Online-Kaufhaus „Lokaso Bigge“ scheitert an fehlender Verbindlichkeit

Initiator Florian Junker im Interview


  • Kreis Olpe, 26.06.2018
  • Von Sven Prillwitz
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Einer von fünf Kunden für „Lokaso Bigge“ war der Stadtmarketingverein „Olpe Aktiv": die zum Jahresende ausscheidende Geschäftsführerin Tatjana Schefers mit Florian Junker. von privat
Einer von fünf Kunden für „Lokaso Bigge“ war der Stadtmarketingverein „Olpe Aktiv": die zum Jahresende ausscheidende Geschäftsführerin Tatjana Schefers mit Florian Junker. © privat

Kreis Olpe. Auf Begeisterung und Interesse folgten zähe Verhandlungen und schleichende Ernüchterung. Jetzt, nach etwas mehr als einem Jahr, ist das Projekt für gescheitert und beendet erklärt worden – noch vor dem Startschuss: Das Online-Kaufhaus „Lokaso“, über das Einzelhändler aus Olpe, Drolshagen und Wenden sich hätten präsentieren und ihre Waren verkaufen können, wird es nicht geben. Der Grund: zu wenig Einzelhändler, die mitmachen wollten. Genauer gesagt: lediglich fünf an der Zahl. Florian Junker, 33-jähriger Jungunternehmer aus Olpe und Initiator des Projekts, spricht im Interview mit LokalPlus über die „Lokaso“-Idee und die Gründe für das Scheitern.


Der Einzelhandel beklagt seit Jahren massive Konkurrenz und Umsatzeinbußen durch Online-Händler. Warum scheitert eine lokale Alternative zu Amazon und Co.?

Das ist die Frage, auf die ich eine Antwort suche. Ich glaube, dass der Druck durch die Online-Konkurrenz noch nicht groß genug ist. In guten Zeiten, in denen man sich Investitionen auch in eine solche Richtung erlauben kann, wird es vernachlässigt, sich für den Online-Handel aufzustellen. Wenn es einem so schlecht geht, dass kein Weg mehr daran vorbeiführt, ist der Zug schon abgefahren.

Bei „Lokaso“ handelt es sich um ein in Siegen entwickeltes Lizenzmodell. In Siegen sind zahlreiche Einzelhändler dabei, auch in Arnsberg ist das Ganze erfolgreich angelaufen. Sind Olpe, Drolshagen und Wenden einfach noch nicht so weit?

Das kann man so nicht vergleichen. Man muss die gegebenen Infrastrukturen und Bedingungen vergleichen. Siegen etwa ist deutlich städtischer als Olpe, da ist alles enger beieinander. Allerdings hätte „Lokaso“ genau deswegen nach meinem Verständnis in Olpe und Co. besser funktionieren müssen, weil es hier längere Wege von den Dörfern in die Stadt gibt. Auch mit Blick auf den demografischen Wandel, hin zu mehr älteren und immobilen Leuten, ist ein Online-Handel mit eigenem Lieferdienst doch eigentlich interessant. Und parallel dazu gibt es sicherlich auch junge Familien, die nicht die Zeit und Ressourcen haben, durch die Läden zu bummeln.
„Jeder hat gewartet, was der Nachbar macht“
 Und Arnsberg?

Arnsberg war nochmal ein ganz anderer Fall, da standen stärkere Investoren mit einem höheren finanziellen Aufwand dahinter. Ich habe das in Olpe, Drolshagen und Wenden kurzentschlossen selbst gemacht. Weil ich mit meiner Agentur „Zündgeber“ (Unternehmensberatung mit Sitz in Olpe, Anm. d. Red.) aber selbst ein Unternehmen aufbaue, waren keine großen finanziellen Sprünge möglich. Ohne die Unterstützung der Sparkasse Olpe wäre ein Start noch schwieriger gewesen.

