Fair Trade für den PC aus Olpe

Softwareschmiede Open-Xchange aus Olpe


  • Olpe, 26.09.2016
  • Von Jens Helmecke
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    Jens Helmecke

    Redaktion

 von Open-Xchange GmbH
© Open-Xchange GmbH

Konkurrenz für die ganz Großen im Internetgeschäft kommt tatsächlich aus dem „Bigge-Valley“. Softwareschmiede Open-Xchange aus Olpe wächst rasant.


Eine Software auf den Markt zu bringen, die weltweit 70 Prozent der Rechner nutzen, um täglich Milliarden von E-Mails zu versenden und empfangen, ist schon ein ziemlich sensationeller Erfolg. Entwickelt werden könnte sie theoretisch überall auf der Welt. Ein naheliegender Tipp wäre sicher eine namhafte Adresse im vermeintlichen Mekka der Kreativen im Silicon Valley in den USA. Aber weit gefehlt; die Lösung liegt viel näher. Das Unternehmen Open-Xchange aus Olpe am Biggesee ist dafür verantwortlich, dass das Gros der elektronischen Briefe rund um den Globus sauber sein Ziel findet.

Sauber ist den beiden Gründern Frank Hoberg und Rafael Laguna dabei wichtig. Ihre Arbeit basiert auf Open-Source-Software wie dem offenen Betriebssystem Linux. Die Experten sehen in diesen offenen Systemen, in denen Software von jedermann weiterentwickelt werden kann, die „Wirbelsäule des Internets“.

Im Grunde ist es als Gegenentwurf zu verstehen zu dem, was Marktriesen wie Google, Apple oder Microsoft im Sinn haben. „Analog zu Kategorien bei Lebensmitteln sind wir Fair Trade für den PC“, versucht es Rafael Laguna dem Laien verständlich zu machen. Unverfälscht, ohne Zusätze. „Das Entscheidende ist die Transparenz“, ergänzt Frank Hoberg. Und, ohne etwas verteufeln zu wollen, „Apple ist eine tolle Firma - aber auch die Antithese zum offenen Markt“, sagt Laguna.
Die Philosophie ist Freiheit
Die Philosophie von Open Source und damit auch von Open-Xchange ist Freiheit, wie sie der Grundidee des Internets entspricht, erinnern die beiden. Was idealistisch klingt, ist durchaus eine gute Geschäftsbasis. Jedenfalls rückblickend nach den ersten zehn Jahren der Olper Softwareschmiede, die zuletzt rasant gewachsen ist.

Am Gründungssitz in einem Geschäftshaus in der Olper Innenstadt arbeiten knapp 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verschiedener Generationen. Weltweit sind es derzeit 215 Beschäftigte. In Dortmund hat Open-Xchange gerade ein Büro eröffnet, in Köln gibt es eine komfortable Anlaufstelle, es gibt Standorte in Bremen und Hamburg sowie Nürnberg, dem Sitz der AG, an der seit 2013 auch United Internet (1&1) aus Montabaur rund ein Viertel der Anteile hält.

Die Olper sind weit über deutsche Grenzen hinaus aufgestellt: Turin, Madrid, Paris, Tokio, Sidney, bald auch in Neuseeland - und dann doch auch Palo Alto.
Überzeugte Sauerländer
Führt also kein Weg am Silicon Valley vorbei? Frank Hoberg und Rafael Laguna haben sich das vor über zehn Jahren sehr ernsthaft gefragt. „Geht das hier, was wir vorhaben?“ Die Antwort war sehr klar: „Der Sauerländer an sich will nicht von zu Hause weg. Man muss nur Cosmopolit im Kopf sein, aber nicht physisch“, schmunzeln der 52-jährige Laguna und der 54-jährige Olper Hoberg.

Die Frage war, einmal gestellt, damit endgültig beantwortet. Ein paar andere blieben zunächst offen. Zum Start 2005 hatten sich in der Netline Internet Service GmbH, die Hoberg schon 1998 zusammen mit Martin Kauss in Olpe gegründet hatte, schon ein paar kluge Köpfe versammelt. Dennoch schien es nicht leicht, gute Programmierer und Techniker in die Keimzelle im „Bigge-Valley“, etwas sehr abseits der Metropolen zu locken. Es hat funktioniert. Die Beschäftigten in Olpe sind offenbar überwiegend überzeugte Sauerländer, haben den Weg zu Open-Xchange nicht selten über Mund-Mund-Propaganda gefunden.
Mehr als 220 Millionen Anwender
Wie Thorben Betten, der an der Uni Siegen Wirtschaftsinformatik studierte, als er von einem Kommilitonen als Werksstudent und Programmierer zu Open-Xchange gelotst wurde. Heute ist der 36-jährige Team-Leiter, lebt mit Frau und Kindern zufrieden nur einen Katzensprung entfernt. Jedem Beschäftigten wird die Möglichkeit gegeben, an allen OX-Standorten dieser Erde zu arbeiten. Für ein paar Wochen oder länger, je nach Neigung. Betten aber fühlt sich in Olpe wohl: „Ich bin kein Globetrotter“, sagt er über sich.

Laguna und Hoberg erinnern sich noch an die erste Frage des jungen Mannes, nachdem der damals einen Blick in die Systeme geworfen hatte: „Arbeitet ihr auch mit Windows?“ Die Chefs haben es ihm keineswegs übel genommen, sondern ihn von den Vorzügen ihrer Open-Source-Produkte überzeugt.

So wie ihre namhaften Kunden, darunter 1&1 oder das französische Telekommunikationsunternehmen Orange und viele andere, auch ziemlich große in den USA, von denen manche noch nicht genannt werden möchten. Mehr als 220 Millionen Anwender nutzen Software von Open-Xchange für ihre private und geschäftliche Kommunikation - E-Mail-Verwaltung, Terminkalender, Kontakte, Textbearbeitung, alles in einer OX-App. Es muss eben nicht immer Microsoft sein.
Den Riesen ärgern
Open-Xchange wird in der Szene als Pionier gehandelt, der den Riesen Microsoft durchaus ein bisschen ärgert. Mit so großem Erfolg, dass die Büros an der Martinstraße endgültig zu eng werden. Auf einem ehemaligen Industriegelände, nur ein paar hundert Meter das „Bigge-Valley“ hoch, errichtet Unternehmer Christof Gerhard für Open-Xchange, „dicomputer“ und weitere Olper Software-Unternehmen gerade einen Neubau, der noch in diesem Jahr bezogen werden soll.

Schick, hell und sogar mit einer 500-600/Mbit-Datenleitung ausgestattet. Vorausgesetzt die Telekom hält Wort, ist es eine nette Steigerung, mehr nicht. Die Kosten für den Anschluss tragen die an der neuen Adresse „Olper Hütte“ angesiedelten Unternehmen, nicht etwa die Kommune als Wirtschaftsförderungsmaßnahme. Das sind schon fünfstellige Beträge, aber der Sauerländer ist geduldig, jedenfalls Hoberg und Laguna: „Da entsteht ein schöner Campus“, finden sie, freuen sich auf die neue große Holzterrasse zum Entspannen und die sehr offene Atmosphäre im Gebäude - „Open Source“ eben.
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