Währungsreform: Für Olper gab es 694.000 D-Mark „Kopfgeld“

Vor 70 Jahren kam die D-Mark


Topnews
 von Rüdiger Kahlke
© Rüdiger Kahlke

Olpe. 694.000 Deutsche Mark gab es für die Olper in Stadt und Land. 40 D-Mark zahlte die Sparkasse an jeden aus, der im Gegenzug 60 Reichsmark einzahlte. Ein Betrag, der als „Kopfgeld“ in die Nachkriegsgeschichte eingegangen ist. Alle waren gleich reich an diesem Sonntag. Die Währungsreform vor 70 Jahren gilt als Initialzündung für das deutsche Wirtschaftswunder. Jeder D-Mark-Schein glich einer Schwungfeder für den Flug des deutschen Phoenix aus der Trümmerasche der Nazi-Zeit.


Der 20. Juni 1948 wird vielfach als „Tag X“ oder „Stunde Null“ bezeichnet. Mit Ausgabe des neuen Geldes füllen sich auch die Regale der Läden in Olpe. Die Westfälische Rundschau (WR) in Olpe schrieb damals, am 22. Juni, zwei Tage nach der Währungsreform: Die Schaufenster waren „in der Nacht zu Montag dekoriert und mit zum Teil selten gewordenen Waren ausgestattet worden…“. So tauchten in den Tabakläden auch wieder gute Pfeifen auf. „Auch Mako-Schnürsenkel, Rasierklingen und ähnliche Artikel werden bereits wieder zu normalen Preisen gehandelt“, berichtet die Zeitung weiter. 

Ulrich Viedenz, der die Ausgabe des neuen Geldes damals als Jungangestellter der Sparkasse und damit als Zeitzeuge miterlebte und später Niederlassungsdirektor der Sparkasse war, erinnerte sich: „Der Schwarzmarkt florierte bis zum 20. Juni 1948 und hörte dann mit einem Schlag auf zu existieren.“ In einem Beitrag für die Mitarbeiter-Zeitung der Sparkasse Olpe schrieb Viedenz 2005 außerdem: Die Olper staunten „über eine Fülle von Waren in den Auslagen der Geschäfte. Es war je bekannt gewesen, dass es die sogenannte u-T-Ware (unter der Theke) gab, doch konnte man diese bis dahin nur gegen Tauschware erhalten.“
Neues Geld kam aus den USA
Mit der Währungsreform, die erst kurz vor dem Tag X bekannt geworden war, setzte die Sonderstelle „Geld und Kredit“ des Wirtschaftsrates der Westzone ihre Pläne um. Das Projekt war seit Herbst 1947 vorbereitet worden. Ausgezahlt wurde am 20. Juni Geld, das seit November 1947 unter der Tarnbezeichnung „Big Dog“ in den USA gedruckt worden war. In 23.000 Kisten verpackt, verladen auf acht Sonderzügen, waren jene 1000 Tonnen bedrucktes Papier aus den USA in die Mainmetropole Frankfurt gebracht worden. Über die Reichsbanknebenstelle Olpe wurden die 694.000 D-Mark „aus Sicherheitsgründen“ der Städtischen Sparkasse Olpe übergeben. Sparkassen-Kassierer quittierten die Summe.
 von SPK Olpe-Drolshagen-Wenden
© SPK Olpe-Drolshagen-Wenden
Wer gespart hatte, hatte fast alles verloren. Die Spar-Einlagen wurden abgewertet. Das „Kopfgeld“, jene 40 DM, die als erste Rate ausgezahlt worden waren, wurde zehn zu eins vom Guthaben abgezogen. „Erst 1953 erinnerte man sich der Altsparer, denn diese hatten als Folge der Inflation und der anschließenden Währungsreform einen großen Teil ihres mühsam ersparten Geldes verloren“, schilderte Ulrich Viedenz in der Mitarbeiterzeitung der Sparkasse Olpe das Procedere.
Arbeitnehmer und Sparer benachteiligt
Die Währungsreform traf vor allem den „kleinen Mann“, den Sparer. Er wurde damit zum zweiten Mal innerhalb einer Generation um seine Rücklagen gebracht. Während er 90 Prozent seiner Guthaben verlor, bekamen Aktien- und Wertpapierbesitzer ihre Anlagevermögen im Verhältnis 1:1 getauscht. Sachwerte wurden nicht angetastet. Wer vor der Reform Produktionsmittel besessen hatte, hatte gut lachen.
 von Rüdiger Kahlke
© Rüdiger Kahlke
Dass über Nacht die Schuldenlasten um neun Zehntel sanken, kam auch in erster Linie den Unternehmen zugute. Gleich reich, alles „Sonntagskinder“, waren die deutschen tatsächlich nur am ersten Tag. Die, die die Waren gehortet hatten, konnten diese nun für neues Geld verkaufen. Unternehmen erhielten zusätzlich 40 D-Mark für jeden Beschäftigten.

