Luise Schröder findet Hilfe gegen Depression

„Hätte ich die Chance schon früher genutzt“


Luise Schröder ist glücklich und dankbar, dass sie in der Werthmann-Werkstatt Olpe einen Arbeitsplatz und somit Teilhabe an der Gesellschaft gefunden hat. Foto: Werthmann-Werkstätten von Werthmann-Werkstätten
Luise Schröder ist glücklich und dankbar, dass sie in der Werthmann-Werkstatt Olpe einen Arbeitsplatz und somit Teilhabe an der Gesellschaft gefunden hat. Foto: Werthmann-Werkstätten © Werthmann-Werkstätten

Olpe. Wenn bei Luise Schröder morgens der Wecker klingelt, steht sie mit einem guten Ge-fühl auf. Sie freut sich auf ihre Arbeit in der Werthmann-Werkstatt, Abteilung Olpe. Dort ist sie seit vier Jahren in der Elektromontage tätig. „Es ist eine Aufgabe, die mich fordert und man sieht die Erfolge. Ich gehe jeden Morgen gern zur Arbeit und habe hier auch Freunde gefun-den“, so die 60-Jährige.


Sie ist glücklich und dankbar, dass sie in der Werkstatt eine neue Perspektive mit geordneten Strukturen gefunden hat und möchte mit ihrer Geschichte anlässlich des Europäischen Depressionstages am 1. Oktober anderen Betroffenen Mut machen. „Durch die Arbeit hat sich mein Leben sehr positiv verändert. Heute kann ich sagen, mir geht es sehr gut.“

Das war nicht immer so. Luise Schröder war Ende 30, als sie merkte, dass mit ihr etwas nicht stimmt. „Meine Gefühlsleben glich einer Achterbahn, von himmelhoch jauzend bis zu Tode betrübt. Ich hatte ständig das Gefühl, mir fehlt das Gleichgewicht.“ Bis dahin hatte sie ihr Leben im Griff. Sie wuchs in Aachen auf, wo sie den Beruf der Bürokauffrau erlernte.
Ehe mit Grieche zerbricht
Als sie sich in ihren späteren Mann verliebte, der aus Griechenland kam und in Freiburg studierte, folgte sie ihm in sein Heimatland. Dort wurde ihre Tochter geboren. Doch die Ehe zerbrach und Luise Schröder kehrte mit der Tochter nach Deutschland zurück. Nach einer Fortbildung zur Übungsleiterin für Seniorengymnastik war sie in einem Altenheim tätig.

In dieser Zeit merkte sie, dass mit ihr etwas nicht stimmte. Sie konnte sich ihre extremen Stimmungsschwankungen nicht erklären und begab sich in ärztliche Behandlung. Es dauerte einige Zeit, bis erkannt wurde, dass sie an einer manisch-depressiven Erkrankung (bipolare Störung) leidet. In der Klinik für Psychiatrie in Olpe wurde sie zunächst auf Depressionen behandelt.
"Geregeltes Leben kaum möglich"
„Die manisch-depressive Erkrankung hat jedoch weitaus schlimmere Auswirkungen als eine normale Depression. Man fällt ohne nachvollziehbare Gründe von einem Extrem ins andere. Ein geregeltes Leben ist im Spannungsfeld zwischen Manie und Depression kaum möglich“, erklärte Luise Schröder ihr Krankheitsbild, das ein zwanzigfach erhöhtes Suizidrisiko birgt.

