„Goldfisch aus dem Norden“ seit dreieinhalb Jahren auf Wanderschaft
Wandergesellin Linda arbeitet derzeit in Rhode
- Olpe, 10.05.2019
- Von Wolfgang Schneider
Rhode. „Ich bin der Goldfisch aus dem Norden“, stellt sich Linda Müller mit einem Grinsen im Gesicht vor. Und schiebt hinterher: „Ich bin Linda, fremde freie Goldschmiedin. Lass das Müller weg.“ Denn der Nachname tut bei Wandergesellen nichts nur Sache. „Seinen Nachnamen legt man auf der Wanderschaft ab“, klärt sie mich auf. Linda macht seit Mittwoch, 9. Mai, Zwischenstation in Rhode. Dort hat sie Arbeit in der Werkstatt von Gold- und Silberschmiedemeisterin Ursula von Sobbe-Bitzer gefunden.
„Man darf nur auf Wanderschaft gehen, wenn man die Gesellenprüfung bestanden hat, ledig, kinderlos, unbescholten und schuldenfrei ist“, erklärt Linda. Bei ihr reifte der Gedanke kurz vor dem 30. Geburtstag, nachdem ihre damalige Beziehung zu Ende gegangen war.
Kreuz und quer durch Deutschland ist sie dabei gekommen, hat Station in Dänemark, Österreich, der Schweiz, den Niederlanden, in Belgien und Spanien gemacht. Die Nordsee-Anrainerstaaten, also die an der Nordsee anliegenden Länder, und die Bodensee-Region haben es ihr besonders angetan. Warum? „Ich liebe einfach das Wasser.“
Wirklich schlechte Erfahrungen hat Linda während der ganzen Zeit nicht gemacht. „Ich bin zwar manchmal bei Regen durch die Nacht gelaufen, weil ich keine Unterkunft hatte. Ich habe in Scheunen oder den Vorhallen von Banken und Geschäften geschlafen. Aber ich bin zum Glück noch nie angegriffen oder beraubt worden.“
In dreieinhalb Jahren hat sie viel erlebt und zahlreiche Bekanntschaften gemacht. „Ich habe einige sehr nette Leute getroffen, die mir die Gegend gezeigt oder eine Unterkunft gegeben haben.“
Apropos Wanderbuch. Das gehört zu einem Gesellen auf Wanderschaft genauso dazu wie die Handwerkskluft und die „Rolle“ – eine Tasche für Ersatzkleidung, Schlafsack, Werkzeug und persönliche Utensilien. Im Wanderbuch hat Linda alle Stationen dokumentiert.
„In den nächsten Tagen will ich auch noch zum Olper Bürgermeister, um mir den Stadtstempel ins Wanderbuch machen zu lassen und vielleicht etwas Wegegeld zu bekommen“, erzählt sie.
Auch ein eigenes Smartphone ist verboten. „Aber Handys von den Meistern, bei denen ich arbeite, darf ich schon mal benutzen. Und sonst gehe ich in ein Internet-Café, wenn ich meine Route plane und eine neue Arbeitsstelle suche“, erzählt Linda.
Zumindest bis Ende Mai will sie bei Ursula von Sobbe-Bitzer in Rhode arbeiten, vielleicht auch noch im Juni. „Dann werde ich einige Kameraden auf ihrer Wanderschaft nach Hause begleiten und danach zur Sommerbaustelle. Das ist ein gemeinnütziges Projekt, das Wandergesellen jedes Jahr verwirklichen“, schildert die 33-Jährige ihre weiteren Pläne.