Industrie trifft Medizin

Führen Normen und Zentren zum Erfolg?


  • Olpe, 05.11.2015
  • Von Katja Fünfsinn
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    Katja Fünfsinn

    Redaktion

Dr. Karl-Heinz Ebert, die beiden Referenten Prof. Hans-Peter Bruch, Martin Kneer und Rupprecht Kemper (v.l.) beim achten Kommunikationsforum "Industry meets Medicine" in Olpe. von s: Katja Fünfsinn
Dr. Karl-Heinz Ebert, die beiden Referenten Prof. Hans-Peter Bruch, Martin Kneer und Rupprecht Kemper (v.l.) beim achten Kommunikationsforum "Industry meets Medicine" in Olpe. © s: Katja Fünfsinn

Was haben Industrie und Medizin gemeinsam? In beiden Bereichen spielen Zentrierungen und Normierungen eine immer wichtigere Rolle. Aber hilft es Ärzten und Technikern wirklich weiter, sich in Zentren zusammenzuschließen? Führt die Einführung von immer mehr standardisierten Vorgehensweisen zum Erfolg? Um diese Fragen ging es im achten Kommunikationsforum in Olpe.


Die Begrüßung und Hinführung zum Thema des Abends – „Gute Zeiten, schlechte Zeiten: Zentren und Normierungen ein Garant für Erfolg?“ – übernahmen Rupprecht Kemper, geschäftsführender Gesellschafter der Gebrüder Kemper GmbH, und Dr. Karl-Heinz Ebert, Chefarzt der chirurgischen Klinik des St. Martinus-Hospitals in Olpe. Rund 70 Gäste waren am Mittwochabend, 4. November, in die Firma Kemper gekommen. Die Katholische Hospitalgesellschaft Südwestfalen hatte zum achten Mal zum Kommunikationsforum „Industry meets Medicine“ eingeladen. Als Referenten waren Martin Kneer und Prof. Hans-Peter Bruch aus Berlin gekommen.
Europäische Union als Strukturgeber
Ob Konzentrationsprozesse in der Industrie erfolgreich verlaufen, könne man nicht genau vorhersagen, erläuterte Rupprecht Kemper in seiner Einführung. Die LEWA in Attendorn oder die BBZ in Arnsberg seien positive Beispiele. An diesem Abend stehe vor allem auch die Europäische Union als Strukturgeber und Verwalter Europas im Mittelpunk. Ob dadurch für die Wirtschaft bessere Zeiten kommen würden, bezweifelte Kemper stark. Am aktuellen Beispiel der landesweiten Flüchtlingswelle zeige sich: Wo es keine Regel, keine Regulierung gibt, seien Eigeninitiative und Freiwilligkeit gefragt.
Verankerung nationaler Standards
Martin Kneer hielt seinen Vortrag unter dem Motto „Die Zeit – zwischen verwalten und gestalten“. Es ist genau diese Eigeninitiative, die Kemper angesprochen hatte, die aus Sicht Kneers heutzutage fehlt. Abwarten, keine Fehler machen, nichts verändern – ein Mentalitätswechsel hemme die Entwicklung des Landes. Normierungen seien in einem gewissen Maß sicherlich notwendig. Sie legten Standards fest, die nicht zuletzt einen fairen Wettkampf ermöglichen würden. International gesetzte Normen seien allerdings nicht immer mit dem deutschen Qualitätsverständnis vereinbar. Ziel müsse es daher sein, dass die Standards deutscher Normen auf die europäische und internationale Ebene gehoben werden.
Bei dem viel kritisierten TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) gehe es genau darum: Nicht die Aufweichung europäischer Standards, sondern die Verankerung der hohen nationalen Standards könne damit erreicht werden. Während Metropolen wachsen, leeren sich die ländlichen Räume. Da der Staat aber Ressourcen nicht „mit der Gießkanne gleichmäßig über unser Land verteilen kann“, sei eine gewisse Zentrenbildung unumgänglich. Politik, Industrie und Gesellschaft müssten viel stärker gemeinsam arbeiten. Die Welt sei längst zu komplex geworden, als das ein Führungskreis alleine etwas verändern könne. Die Zukunft müsse mit dem Dreiklang von Verändern, Verantworten und Gestalten angegangen werde.
Zentren als Lösungsweg
Dr. Karl-Heinz Ebert machte zu Beginn seiner Ausführung deutlich, in welchem Dilemma die Mitarbeiter eines Krankenhauses stecken: „Der Patient ist weder ein Werkstück noch ein Kunde. Dennoch muss ein Krankenhaus wie ein mittelständisches Unternehmen geführt werden.“ Krankenhäuser würden einem massiven ökonomischen Druck unterliegen und müssten Ideen entwickeln, um nicht auf der Strecke zu bleiben. Der Begriff des Zentrums werde aber teilweise als Marketingstrategie verwendet, ohne dass das Zentrum wirkliche Kompetenzen vorzuweisen hätte. Normen in der Medizin müssten verhindert werden, betonte Ebert. In der Medizintechnik oder bei Medizinprodukten seien sie sinnvoll, bei der Behandlung von Patienten nicht.
Echte Zentren braucht das Land
Während Ebert zu dem Schluss kam, dass weder Zentren noch Normierungen in der Medizin garantiert zum Erfolg führen, sah Prof. Hans-Peter Bruch die Zentrierung des medizinischen Sektors als absolute Notwendigkeit an. Wenn es sich um echte Zentren handele. „Wo Zentrum drauf steht, muss auch Zentrum drin sein.“ Und ein Zentrum bedeute, dass sich Spezialisten auf einem bestimmten medizinischen Gebiet, beispielsweise der Orthopädie, zusammenschließen würden.
Bruch untermauerte in seinem Vortrag, dass das deutsche Gesundheitssystem dringend überarbeitet werden müsste. Aus seiner Sicht sei das Wohl der Patienten mittlerweile gefährdet, weil Effizienzmaximierung und Gewinn über allem stehen würden. Auf der einen Seite gebe es in Deutschland viel zu viele Kliniken, auf der anderen würden sie dort fehlen, wo sie wirklich gebraucht werden. Und das könne eben auch mal mitten auf dem Feld sein. Er prognostizierte, dass Gruppenpraxen oder Medizinische Versorgungszentren immer häufiger entstehen würden, das kleine Krankenhaus beratende Funktionen übernehmen werde und große Organzentren entstehen würden. In Bezug auf eine Normierung der Gesellschaft kam er auf das gleiche Ergebnis wie sein Kollege Dr. Karl-Heinz Ebert: „Der Patient will kein Durchschnittspatient, sondern ein Individuum sein. Wir können uns höchstens an Leitlinien orientieren, eine Normierung ist nicht möglich.“
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