Die Dummen der Währungsreform waren neben den Sparern die Arbeiter. Sie hatten von 1945 bis 1948 für wertloses Geld Waren produziert, die sie bei schnell steigenden Preisen mit der neuen Wunderwährung bezahlen mussten. Die Unternehmer investierten das wertvolle Geld. Sie erweiterten ihre Produktionsanlagen, konnten mehr Waren auf den Markt bringen und mit dem Erfolg wieder mehr investieren. Die Vermögenskonzentration in den Händen weniger wuchs.
Währungsreform vertieft Graben
Die Gewerkschaften wurden nicht gefragt. Sie hatten die Währungsreform mit einem Lastenausgleich koppeln wollen, um die Begünstigung von Sachwertbesitzern zu verhindern. Ein Lastenausgleichsgesetz, das Vermögensschäden, die Deutsche durch den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen erlitten hatten, mildern sollte, wurde erst vier Jahre später von der Bundesregierung verabschiedet. Die Währungsreform vertiefte den Graben zwischen den Sachwertbesitzern und denjenigen, die Geldvermögen angesammelt hatten, also vor allen den kleinen Sparern. Nach Ansicht von Ludwig Poullain, dem Ex-Chef der Westdeutschen Landesbank, konnten die später gezahlten Entschädigungen „das 1948 zugefügte Unrecht nicht mehr beseitigen.“ 

Von einem „erschütternden Ereignis“ ist bei den westfälisch-lippischen Sparkassen die Rede. In einer öffentlichen Bekanntmachung zum Weltspartag im Oktober 1948 schrieben sie, der Weltspartag sei früher ein „Tag der Freude“ gewesen. „Heute ist es ein Trauertag. An den Schaltern herrscht keine Spartagsstimmung!“ Der Forderung nach einer sozialen Regelung sei nicht entsprochen worden. „Die gesetzlichen Bestimmungen sind für Millionen unserer Sparer unerträglich“, hieß es im Sommer 1948 in der Anzeige der Sparkassen.
Preise zogen deutlich an
US-Militärgouverneur Lucius Clay hatte die Probleme schon im Mai 1948 geahnt: „Es kann keine Währungsreform durchgeführt werden, die nicht sehr unpopulär sein wird.“ Er war gewillt, die Verantwortung dafür zu übernehmen. Infolge von Preissteigerungen und Lohnstopp hatte sich die wirtschaftliche Lage der Arbeitenden nach der Währungsreform stetig verschlechtert. Die Arbeitslosenzahl hatte zugenommen.
 von Rüdiger Kahlke
© Rüdiger Kahlke
Die Gewerkschaften riefen für den 12. November 1948 zu einem eintägigen Generalstreik gegen die unsozialen Folgen der Währungsreform und gegen die Hortungsgewinne auf. Gleichzeitig gaben sie ein Zehn-Punkte-Programm für die Mitbestimmung bekannt. An einem Streik, der von neun Millionen Arbeitnehmern befolgt wurde, konnten auch die mächtigen Militärbehörden nicht vorbeigehen. Einen Monat später hob man den Lohnstopp auf.
Preise ziehen an, Löhne stagnieren
Die Agonie währte nicht lange. Der Handel kam in Schwung. Luxusgüter wie „Nivea“ oder „4711“ waren begehrt, erinnerte sich ein Drogist 40 Jahre später in der „Westfälischen Rundschau“. Hatte jemand „keine Mark flüssig“, schrieb er auch mal an. „So kam das Geld ins Rollen“, bilanzierte der Einzelhändler. Nach dem Währungsschnitt zogen auch die Preise kräftig an – Löhne und Gehälter blieben konstant. Lebensmittel blieben bis Anfang 1950 rationiert. In dem Buch „Zwischen Hungersnot und Wirtschaftswunder“ erinnert sich eine Sauerländerin: „Kaffeebohnen sind jetzt in jedem Geschäft erhältlich, aber tatsächlich das Pfund zu DM 28,-.“  Bei einem Monatsverdienst eines Arbeiters von 160 DM ein unerschwinglicher Luxus. 

Spürbar aufwärts ging es erst ab 1951/52. Die Gewerkschaften, die eine Währungsreform gefordert hatten, waren enttäuscht. Für die IG Metall war es „eine der radikalsten Enteignungen unseres Jahrhunderts, freilich zuungunsten des kleinen Mannes. Mit ihr begann die Vermögenskonzentration in den Händen weniger und die Vermögenslosigkeit breiter Schichten.“ 

(Quellen: Stadtarchiv Olpe; Archiv Sparkasse Olpe-Drolshagen-Wenden)

Teil 2 zum 70. Jahrestag der Währungsreform folgt am Mittwoch, 20. Juni.
Artikel teilen: