Beratungschat "klartext!" tausend Mal genutzt

Kostenlose Anlaufstelle für trauernde Jugendliche und junge Erwachsene


 von Kinder- und Jugendhospiz Balthasar
© Kinder- und Jugendhospiz Balthasar

Olpe. Jule ist 15. Sie ist heute das erste Mal im klartext! Chat. klartext! ist ein Beratungsangebot für trauernde Jugendliche und junge Erwachsene des Kinder- und Jugendhospizes Balthasar. Seit 2010 hat klartext! ein offenes Ohr. Im Chat, am Telefon oder per Mail, anonym, vertraulich und kostenlos. Zahlreiche junge Menschen nehmen das Angebot an, um über ihre Emotionen, wie Trauer, Verzweiflung, Schmerz, Angst aber auch Schuld und Wut zu sprechen. Gemeinsam mit den Jugendlichen werden Ressourcen gesucht, die Halt und Kraft geben können, hilfreiche Rituale erarbeitet und Orte der Erinnerung geschaffen.


Jule hat vor einem halben Jahr ihre Mutter verloren. Sie ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen, war sofort tot. Jule lebt mit ihrem Vater und dem jüngeren Bruder nach eigenen Angaben in Süddeutschland. Sie waren eine glückliche Familie, schreibt  Jule, eine mit klassischer Rollenaufteilung. Der Vater arbeitet in einer höheren Position, ist oft auf Geschäftsreisen, die Mutter hat halbtags in einem Büro gearbeitet und war nach der Schule für die Kinder da. Klar gab es auch kleine Streitigkeiten. „Ich habe oft rumgezickt mit meiner Mama“, schreibt Jule, sie fühlte sich oft überbehütet und ihr kleiner Bruder habe auch extrem genervt.

Jetzt fühlt Jule sich gar nicht mehr behütet. Ihr Bruder nervt auch irgendwie nicht mehr. Im Gegenteil, Jule versucht ihn zu behüten, sich um ihn zu kümmern, denn der Vater ist nach wie vor sehr in seiner Arbeit eingespannt. Die Oma sei zu ihnen gezogen, um sich um die Kinder und den Haushalt zu kümmern. „Aber die Oma ist halt nicht die Mama. Außerdem ist sie sehr traurig, sie hat ja auch ihre Tochter verloren“, schreibt Jule. Sie vermisst ihre Mutter so sehr, dass sie es als körperlichen Schmerz empfindet. Die schlimmste Last, die sie mit sich trägt, ist allerdings die Schuld. Noch nie hat sie sich getraut mit jemandem darüber zu reden. Sie hat zu große Angst davor, in ihrer Schuld bestätigt zu werden.

Jule war auf der Geburtstagsparty einer Freundin. Die Mutter wollte sie eigentlich früher abholen, aber Jule hat gebettelt, diskutiert und schließlich eine Stunde länger herausgeschlagen. Der Unfall passierte auf dem Hinweg. Jule war noch nicht mit im Auto. „Hätte ich nicht diskutiert, hätte meine Mutter mich früher abgeholt, hätte ich die Einladung abgelehnt, meine Mutter würde noch leben“, denkt sie. In der Anonymität des Chats fasst sie diese Schuld zum ersten Mal in Worte. Sie traut sich, sich jemandem anzuvertrauen. Leider gibt es kein „Allheilmittel“, das Jules Trauer mindern, ihr die Schuldgefühle nehmen kann. Aber die Mitarbeiter von klartext! können Jules Gefühlschaos mit ihr aushalten. Durch ein sich langsam aufbauendes Vertrauensverhältnis und immer wiederkehrende Gespräche, in denen das klartext! Team Jule darauf hinweist, dass sie keine Schuld am Unfall trifft, ist es möglich, Jule zu entlasten.

Hilfe für trauernde Jugendliche und alle weiteren Informationen unter www.klartext-trauer.de

Mit klartext!vorOrt gibt es seit Januar 2018 eine Jugendtrauergruppe in Olpe. In vielen Gesprächen wurde auch immer wieder der Wunsch geäußert, andere Jugendliche mit ähnlichen Verlusterfahrungen persönlich zu treffen und sich der Trauer gemeinsam in einer Gruppe zu stellen. Während der gemeinsamen Treffen geht es vor allem um Ressourcen, die den Jugendlichen Halt und Kraft geben können. Dabei werden die individuellen Bedürfnisse beachtet und z.B. kreativ gearbeitet. Anmeldungen für die Trauergruppe werden unter kontakt@klartext-trauer.de entgegengenommen, das Angebot ist wie auch klartext! kostenlos.
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