Flüchtlinge schließen Fachkräfte-Lücke

Alfes + Sohn GmbH beschäftigt zwei Asylsuchende / Kritik an bürokratischen Hürden


  • Wenden, 18.05.2016
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Firmeninhaber Gerhold Alfes (Mitte) mit Roland Kovaci und Mihajlo Lakatos. von Daniel Heinz
Firmeninhaber Gerhold Alfes (Mitte) mit Roland Kovaci und Mihajlo Lakatos. © Daniel Heinz

Viele Unternehmen haben vor dem Hintergrund des demografischen Wandels zunehmend Probleme, Fachkräfte zu finden. Dipl.-Bauingenieur Gerhold Alfes und seine Frau Ilka Alfes, Inhaber der Firma Alfes + Sohn GmbH in Hünsborn, haben nun probeweise zwei Flüchtlinge eingestellt. Nach einem Monat der Erfahrung und des gegenseitigen Austauschs mit den Zuwanderern ziehen die Eheleute ein positives Fazit, wollen beide weiter beschäftigen und empfehlen Unternehmern, Flüchtlingen eine Chance zu geben im Betrieb.


Wenn es um die Beschäftigung von Flüchtlingen geht, seien die bürokratischen Hürden zwar hoch – und entsprechend groß daher die Bedenken vieler Unternehmer. „Wir können Arbeitgebern aber nur raten: Macht das!“ sagen Gerhold und Ilka Alfes, Inhaber des Straßen- und Tiefbauunternehmens. „Wir hatten keine Erfahrung mit Geflüchteten, man muss sich einfach trauen.“ Aktuell gehören zwei Menschen, die als Asylsuchende ins Land kamen, zur Belegschaft des mittelständischen Unternehmens. Roland Kovaci, gelernter Fliesenleger aus Albanien, und Mihajlo Lakatos, gelernter Maler und Lackierer aus Serbien, sind geflüchtete Roma. Sie wurden als Minderheiten in ihren Herkunftsländern verfolgt, diskriminiert und so vertrieben. Sie verließen mit ihren Familien ihre Heimat, um ein sicheres und freies Leben führen zu können. „Jeder Mensch hat das Recht auf ein anständiges Leben“, haben Gerhold Alfes und seine Gattin vollstes Verständnis dafür, dass ihre beiden Neuzugänge aus ihrer Heimat geflohen sind.
Arbeitserlaubnis liegt überraschend schnell vor
Kennengelernt haben sich die Unternehmer und die Flüchtlinge durch einen Mitarbeiter der Firma, der ehrenamtlich in Kreuztal hilft. Er erzählte von dem handwerklichen Talent, das die beiden Männer mitbringen. Passenderweise zu einem Zeitpunkt, zu dem das Ehepaar Alfes bereits länger erfolglos nach neuen Facharbeitern gesucht hatte. „Kleine und mittelständische Unternehmen leiden unter dem Fachkräftemangel“, erzählen die Firmeninhaber, die auch für den Eigenbedarf ausbilden. Über Wochen seien Stellenausschreibungen unbeantwortet geblieben. Und so machten sich Gerhold und Ilka Alfes schließlich doch daran, einige bürokratische Hürden zu überwinden: Die aktuelle Gesetzeslage lässt es zwar nicht zu, dass Asylsuchende eine Stelle bekommen, auf die sich qualifizierte Deutsche beworben haben. Da aber eben keine entsprechenden Bewerber da waren, konnten das Unternehmerpaar für Roland Kovaci und Mihajlo Lakatos Arbeitsgenehmigungen beantragen. „Der Weg ist nicht ganz einfach, er geht über das Ausländeramt zur Agentur für Arbeit dann nach Bonn und zurück zum Ausländeramt. Hier wird auf der Aufenthaltsgenehmigung eine Arbeitserlaubnis eingetragen“, erzählen Alfes. Und dann ging zu ihrem Erstaunen alles ganz schnell: Nach nur knapp drei Wochen hatten die beiden jungen Männer eine gültige Arbeitserlaubnis und durften offiziell für das Straßen- und Tiefbauunternehmen arbeiten.
Belegschaft nimmt Neulinge kollegial auf
Als gelernte Handwerker hätten die beiden Neuzugänge bereits solide Erfahrungen vorweisen können und sich bei der Einarbeitung als sehr talentiert erwiesen, so Gerhold Alfes. „Es war nicht ganz einfach, etwas zu erklären, ohne Worte zu benutzen, die sie nicht kannten, aber da sie handwerkliche Vorkenntnisse haben und sehr bemüht sind, Deutsch zu lernen, war der Einstieg nicht so schwer.“ Eine große Hilfe sei auch die Belegschaft gewesen, die die Flüchtlinge kollegial und freundschaftlich aufgenommen habe. Nicht klar sei, wie lange Roland Kovaci und Mihajlo Lakatos noch in Deutschland bleiben dürfen. Als Angehörige der Roma werden die beiden Männer und ihre Familien wahrscheinlich nicht als Asylsuchende anerkannt, obwohl sie in ihren Herkunftsländern – die als sicher eingestuft wurden- verfolgt wurden. „Wir werden für ihre Aufenthaltsgenehmigung kämpfen“, kündigt Ilka Alfes an, denn ihre neuen Mitarbeiter möchten sie nicht verlieren.
„Arbeit ist die beste Möglichkeit zur Integration“
Sie und ihr Mann sehen reichlich Handlungsbedarf in der aktuellen Asylpolitik. „Arbeit ist die beste Möglichkeit zur Integration. Sie fördert das Zusammenleben, die Sprachkenntnisse und durch das selbstverdiente Geld steigt auch das Selbstwertgefühl“, sagen beide. Diskussionen, dass Asylsuchende von der Einhaltung des Mindestlohns ausgeschlossen werden sollen, empören das Unternehmerpaar. Für sie ist klar: „Arbeit muss sich lohnen.“ Roland Kovaci und Mihajlo Lakatos werden nach der Tarifregelung des Baugewerbes bezahlt. Dieser Lohn ermöglicht es ihnen, nicht länger auf Sozialleistungen angewiesen zu sein. Dennoch müssen sie zunächst in der Asylunterkunft bleiben, bis endgültig über ihren Aufenthalt entschieden worden ist. „Integration könnte funktionieren, wenn diese ständigen Hürden nicht so hoch wären“, sagt Gerhold Alfes, „auch diese Menschen haben Rechte, und eins davon sollte freie Wohnungswahl sein.“ Denn: Der demografische Wandel lasse sich durch die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt durchaus abfedern, ist der Unternehmer sicher. Und auch zum allgemeinen gesellschaftlichen und politischen Umgang mit der Flüchtlingskrise findet Gerhold Alfes deutliche Worte: „Wir brauchen Solidarität statt einer sogenannten Alternative für Deutschland. Deutschland ist ein sehr reiches Land, und wenn wir nur ein bisschen teilen würden, würde es allen besser gehen.“
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