Wirtschaft im Sinkflug - Konjunkturklimaindex stürzt auf historisches Tief

IHK-Umfrage: Autozulieferer im Kreis Olpe leiden besonders


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In der Industrie sind die Auswirkungen der Corona-Krise angekommen - mit weitreichenden Auswirkungen. von Symbol IHK Siegen
In der Industrie sind die Auswirkungen der Corona-Krise angekommen - mit weitreichenden Auswirkungen. © Symbol IHK Siegen

Kreis Olpe/Siegen. „Nie zuvor brach das Konjunkturklima der regionalen Wirtschaft so drastisch ein wie in den vergangenen Wochen. Die Corona-Pandemie belastet die heimische Wirtschaft stark. Die Stimmung ist außerordentlich eingetrübt. Verstetigt sich dieser Trend, sollten wir uns auch auf Insolvenzen einstellen. So düster sah es noch nie aus.“


Mit diesen Worten kommentierte IHK-Präsident Felix G. Hensel (Lennestadt) am Montagmittag, 25. Mai, die Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage. Daran haben sich 604 Unternehmen mit mehr als 42.000 Beschäftigten aus Industrie, Bauwirtschaft, Handel und Dienstleistungen in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe beteiligt.
Nur jedes sechste Unternehmen macht gute Geschäfte
Der IHK-Konjunkturklimaindex – er ergibt sich aus Lagebeurteilung und Erwartungen – fällt um 41 Punkte auf einen historischen Tiefstwert von 65 Punkten. Nur 17 Prozent der Unternehmen berichten von guten Geschäften. Eine schlechte Geschäftslage vermelden hingegen 48 Prozent der Firmen.

Die Erwartungen sind ebenfalls äußerst pessimistisch. 54 Prozent der befragten Unternehmen gehen von schlechteren Geschäften in den kommenden Monaten aus, mehr als doppelt so viele wie zu Jahresbeginn. Nur 15 Prozent blicken optimistisch in die Zukunft und erwarten besser gefüllte Geschäftsbücher.
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Felix G. Hensel: „In allen Branchen fallen die Werte beinahe ins Bodenlose. Die einzige Ausnahme bildet noch die Bauwirtschaft. Wir sehen einen dramatischen Einbruch von Angebot und Nachfrage, der sich in beinahe allen Teilen der Erde vollzieht. Von einer Weltwirtschaftskrise zu sprechen, ist mittlerweile nicht mehr übertrieben.“

Dennoch helfe eine negative Grundstimmung nicht weiter, so Felix G. Hensel: „Die Krise ist nur zu überwinden, wenn es kurzfristig gelingt, die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Wir brauchen jetzt Maßnahmen, die schnell wirken. Dazu gehören eine grundlegende Steuerreform, verbesserte Möglichkeiten degressiv ausgestalteter Abschreibungen, deutlich weniger Bürokratie und flexiblere Arbeitszeitvorschriften.“
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Durch die Corona-Pandemie rechnen acht von zehn Unternehmen aus Siegen-Wittgenstein und Olpe mit einem Rückgang ihrer Umsätze für das Gesamtjahr 2020. In der heimischen Industrie ist der Anteil, der von einem Umsatzrückgang ausgeht, sogar noch etwas höher (87 Prozent). Die Umsatzrückgänge schlagen sich auch bei der Personalplanung nieder. Deutlich mehr als ein Drittel (41 Prozent) der Unternehmen sieht sich gezwungen, Personal abzubauen.

