„Ich kann mich zwar nicht bewegen, aber ich versuche, viel zu bewegen“
Öner Ersin schreibt sein eigenes Buch
- Olpe, 26.03.2022
- Verschiedenes
- Von Christine Schmidt
Olpe. „Mein Name ist Öner. So wie Döner, nur ohne D.“ So stellt sich Öner Ersin gerne vor. Und so könnte der erste Satz des Buches lauten, dass er zusammen mit Ulla Buthe schreibt. „Das Leben mit angezogener Handbremse“ ist der Titel, den der junge Mann mit Handicap für sein Werk gewählt hat. Mit seinem eigenen Buch möchte sich Öner einen Traum erfüllen. Er will Menschen Mut machen.
Es ist ein ganz interessantes Duo, das sich immer mittwochs zum Schreiben trifft. Öner Ersin (34) ist Tetraspastiker und sitzt im Rollstuhl. Ulla Buthe, 71 und Rentnerin, hat eine Leidenschaft fürs Schreiben und möchte dem jungen Mann zur Seite stehen.
Im Oktober 2021 hatte der 34-Jährige nach Unterstützung für sein Buch gesucht (LP berichtete). Selbst konnte er sich diesen Wunsch aufgrund seiner Behinderung nicht erfüllen. Durch Beziehungen bekam Autorin Ulla Buthe davon Wind. „Als ich ihn gesehen habe, war mir sofort klar: Den willst du kennenlernen.“
„Ich war ja erst etwas skeptisch, als sich Ulla gemeldet hat“, gibt Öner Ersin zu. „Sie ist ja schon etwas älter“, lacht er. Genau das ist es, was Ulla Buthe so an ihm begeistert: die Ehrlichkeit, die lustigen Sprüche, aber auch seine philosophischen Gedanken.
„Öner ist ein kleiner Philosoph“, schwärmt die 71-Jährige. „Ich hatte öfter Gänsehaut und staune immer wieder, worüber er sich so Gedanken macht.“
Denn Öner möchte nicht einfach nur seine Geschichte erzählen. Mit dem Buch möchte er mehr erreichen. Er will Leuten Mut machen, die wie er lange unter dem „Radar der Gesellschaft“ gelebt haben. Er will Familien Mut machen, die vielleicht auch ein Kind mit Handicap haben. Und genauso möchte er den Menschen zeigen, dass er mehr ist als nur ein gehandicapter Mensch. „Ich kann mich zwar nicht bewegen, aber ich versuche, viel zu bewegen“, sagt er energisch.
All diese O-Töne sollen eins zu eins im Buch übernommen werden, erklärt Ulla Buthe. Es sei Öners Werk, es müsse authentisch bleiben, und das gelinge nur mit seinen besonderen Sprüchen. Und die hat der 34-Jährige alle aufgeschrieben. Via Sprachsteuerung und mit Hilfe seiner Assistenten hat er immer wieder Notizen eingesprochen, die Ulla Buthe dann erhält.
Aber auch unter vier Augen haben beide viele lustige, aber genauso tiefgründige Gespräche über Öners Leben geführt. „Durch Ullas Fragen kamen meine Inspiration und mein Schreibgeist dann wieder“, erzählt der 34-Jährige.
Aber teilweise sei es auch anstrengend für ihn gewesen. Bei manchen Kapiteln in seinem Leben sei er zusammengebrochen und es sei ihm nicht leicht gefallen, darüber zu sprechen. Seine Lebensabschnitte sind in mehrere Kapitel aufgeteilt – von seiner Geburt an bis zum heutigen Punkt, an dem Öner Ersin ein eigenständiges Leben in seiner eigenen Wohnung führt.
Wie er sich durch das Leben geboxt hat, wie er sich nach Sätzen wie „Aus dir wird eh nichts“ aufgerafft hat, erzählt er in seinem Buch. „Ich werde es euch zeigen“, hat er sich auf die Fahne geschrieben.
Öner ist es wichtig, dass die Leser emotional abgeholt werden. Sie sollen aber nicht nur weinen. Nein. Sie sollen auch herzhaft lachen. Denn wer Öner Ersin kennt, weiß, wie viel Humor der Rollstuhlfahrer hat - und das kommt auch im Buch zum Ausdruck. „Ich sage immer, ich kann meinen Körper zwar nicht bewegen, aber in meinem Kopf ist Breakdancer“, lacht er.
Und das weiß mittlerweile auch Ulla Buthe. „Er spricht ja ohne Punkt und Komma“, sagt die Olperin und lacht. Manchmal habe sie seitenweise mitgeschrieben. Ende April heißt es für sie, diese Puzzleteile zu sortieren. Dann beginnt der Schreibprozess. Anschließend liest die 71-Jährige Öner die Erstfassung vor, denn das Lesen fällt dem jungen Mann sehr schwer.
Ulla Buthe erzählt, dass Öner sogar schon Testleser organisiert hat. Danach wird die Endfassung entwickelt. „Öner hat das letzte Wort, er ist der Autor und es wird zu 99,9 Prozent sein Buch.“ Das letzte Wort – für Öner Ersin kein Problem: „Ich habe zu meinen Eltern gesagt, ich kann euch zwar keinen Enkel hinterlassen, dafür aber ein Buch.“
Info
Das Buch „Das Leben mit angezogener Handbremse“ soll Anfang September erscheinen, als E-Book und Taschenbuch. Ulla Buthe, die schon zwei Bücher veröffentlicht hat, kümmert sich um die Veröffentlichung auf der Plattform Epubli. Das Buch kann dann online bestellt werden und der Leser erhält eine gedruckte Version. LokalPlus berichtet, sobald das Buch veröffentlicht ist.