Anfangs schienen Sie viele Fürsprecher und damit sprichwörtlich den Fuß in der Tür bzw. sogar in den Türen gehabt zu haben…

Ich habe erst alle Bürgermeister und den Landrat abgeklappert und von dort jeweils positive Signale erhalten. Dann habe ich den Werbegemeinschaften das Konzept vorgestellt. Die waren auch begeistert, aber die Verbindlichkeit fehlte. Es wurden keine Nägel mit Köpfen gemacht. Jeder hat nach links und rechts geguckt und gewartet, was der Nachbar macht. Und irgendwann fehlte die Zugkraft.
„Rundum-Sorglos-Paket“ für Händler
 Der Monatsbeitrag sollte 149 Euro betragen, dazu wären neun Prozent Provision auf den online erzielten Bruttoumsatz gekommen. Zu teuer für den Einzelhandel?

Das kann ich mir nicht vorstellen. Jeder hätte am Anfang für ein Jahr unterschreiben müssen und dafür ein Rundum-Sorglos-Paket bekommen. Davon gehen pro Monat schon 50 Euro nur für die technische Infrastruktur nach Siegen. Der Rest geht drauf für Personal, Logistik, Fahrzeug, Zahlungsverkehr und das Bündel an Marketing-Aktivitäten, das „Lokaso“ den Händlern bietet – von Anzeigenschaltung über Newsletter bis hin zu Facebook-Präsenz und Infoständen bei Festen und ähnlichen Veranstaltungen.

Welchen Aufwand hätten Händler denn damit gehabt, ihren Online-Auftritt zu erstellen und zu pflegen?

Händler hätten nicht großartig etwas einpflegen müssen. Wir hätten uns mit denen zusammengesetzt und überlegt, was wir brauchen. Wir hätten Händlern den Großteil der Arbeit gerade zum Start abgenommen und jeden gezielt begleitet und beraten.
„Online-Präsenz ist ein Service für den Kunden“
Im digitalen Zeitalter ist es nicht nur wegen der Konkurrenz durch die großen Online-Händler unverzichtbar, im Internet präsent zu sein und in Suchmaschinen möglichst weit oben gelistet zu werden. War das kein schlagendes Argument?

Online präsent und verfügbar zu sein, ist ein Service für den Kunden, und der Service für den Kunden kostet nun einmal Geld. Wenn man jetzt überlegt, dass „Lokaso“ an 365 Tagen Online-Präsenz garantiert und sogar einen kostenlosen Lieferservice mit wählbaren Zeitfenstern für die Lieferung bietet, kann es eigentlich nicht am Preis gescheitert sein. Viele Händler glauben, sie kennen ihre Kunden. Dabei sehen sie aber nicht die Kunden, die sie gar nicht haben, weil sie online erst gar nicht gefunden werden. Ein Beispiel: Ich fahre nicht nach Olpe und suche in zehn Geschäften auf gut Glück nach einem Artikel. Ich suche den vorher online – und wenn ich den vor Ort nicht kriegen kann, bestelle ich den eben online.

Sie haben den Startschuss für „Lokaso“ mehrfach verschoben. Wann war der Zeitpunkt erreicht, an dem Sie einen Schlussstrich gezogen haben?

Das war in der vorletzten Woche (KW 24, Anm. d. Red.). Die Marketingreferentin in Wenden hatte versucht, nochmal eine Infoveranstaltung in Wenden anzubieten bei der Werbegemeinschaft. Dieser Termin wurde aber mangels Teilnehmern und mangels Akzeptanz durch die Werbegemeinschaft kurzfristig abgesagt. Damit war Wenden für mich nach mehreren Versuchen raus. Vorher hatte sich schon abgezeichnet, dass ich nicht mehr durchdringe, und auch von den Kommunen kam nichts mehr. Da habe ich dann resigniert, zumal ich viel Arbeitszeit in das Projekt investiert habe und auch Gelder verpufft sind.
Preiskampf und Willkür werden zunehmen
Wie groß ist Ihre Enttäuschung jetzt?

Sehr groß. Ich hätte mich an der ganzen Sache nicht bereichert, sondern wollte der Kommune, in der ich lebe, und dem eigenen Standort mit seinem Einzelhandel etwas Gutes tun. Jetzt sehe ich die Gefahr, dass der ganze Schwung irgendwann kippt, dass Olpe irgendwann nicht mehr die große Kaufkraft hat wie aktuell. Und dass dann der Einzelhandel teilweise ausstirbt und damit auch der eine oder andere Stadtteil.

