Chemo, Transplantation, Isolation – doch Kilian (12) hat es geschafft
Altenkleusheimer Familie erzählt von ihrem schweren Weg
- Olpe, 10.07.2022
- Verschiedenes
- Von Kerstin Sauer

Altenkleusheim. Seine Geschichte bewegte die LokalPlus-Leser: Kilian, der Junge aus Altenkleusheim, der wegen eines seltenen Gen-Defekts dringend auf eine Knochenmarkspende wartete. Fast genau ein Jahr ist es her, dass wir über den damals Elfjährigen berichteten. Jetzt durften wir ihn besuchen – knapp 13 Monate und eine Knochenmarkspende nach dem ersten Treffen…

Genau, richtig gelesen: Kilian hat die Spende erhalten. Am 30. August vergangenen Jahres sei der ersehnte Anruf gekommen: „Wir haben einen Spender“, sagte die Ärztin. Verhaltene Freude bei Mama Sarah (38) – schließlich gab es auch im Mai schon mal eine Spenderin, die aber wenige Tage vor dem Eingriff absprang.
Nicht so dieses Mal. Die Vorbereitungen für die Spende können starten. Am 27. September wird Kilian in der Uni-Klinik in Gießen unter Vollnarkose der Katheter implantiert, kurz danach soll er das Knochenmark erhalten. Eine chronische Mittelohrentzündung und ein Loch im Trommelfell werfen den Zwölfährigen um zwei Monate zurück.
Am 29. November kann die Behandlung dann endlich beginnen, einen Tag später startet die einwöchige Chemotherapie, um das Immunsystem des Jungen auf Null zu fahren. „Die Chemo war das Schlimmste“, erinnert sich Kilian nur ungern an die Tage, an denen es ihm richtig schlecht geht. Der Magen rebelliert, die Haare fallen aus.

Immer an seiner Seite: Mama Sarah. Während Kilian alleine im Isolationszimmer untergebracht ist, zieht sie in das benachbarte Elternhaus ein. Für fast zwei Monate. Ehemann Frank und Tochter Maya (17) halten daheim in Altenkleusheim die Stellung, in Gedanken immer bei Kilian.

Am 7. Dezember ist der große Tag da: Über seinen Port erhält Kilian 100 ml reines Knochenmark, am Vortag aus der Schweiz nach Gießen geliefert.


Von diesem Moment an gilt es zu verhindern, dass Kilians Körper das fremde Knochenmark abstößt. Bis zu 25 Tabletten am Tag muss er schlucken. Hat immer wieder mit furchtbarer Müdigkeit und Übelkeit zu kämpfen. Isoliert in einem Krankenzimmer. Es sind sechs lange Wochen, die Kilian größtenteils im Bett verbringt.

Wie schafft man das? Wie schafft Mama das? Sarah Henke antwortet sofort: „Kilian war unglaublich tapfer. Und wir hatten viel Unterstützung.“ Doch was ist mit Weihnachten? Silvester? „Das haben wir ausfallen lassen“, sagt Sarah. Und ihre Tochter Maya fügt hinzu: „Die Hälfte der Familie hat gefehlt, wir waren unvollständig – da gab es halt kein Weihnachten.“
Gesundheitlich hat der Zwölfjährige nach dem Eingriff stark zu kämpfen. Die Nierenwerte werden immer schlechter, er wiegt nur noch 33 Kilo. Als er am 13. Januar nach Hause darf, geht es ihm über Nacht so schlecht, dass er am nächsten Tag wieder in die Uniklinik eingeliefert wird. Das ist der Moment, wo seine Mama abbaut: „Unsere Kraft war am Ende“, sagt sie.

Und doch: Kilian und seine Familie haben durchgehalten. Mit Telefonaten und Videogesprächen haben sie sich immer wieder gegenseitig aufgebaut. Highlight jedes Tages: das digitale Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel, alle Vier, jeden Abend.
Am 19. Januar kommt Kilian nach Hause. Und wird langsam jeden Tag ein bisschen gesünder, ein bisschen kräftiger. Isst irgendwann seine ersten Pommes, macht den ersten kurzen Spaziergang. Und lernt für die Schule, wie auch schon im Krankenhaus, wo er jeden Tag per Video seiner Klasse an der Sekundarschule in Olpe zugeschaltet war. Das unfassbar tolle Ergebnis seines Fleißes: Kilian wird ohne Probleme nach den Sommerferien in Klasse 8 versetzt.
Und heute? „Das kritische halbe Jahr ist um“, erzählt Sarah Henke strahlend. Mit jedem Tag geht es Kilian besser, die Auswirkungen seiner Krankheit lassen nach. Doch im Alltag angekommen, so vermutet seine Mama, sei er noch nicht ganz: Zu lange war er isoliert, durfte seine Freunde nicht treffen.
Und doch sagt er, als wir ihn fragen, wie er durchgehalten hat, einfach nur: „Mama war ja da.“ Seine Schwester Maya nickt zustimmend und sagt mit Blick auf ihre Eltern: „Besser hätte man es nicht machen können.“