„Erst als ich in der Gruppentherapie sagte, dass ich den tiefen Fall nach einem absoluten Hoch ohne irgendwelche Gründe nicht verstehe, wurde man hellhörig und ich konnte endlich durch Medikamente eingestellt werden.“ Durch die Kooperation der psychiatrischen Abteilung des Olper Krankenhauses mit den Werthmann-Werkstätten nahm Luise Schröder im Mai 2011 an einer dreiwöchigen Arbeitserprobung in der Abteilung Olpe teil.
Schröder wollte erst nicht
Dort erhalten Menschen mit psychischen Behinderungen Teilhabe an der Arbeit und somit auch an der Gesellschaft. „Nach einer Woche habe ich gesagt, das mach ich nicht. Auf den ersten Blick war das für mich ein Abstieg. So habe ich das Angebot zunächst abgelehnt. Ich habe es als übergestülpt und nicht als Hilfe gesehen. Ein Jahr später habe ich mich aber neu beworben und war sehr froh, dass ich aufgenommen wurde. Heute kann ich sagen, hätte ich diese Chance der Beschäftigung besser schon zehn bis 15 Jahre eher genutzt.“

Luise Schröder hatte die Arbeit in der Werkstatt völlig falsch eingeschätzt. „Das machen von außen viele Leute. Doch wir werden hier nicht verwahrt, sondern hier wird gearbeitet wie in einer ganz normalen Firma. Wir stempeln morgens und abends, haben feste Arbeitszeiten und Urlaub und müssen eine Krankmeldung bringen, wenn wir nicht arbeiten können. Wir arbeiten produktiv und anspruchsvoll für große Industriekunden. Der einzige Unterschied zu einer Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist der, dass man hier seinen persönlichen Schutzraum hat.“
Rücksicht auf Krankheitsbild
Das bestätigte Petra Müller vom Begleitenden Dienst: „Die Grundarbeitstugenden werden von jedem Mitarbeiter erwartet. Bezüglich der Flexibilität und des Arbeitsdruckes wird jedoch entsprechend des Krankheitsbildes Rücksicht genommen.“

Luise Schröder ist glücklich, dass sich ihr Leben durch die Arbeit und die sozialen Kontakte stabilisiert hat. „Seit ich hier arbeite, widme ich mich in der Freizeit auch wieder meinen Hobbies. Ich lese und stricke gerne und betreibe Rehasport. An den Wochenenden unternehme ich etwas mit Freunden, die ich in der Werkstatt gefunden habe, schöne Dinge. Jetzt lerne ich das Fahrradfahren. Ich habe mir in der Fahrradwerkstatt, die die Werthmann-Werkstätten gemeinsam mit dem focus-Lädchen in der Pannenklöpperstraße 5 betreiben, ein Fahrrad gekauft. Dazu gibt es begleitende Kurse, wie man richtig und verkehrssicher Fahrrad fährt. Viel Spaß macht mir auch das Mitwirken im Theater-Projekt, das in der Werkstatt im vergangenen Jahr etabliert wurde.“ Zu dieser Stabilisierung hat sie jedoch auch selbst beigetragen. Sie hat sich stets sehr reflektiert mit ihrem Krankheitsbild beschäftigt.
Hilfe wenn sie benötigt wird
Die 60-Jährige ist sehr froh über die positiven Veränderungen in ihrem Leben. Durch das Netzwerk focus, das wie die Werthmann-Werkstätten zu den Einrichtungen der Behindertenhilfe des Caritasverbandes Olpe gehört, hat sie eine kleine Wohnung gefunden. Einmal pro Woche schaut eine focus-Mitarbeiterin bei ihr vorbei. „Ich weiß, dass ich beruflich und privat Hilfe bekomme, wenn ich Probleme habe. Und wenn ich merke, dass ich wieder in eine Manie fallen könnte, gehe ich sofort zu meinem Arzt, damit die Medikamente umgestellt werden.“

In der Werthmann-Werkstatt in Olpe will sie auf jeden Fall bis zum Rentenantritt arbeiten, weil ihr die geordneten Strukturen gut tun. Und sie hat auch schon eine Idee, wie sie danach ihrem Leben einen Sinn geben will: „Ich würde gerne ehrenamtlich in der Werkstatt tätig sein. Ich könnte mir gut vorstellen, einen Gymnastikkurs für ältere Menschen zu leiten.“ Weitere Infos unter www.werthmann-werkstaetten.de. (LP)
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