Bürger unterrichten Flüchtlinge

Bisher keinen Kurs mit unter 50 Teilnehmern


  • Olpe, 28.05.2015
  • Von Matthias Clever
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Allein in einem fremden Land. Ohne Sprach- oder Ortskenntnisse, Familie und Freunde. An einem Ort, mit vielen Menschen aus anderen Nationen. Die Situation der Flüchtlinge aus 14 Ländern im Regenbogenland ist materiell gesichert. Emotional haben die Flüchtlinge aber meist noch keine Bindung aufgebaut. Abhilfe schaffen Deutschkurse der ehrenamtlichen Gruppe um Zaklina Primavesi. Bürgermeister Horst Müller bedankte sich Donnerstagabend, 28. Mai, bei den Helferinnen.


„Was sage ich beim Einkaufen?“ „Wo ist die nächste Buchhandlung, um ein Wörterbuch zu kaufen?“ Es sind oft einfache Fragen, die schwer zu beantworten sind, wenn die Flüchtlinge weder die Sprache sprechen, noch den Ort kennen. Umso wichtiger ist es für die Menschen aus Syrien, Irak, dem Kosovo oder afrikanischen Ländern, sich verständigen zu können. Mehr als 300 Menschen aus 14 verschiedenen Nationen leben derzeit in der Flüchtlingsunterkunft Regenbogenland. In der ehemaligen Familienferienstätte des Kolpingwerks geben seit Ende Februar ehrenamtliche Helferinnen Flüchtlingen Sprachkurse. Inzwischen ist das Angebot auf zehn Kurse pro Woche angewachsen. „Darunter sind spezielle Angebote für Frauen und Kinder“, sagte Zaklina Primavesi, die die Initiatorin der Deutschkurse ist. Zusammen mit Uta Schwade, Eva Hütte, Tabea Lanatowitz, Karin Schendel, Claudia Thun-Viegener, Margarete Kubiak, Isabelle Zeppenfeld und Nele Schnitzler war sie beim Bürgermeister Horst Müller, der den Frauen für ihr Engagement dankte.
„Große Optimierung der Aufenthaltsqualität“
„Das ist eine ganz große Optimierung der Aufenthaltsqualität für die Menschen“, betonte er. Müller sprach von einer positiven Begleitung der Einrichtung. Durch die Deutschkurse hätten die Flüchtlinge einerseits eine Abwechslung von ihrem Alltag, andererseits hätten sie durch Sprachkenntnisse die Möglichkeit, am Leben teilzunehmen. Nur durch Kontakt mit Menschen könnten Vorurteile abgebaut werden. „Dass einige Menschen ihre Probleme mit der Einrichtung hatten, ist normal. Aber durch den Kontakt werden Hemmungen abgebaut“, sagte Müller. Besonders begeistert sind nach Aussagen von Zaklina Primavesi die 80 Kinder – sie lernten besonders schnell. „Sie waren lange auf der Flucht und sind daher nicht in die Schule gegangen. Daher können sie Unterricht gut gebrauchen“, äußerte sich Müller. Um den Alltag gerade für die Kleinen zu verbessern, wolle die Stadt sich nun um Spielplätze in der Nähe der Flüchtlingsunterkunft kümmern.
Stadtführung für Flüchtlinge geplant
Für die Erwachsenen sollen bald in Olpe auch Stadtführungen angeboten werden, damit sich die Flüchtlinge in ihrer neuen Heimat auch auskennen. Kern der Arbeit seien aber die Deutschkurse. „Bisher haben wir keinen Kurs gehabt, in dem weniger als 50 Teilnehmer gesessen haben“, sagte Primavesi. Einer der Teilnehmer ist Jamal Jalal aus Syrien, der den ehrenamtlichen Deutsch-Lehrerinnen hilft, Sprachbarrieren zu überwinden. Sprechen die Flüchtlinge kein Englisch, übersetzt er auf Arabisch.
Helferinnen auf Sachspenden angewiesen
Der Raum wird vom DRK zur Verfügung gestellt und ist mit Hilfe von Spenden ausgestattet (Papier, Stifte, Tageslichtprojektor) worden. Das Konzept stehe, allerdings sei das Team auf noch mehr Lehrer angewiesen. „Wir kommen an unsere Grenzen“, erklärte Zaklina Primavesi. Außerdem werden neue materielle Dinge benötigt. Da die Bereitschaft in Olpe zu helfen groß sei, hofft die Organisatorin wieder auf Sachspenden. Schnellhefter, Papier, Stifte, Bastelmaterial für Kinder, eine Leinwand für den Tageslichtprojektor und einen Kopierer brauchen die Helferinnen derzeit besonders dringend. Wer etwas von den Materialien spenden oder sich engagieren möchte, kann sich bei Sigrid Mynar im Rathaus melden. Sie ist telefonisch unter 0 27 61 / 83 12 03 oder per E-Mail an s.mynar@olpe.de erreichbar.
Kommentar
Von Matthias Clever Wenn Bürger Sprachkurse geben müssen, versagt der Staat. Flüchtlinge, die noch kein Bleiberecht haben, haben zurzeit auch kein Recht auf vom Staat finanzierte Sprachkurse. Das ist der falsche Weg. Die Politik verhindert dadurch nicht nur ein Miteinander, sondern verschenkt auch ein großes Potenzial: Menschen, die als Fachkräfte in Deutschland dringend gebraucht werden. Die Flüchtlingsströme werden vielerorts als Bedrohung fürs Land wahrgenommen. Europa schottet sich ab. Diskussionen über Unterkünfte flammen auf. Und Kosten für die Hilfe werden hochgerechnet. Dass Deutschland von den Flüchtlingen profitieren kann, wird nicht gesehen. Zu komplizierte und langwierige Asylverfahren verhindern eine schnelle Integration. Deutschland braucht Fachkräfte und bekommt die, um es zynisch auszudrücken, frei Haus geliefert. Statt sich zu freuen und die Ärzte, Ingenieure und viele andere hochqualifizierte Menschen aus Ländern wie Syrien mit Deutschkursen schnell für den deutschen Arbeitsmarkt fit zu machen, werden sie in einer psychischen Tristesse zurückgelassen. Ohne Hoffnung. Daher ist das Engagement vom Deutschkurs-Team im Regenbogenland bemerkenswert und wichtig. Wenn die Politik endlich die Chancen erkennt und den Arbeitsmarkt öffnet, stehen Menschen bereit, die die deutsche Sprache (zumindest teilweise) beherrschen. Dennoch sollte die Arbeit überflüssig sein, da dies die Aufgabe der Politik sein muss.
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