In der Industrie ist es sogar fast jedes zweite Unternehmen. IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener: „Die an der Umfrage beteiligten Industrieunternehmen beschäftigen aktuell etwa 30.000 Menschen. Wenn davon die Hälfte Personal abbauen will, wird das Beschäftigungsniveau sinken und die Arbeitslosigkeit steigen. Unsere Unternehmen werden mit weniger Mitarbeitern aus der Krise herauskommen, als sie hineingingen.“
Ende der Krise nicht absehbar
Dabei sei das Ende der Krise noch nicht abzusehen. Sehr viele Entscheidungsträger in den Unternehmen gingen davon aus, dass Corona „ganze Arbeit“ verrichte und man es noch sehr lange mit Einschränkungen zu tun haben werde. Je länger die Krise jedoch andauere, desto schlechter sei sie mit Kurzarbeit allein zu bekämpfen. Klaus Gräbener: „Kurzarbeit ist gut, wenn es nach kurzer Zeit wieder viel Arbeit gibt. Sie ist jedoch kein Instrument für längere Krisenverläufe, die mit weniger Beschäftigung einhergehen.“

Gemeinsam formulieren Hensel und Gräbener daher eine klare Erwartung an die politischen Entscheidungsträger: „Um der Wirtschaft schnellstmöglich den Weg aus der Krise zu ebnen, sind nicht staatliche Ausgaben zur Konsumförderung, sondern strukturell wirksame Investitionen in Schulen, Hochschulen und betriebliche Aus- und Weiterbildung, aber auch in neue Technologien das Gebot der Stunde. Wer staatliches Geld allein in den Konsum steckt, konserviert bestehende Strukturen. Das wird auf Dauer nicht helfen!“
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Nach leicht aufgehellter Stimmung zum Jahresbeginn stürzen die Lagebeurteilung und die Geschäftserwartungen in der Industrie auf den niedrigsten jemals gemessenen Indexwert (62) ab. Aktuell geben 15 Prozent der Industrieunternehmen eine gute Geschäftslage an. Etwa die Hälfte bewertet ihre Geschäftslage als schlecht. Ebenfalls düster fallen die Erwartungen an die kommenden Monate aus.

Besonders negativ fallen die Ergebnisse im stark von der Automobilzulieferindustrie geprägten Kreis Olpe aus. Felix G. Hensel: „Mehrere Wochen standen die Bänder der großen Autohersteller still. Der Autoabsatz national und international ist eingebrochen. Die Industrieumsätze im Kreis Olpe sind bereits in den ersten drei Monaten um 6 Prozent eingebrochen, noch bevor die Corona-Pandemie mit ihrer Wucht bei uns einschlug. Bestätigt sich dieser Trend, haben wir allen Grund zur Sorge.“
Leere Auftragsbücher
Die Auftragsbücher in weiten Teilen der Industrie haben sich dramatisch geleert. Klaus Gräbener: „Nie zuvor berichteten so viele Industrieunternehmen von fallenden Auftragseingängen. Die globale Corona-Krise mit weltweiten Produktionsschließungen und Einschränkungen im Grenzverkehr belastet unseren Export erheblich. Acht von zehn Industrieunternehmen melden zum Teil deutlich sinkende Auslandsaufträge.“

Die Auswirkungen auf die Baukonjunktur sind aktuell noch vergleichsweise gering. 43 Prozent der befragten Baubetriebe geben eine gute Lage an, 7 Prozent eine schlechte. Neun von zehn Bauunternehmen sind zu über 70 Prozent ausgelastet.
Zurückhaltendes Kaufverhalten
65 Prozent der regionalen Einzelhändler berichten von einem zurückhaltenden Kaufverhalten der Kundschaft, nur 18 Prozent von einem kauffreudigen. Zudem musste ein Großteil der Einzelhändler durch den Lockdown herbe Umsatzverluste hinnehmen. Bei mehr als einem Drittel der Einzelhändler ist der tägliche Umsatz, verglichen zur Vorkrisenzeit, um mehr als 25 Prozent gesunken, bei etwa 10 Prozent sogar um bis 75 Prozent.

In der Dienstleistungsbranche, insbesondere beim Gastgewerbe und in der Reisebranche, ist die Konjunkturstimmung auf einem Tiefpunkt. 9 von 10 Unternehmen aus dem Gastgewerbe bewerten ihre derzeitige Geschäftslage als schlecht. Zum Jahreswechsel waren es gerade einmal 5 Prozent. 46 Prozent rechnen pandemiebedingt für das Geschäftsjahr 2020 mit einem Umsatzrückgang von mehr als 50 Prozent.
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