Wo sehen Sie den hiesigen Einzelhandel denn in vier, fünf Jahren – vor allem ohne ein konkurrenzfähiges Online-Konzept?

Vor allem der Lebensmittelbereich wird es schwerer haben. Liefer-Dienste in dieser Branche sind ja jetzt bereits in den Großstädten schwer im Kommen. Den gut sortierten Fachhandel dagegen, in dem Kunden beraten werden, den wird es immer geben. Aber auch der wird es schwerer haben, weil er mit weniger Umsatz wird leben müssen. Die „Geiz-ist-geil“-Mentalität, die ich online habe, die Preiskämpfe und damit auch die Willkür werden im stationären Handel zunehmen. Die Produktvielfalt wird keine so große Rolle spielen, weil das Warenangebot austauschbar ist. Vieles wird über den Kundenservice gehen, über den ich mich als Händler differenzieren muss.

Klingt so, als ob der stationäre Handel noch einmal auf Hilfe angewiesen sein wird. Stünden Sie in einem solchen Fall denn nach den jetzigen Erfahrungen bereit?

Wenn sich aus dem Handel heraus etwas gruppieren sollte, wenn mehrere Händler aktiv dahinter stehen und das auch aktiv mitgestalten würden, wäre ich als Ansprechpartner und Unterstützer nochmal dazu bereit. Dann bin ich der Letzte, der nein sagt. Aus Eigeninitiative, so wie jetzt, würde ich das aber nicht nochmal machen.
Das Attendorner Web-Kaufhaus

Vorreiter und einziger Anbieter in Sachen lokaler Online-Handel im Kreis Olpe ist Attendorn: Im Web-Kaufhaus, das im November 2015 an den Start ging, sind derzeit rund 40 Einzelhändler, Dienstleister und Gastronomen vertreten. Mehr als 660.000 Produkte können online bestellt werden, wobei die Auswahl je nach Verfügbarkeit täglich variiert.

„Wir sind zufrieden“, sagt Kristin Meyer, bei der Stadt unter anderem für das Web-Kaufhaus zuständig. Besonders erfreulich sei, dass auch Dienstleister wie etwa die digitale Plattform nutzen und das Service-Angebot damit erweitern.

„Click and Collect“

Online-Bestellungen, die bis 17 Uhr abgegeben werden, werden innerhalb des Stadtgebiets noch am selben Tag ausgeliefert. Dieser Service ist ab einem gewissen Mindestbestellwert oder bei Aktionen kostenlos. Auch ein deutschlandweiter Versand der Waren (Lieferzeit: zwei bis drei Tage) wird mittlerweile angeboten, was den Stamm der Kunden, die im Web-Kaufhaus einkaufen, laut Meyer vergrößert hat.

Bestellungen würden regelmäßig aufgegeben, der Liefer-Service aber eher selten genutzt werden. Stattdessen ist im Web-Kaufhaus das Prinzip „Click and Collect“ angesagt. Das heißt: Kunden bestellen online, holen die Ware aber im Laden ab. Voraussetzung dafür: Die Händler und ihr Sortiment müssen online zu finden sein. „Schon allein deshalb sind einige mit einem Profil bei uns vertreten“, sagt Meyer.

Eigeninitiative der Händler gefordert

Fotos und Produktinfos müssen Einzelhändler, Dienstleister und Gastronomen selbst liefern. „Eine gute Fee dafür haben wir nicht“, so Meyer. Die Web-Kaufhaus-Mitglieder würden aber längst gezielt über Lieferanten und Einkaufsverbände professionelle Fotos und Produktinfos beziehen.

Wer seine waren über das Web-Kaufhaus anbieten möchte, entrichtet eine monatliche Gebühr und zahlt eine Umsatzprovision für jeden online verkauften Artikel. Die Preise betragen Meyer zufolge einen Bruchteil dessen, was bei „Lokaso“ fällig gewesen wäre. Das Geld geht an den digitalen Dienstleister „Atalanda“, der Web-Kaufhäuser in mehreren Städten, darunter Dormtund, Hamburg und Wuppertal, betreibt.
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