Währungsreform vor 70 Jahren: Reichsmark als Kleingeld weiter im Umlauf

Schulen wurden zu Umtauschstellen


Topnews
 von Rüdiger Kahlke
© Rüdiger Kahlke

Olpe. 20. Juni 1948. Mit dem „Tag X“ kam vor 70 Jahren das neue Geld. Die D-Mark löste die Reichsmark ab. Aber: Bezahlt werden musste teilweise noch mit altem Geld. Münzen und Scheine „bis zum Werte von 1 Reichsmark gelten zu einem Zehntel ihre Nennwertes vorübergehend als gesetzliches Zahlungsmittel“, kündigte die Westfälische Rundschau in Olpe auf ihrer Titelseite am Tag vor der Währungsreform an. Kleinbeträge mussten vorerst weiter mit altem Geld beglichen werden. Die Reichsmark war dabei nur zehn Pfennig wert.


Das Procedere des Umtauschs hatte der Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten den Oberkreisdirektoren, den Polizeichefs und Leitern der Straßenverkehrsämter bereits im Juni per Rundbrief mitgeteilt. Geldtransport, Ausgabeverfahren und Zuständigkeiten waren in dem Ukas „Betr.: Verfahren bei der Auszahlung des Kopfbetrages an die Bevölkerung im Falle der Währungsreform“ bereits geregelt.

Für die Mitarbeiter der Sparkassen in Olpe und Umgebung hieß das auch, am 20. Juni 1948 früh aufzustehen. „Die Sparkassenmitarbeiter erhielten Anweisung, die Umtauschstellen von 8 Uhr bis 18 Uhr einzunehmen“, erinnert sich Ulrich Viedenz. Der langjährige Leiter der Sparkassen-Niederlassung Wenden hatte die Währungsreform als Junganstellter der Olper Sparkasse miterlebt. Weiter schreibt er in einem Rückblick für die Mitarbeiterzeitung der Sparkasse 2005: „Bereits am Vortag wurden Einzahlungsbelege für Reichsmark und Auszahlungsquittungen zur Deutschen Mark bereitgestellt. Dazu gab es noch Zahlungslisten.“ Deutsche Gründlichkeit halt.
Fehlbetrag am Schalter I
Erfasst wurde natürlich auch, wie viel Geld wo ausgezahlt worden ist. Bei der Schule in Saßmicke waren es 13.000, bei der Schule Neuenkleusheim 17.520, in Rhode 28.800 D-Mark. Und 765.000 Reichsmark sammelte die Aktenstelle Olpe von den Einwohnern ein. Aber: bei aller Ordnung lief nicht alles glatt. Am Schalter I der Sparkasse Olpe wurde ein Fehlbetrag von 80 DM an Neugeld festgestellt.
 von Rüdiger Kahlke
© Rüdiger Kahlke
Geldprobleme hatten auch die Kommunen. Mit einem Antrag, sich die Kosten für die Abwicklung der Währungsreform erstatten zu lassen, scheitern sie am Länderrat. Der räumte zwar ein, dass es sich um „eine Auftragsangelegenheit für die Gemeinden“ gehandelt habe. Aber, da die Kosten größtenteils in Reichsmark entstanden seien, dürfte „infolgedessen keine Notwendigkeit zur Erstattung vorliegen“. Ähnliche Probleme kennen die Kommunen bis heute, wenn sie Aufgaben für andere staatliche Ebenen ohne Kostenausgleich übernehmen sollen.
Epoche oder Scheinblüte?
Die positiven Reaktionen auf die Währungsreform überwogen. Die Westfalenpost schrieb am 26. Juni 1948: „Die erste Woche des neuen Geldes ist vorüber….Noch weiß man nicht, ob es der Anfang einer neuen Epoche wird oder aber ob es sich nur um eine vorübergehende Scheinblüte handelt.“ Die Bevölkerung jedenfalls versuchte, „sich mit den schlagartig neueinsetzenden Verhältnissen vertraut zu machen, um das neue Geld so nutzbringend wie möglich anzuwenden.“ 

Plötzlich gab es wieder „Weckapparate, Gläser, Trinkbecher, Seifen- und Butterdosen“.  Weiter berichtet die Zeitung, man höre auch Unwillen darüber, „daß dieser plötzliche Umschwung erkennen ließ, daß diese Waren auch vorher schon dagewesen sein müssen.“
„Der Schwarzmarkt lebt noch“
Und auch der Schwarzmarkt brach nicht, wie die Westfälische Rundschau zwei Tage nach der Währungsreform vermutet hatte, plötzlich in sich zusammen. „Der Schwarzmarkt lebt noch“, schrieb die Westfalenpost eine Woche nach dem Geldumtausch. Zumindest „beim Handel mit Genußmitteln, wie Zigaretten, Schnaps, Bohnenkaffee usw.“ war der Schwarzmarkt „in seinem alten Umfang bestehen geblieben“.
 von Rüdiger Kahlke
© Rüdiger Kahlke
Während sich die Verhältnisse, was den Konsum angeht, langsam normalisierten, waren die Wochen zwischen den Auszahlterminen der beiden Kopfgeldraten „eine der härtesten Zeiten aus banktechnischer Sicht“, erinnerte sich Ulrich Viedenz später. Die Banken, die Sparkasse vor allem, „wurde jetzt zur Abwicklungsbank und hatte damit den Auftrag, die Reichsmarkguthaben gemäß den Vorgaben der Militärregierung auf Deutsche Mark umzustellen“, so Viedenz. Die Abwertung der Spareinlageh hatte das Vertrauen der Sparer erschüttert.
Aus enttäuschten Sparern wurden Spar-Weltmeister
Die zweite „Kopfgeld“-Rate kam vom 8. bis 10. September 1948 zur Auszahlung. „Die Olper Bürger wurden mit Plakaten auf die Auszahlung der zweiten Rate von 20 Mark hingewiesen“, so Ulrich Viedenz in seinem Rückblick. Peu à peu normalisierte sich das Wirtschaftleben. Es kam, wie die Westfälische Rundschau am Tag vor der Währungsreform geschrieben hatte. Mängel auf verschiedenen Gebieten seien auch durch neues Geld nicht zu überwinden: „Auf diesen Gebieten kann nur eine gesteigerte Produktion Abhilfe schaffen.“
 von Rüdiger Kahlke
© Rüdiger Kahlke
So kam es dann. Auch wenn viele sich längst nicht alles leisten konnten, was in den Regalen stand. „Im Laufe der Jahre heilte das Vertrauensverhältnis der Sparer zur Sparkasse und die Wiederaufbauarbeit hatte begonnen“, blickte Viedenz 2055 auf die Währungsreform und die anschließenden Wirtschaftswunderjahre zurück. Die deutschen Sparer, die durch Währungsumstellung vor 70 Jahren einen großen Teil ihrer Guthaben verloren hatten, wurden bald darauf Weltmeister im Sparen – und im Export.

(Quellen: Stadtarchiv Olpe; Archiv Sparkasse Olpe-Drolshagen-Wenden)
Artikel teilen: