hämatom am Auge habe es bei ihr keine weiteren Anzeichen auf eine Verletzung gegeben. Ein mehrfaches Wachrütteln sowie Anschreien hätten nichts an ihrem Zustand geändert. Das mehrere Polizisten in ihrer Wohnung stehen, habe die 67-Jährige nicht sonderlich tangiert.

Deshalb sei die Belehrung auf ein Minimum reduziert worden. Trotz mehreren Versuchen sei ein Alkoholtest am Tatort nicht realisierbar gewesen. Die Beamten gaben allesamt an, die Frau habe einen geistesabwesenden und leeren Eindruck hinterlassen. Sie habe wiederholt nach ihrem Ehemann gefragt. Nachdem die Beamten ihr gesagt haben, dass dieser sich im Krankenhaus befindet, habe sie keine Reaktion gezeigt.

Für den 24. und 26. August sind zwei weitere Termine geplant, am 27. August soll das Urteil verkündet werden.

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