„Ich übergebe eine intakte Gemeinde“

Vor der Verabschiedung: Bürgermeister Peter Brüser im großen Interview


Peter Brüser an seinem Platz im Ratssaal. von s: Sven Prillwitz
Peter Brüser an seinem Platz im Ratssaal. © s: Sven Prillwitz

46 Dienstjahre hat Peter Brüser verrichtet, 42 davon in der Gemeinde Wenden. In mehr als die Hälfte dieser Zeit hat er die Geschicke der Kommune seit 1992 an vorderster Front gelenkt: Zwei Jahre lang als Gemeindedirektor, 21 Jahre lang als Bürgermeister. Am kommenden Dienstag, 20. Oktober, verabschiedet sich der 63-Jährige in den Ruhestand. Im Interview mit LokalPlus-Redakteur Sven Prillwitz blickt Brüser auf seine Amtszeit an der Spitze der Verwaltung zurück, spricht über Erfahrungen und die Aufreger der letzten Wochen und verrät, wie er das Rentnerdasein angehen wird.


Herr Brüser, haben Sie sich eigentlich schon an den Gedanken gewöhnt, am Mittwoch nächster Woche wach zu werden und nicht mehr Bürgermeister mehr zu sein?

So richtig habe ich mich noch nicht daran gewöhnt. Im Moment bin ich noch voll ins Alltagsgeschäft eingebunden. Ich hatte aber eine relativ lange Vorlaufphase, um mich mit dem Gedanken auseinanderzusetzen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es nennenswerte Probleme geben wird, sich an die neue Situation zu gewöhnen. (lacht) Aber es wird eine Umstellung, ganz klar.

In den letzten Wochen und Monaten Ihrer Amtszeit gab und gibt es drei größere Aufreger. Zum ersten wären da die Diskussionen um den Schulstandort Ottfingen…

Das Ergebnis kam nicht überraschend und ist von mir zu einem relativ frühen Zeitpunkt prognostiziert worden. Ich bin da aber ehrlich, dieses Thema gehört zu Fragestellungen, bei denen ich mich in den letzten Monaten etwas zurückgehalten habe. Es gibt Themen, die ich später nicht mehr verantworten muss. Das wäre gegenüber denjenigen, die nach mir kommen, nicht fair gewesen.

Das Thema Flüchtlinge und ihre Versorgung bedeutet für die Kommunen bundesweit einen immensen Kraftakt. Kann aus der Herausforderung für Wenden auch eine Chance werden?

Ich weise seit Monaten auf mögliche Konsequenzen dieses ungeregelten Zuzugs hin. Wir stoßen nicht nur an unsere Grenzen, sondern haben sie erreicht. Meine Sorge ist, dass wir in den nächsten Monaten auf Sporthallen zurückgreifen müssen, um Flüchtlingen einigermaßen menschengerechte Unterkünfte bieten zu können. Ich befürchte, dass dann Verständnis und Hilfsbereitschaft der Bevölkerung nachlassen könnten. Der Umgang der großen Politik mit der Flüchtlingsproblematik ist für mich in keiner Weise nachvollziehbar und eine der größten Fehlentscheidungen der Nachkriegsgeschichte.

Und dann war da noch die im Rat gescheiterte Wahl zum Ehrenbürger Anfang September. Damals haben Sie von einer „Enttäuschung“ gesprochen. Wie beurteilen Sie die Vorkommnisse heute, mit etwas Abstand?

Ich hatte relativ schnell Abstand zu der Geschichte. Ich hatte nicht danach gedrängt, geehrt zu werden. Ich weiß mittlerweile, dass so genannte Parteifreunde im Hintergrund massiv gegen diese Ehrung gearbeitet und dabei sogar Ratsmitglieder der anderen Parteien einbezogen haben. Man hat die Fraktionsvorsitzenden und mich bewusst ins offene Messer laufen lassen. Im Laufe der Jahre lernt man, auch mit solchen Situationen umzugehen. Man schüttelt sich zweimal, und es ist gut. Dabei hilfreich war natürlich die unglaublich große positive Resonanz aus der Bevölkerung, die ihr Unverständnis über diese Entscheidung öffentlich gemacht hat.

In welchem Zustand übergeben Sie die Gemeinde Wenden an Ihren Nachfolger Bernd Clemens?

Meine Berufslaufbahn in Wenden hat 1969 begonnen. In dieser Zeit habe ich bis heute erlebt, wie sich eine eher landwirtschaftlich geprägte Kommune mit relativ wenigen Arbeitsplätzen zu einem modernen Industrie-, Wohn- und Gewerbestandort mit einer hervorragenden Infrastruktur entwickelt hat. Außerdem sind da die drei Leuchttürme: Wenden ist geprägt durch ein unglaublich intensives Vereinsleben, hat die Wendener Kirmes und mit der Wendener Hütte ein Museum, das nationale, wenn nicht sogar internationale Qualität hat. Ich übergebe also eine intakte Gemeinde, die im Kernhaushalt keine Schulden und dank eines äußerst verantwortungsbewussten Umgangs mit den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln eine Liquidität von immerhin fast 18 Millionen Euro hat.

Im Vergleich zu anderen Kommunen ist der Breitbandausbau in Wenden außerdem auch schon deutlich weiter.

Wir haben unser Ziel erreicht, alle größeren Ortschaften an Glasfaser anzuschließen. Entsprechende bauliche Maßnahmen laufen zurzeit in Rothemühle und Heid, 2015 soll Elben angeschlossen werden. Unversorgt bleiben lediglich kleinere Ortschaften mit weniger als 200 Einwohnern, weil das aktuell wirtschaftlich noch nicht darstellbar ist.

Was war der schönste Moment Ihrer Laufbahn als Chef der Gemeinde Wenden?

Es gab sehr viele schöne Momente. Sehr erfreulich war, dass ich nach einer schlimmen Verleumdungs- und Hetzkampagne gegen meine Person im Jahre 2002, die sich sehr schnell als an den Haaren herbeigezogen herausstellte, zwei Jahre später die Bürgermeisterwahl sehr klar gewonnen habe. Als unabhängiger Bewerber mit 67 Prozent der Stimmen gegen drei Mitbewerber zu bestehen, das war schon etwas Besonderes.

Was war der traurigste Moment in Ihren 23 Jahren an der Spitze?

Die angesprochene Schmutzkampagne, die nicht nur mich, sondern auch meine Familie sehr ge- und betroffen hat. Unschön war natürlich auch die Sache mit der Ehrenbürgerschaft. Insgesamt bin ich aber in jeder Hinsicht zufrieden und kann sicher mit gewissem Stolz zurückblicken. Mein Amt habe ich immer sehr gerne ausgeübt.

Inwiefern unterscheidet sich der Peter Brüser, der 1992 Gemeindedirektor wurde, von dem Peter Brüser, der im Oktober 2015 in Pension geht?

Man sammelt Erfahrungen und zehrt auch von Erfahrungen, die man einbringen kann in das Alltagsgeschäft. Ich habe mich bemüht, so zu bleiben, wie ich immer war. Mir wurde auch immer wieder bestätigt, dass mir das gelungen ist. Man wird mit der Zeit sicher gelassener; wenn ich mich aber nicht mehr ärgern könnte, wäre ich aber am falschen Platz. Und ärgern kann ich mich noch bis Dienstag. (lacht)

Letzte Frage: Welche Pläne haben Sie für den Ruhestand?

Für die weiteren Tages- und Abendabläufe ab der nächsten Woche habe ich keine strukturierten Pläne, ich lasse das zunächst auf mich zukommen. Fest steht, dass die Familie demnächst einen höheren Stellenwert einnehmen wird. Langweilig wird mir jedenfalls Fall nicht werden, denn ich bin auch noch ehrenamtlich tätig, unter anderem als Vorsitzender des DRK-Ortsvereins. Die erste Schirmherrschaft ist mir auch schon übertragen worden.

Die Kurzbiografie
• Peter Brüser wurde am 23. August 1952 in Hillmicke geboren und besuchte die Volks- und Realschule. Der heute 63-Jährige ist seit 41 Jahren verheiratet; er und seine Frau Reinhilde haben drei Kinder. • 1969 begann Brüser seine Ausbildung bei der Gemeinde Wenden, die er als Diplomverwaltungswirt abschloss. 14 Jahre später übernahm Brüser die Leitung des Hauptamts. • Von 1988 bis 1992 war er als Gemeindedirektor der Gemeinde Gangelt tätig. Für seine Verdienste zeichnete ihn die Gemeinde Sohland an der Spree 2000 als Ehrenbürger aus. • 1992 kehrte Brüser nach Wenden zurück und übernahm hier ebenfalls den Posten des Gemeindedirektors. 1994 wurde er Bürgermeister.
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