Hohe Nachfrage nach Arbeitskräften prägt 2016

Jahresbilanz der Agentur für Arbeit / Qualifizierung von Arbeitslosen wird zur Kernaufgabe


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 von Matthias Clever
© Matthias Clever

Kreis Olpe. „Die niedrigste Arbeitslosigkeit, der höchste Stellenbestand – das sind beeindruckende Rekorde“, sagte Dr. Bettina Wolf. Die Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Siegen hat am Mittwoch die Jahresbilanz 2016 vorgestellt. Die „sehr gute Lage am Arbeitsmarkt“ sei ein großer Erfolg für die ganze Region. Gleichzeitig stelle die Suche nach Fachkräften die Betriebe vor zunehmend größere Herausforderungen.


Durchschnittlich 11.550 Menschen waren im vergangenen Jahr in beiden Kreises arbeitslos – und damit 269 Personen weniger als 2015. Das ist die niedrigste Arbeitslosenzahl der letzten zehn Jahre, betonte Wolf. Die Arbeitslosenquote sei damit minimal von 5,1 auf 5,0 Prozentpunkte gesunken. Doch geprägt worden sei das Jahr 2016 von anderen Themen. „Zwei große Aufgaben haben unsere Arbeit im letzten Jahr bestimmt: die hohe Arbeitskräftenachfrage und die Arbeit mit geflüchteten Menschen.“ Im Dezember 2015 hatte die Agentur für Arbeit gemeinsam mit den Jobcentern und den beiden Kreisen je einen sogenannten „Integration Point“ in Siegen und in Olpe eröffnet. Rund 2000 geflüchtete Menschen haben die dortigen Mitarbeiter in den vergangenen zwölf Monaten beraten. 

„In den ersten Wochen 2016 haben wir wichtige Erfahrungen in der Arbeit mit den geflüchteten Menschen gemacht“, erklärte. Wolf. Ihre wichtigste Erkenntnis: „Die Integration in Arbeit ist immer das Ende eines mehrstufigen Prozesses. Als erstes müssen die Menschen die deutsche Sprache lernen. Dann folgen spezielle Maßnahmen, um sie zu qualifizieren und an die Arbeit in Deutschland heranzuführen. Über verschiedene Formen von Praktika oder einen Eingliederungszuschuss kann dann die Aufnahme von Arbeit oder Ausbildung gelingen.“
Jahresbilanz Kreis Olpe
Im Kreis Olpe waren im Jahr 2016 durchschnittlich 3285 Personen arbeitslos. Das sind 43 Personen oder 1,3 Prozent weniger als 2015. Die Arbeitslosenquote beträgt 4,2 Prozent. Zusammen mit dem Jahr 2008 ist das die niedrigste Quote der letzten zehn Jahre. Die Langzeitarbeitslosigkeit ging im letzten Jahr um 78 Personen oder 6,6 Prozent auf durchschnittlich 1.106 Langzeitarbeitslose zurück. Die Arbeitslosigkeit von Ausländern ist 2016 um 170 Personen auf 841 gestiegen. Der Stellenzugang lag mit 5.274 neuen Stellen 14,6 Prozent über dem Vorjahr. Der Bestand lag 24,1 Prozent über dem Vorjahr und betrug durchschnittlich 1.057 offene Stellen.
Rekord an freien Stellen
Im Sommer jagte ein Monatsrekord den nächsten: In sechs von zwölf Monaten waren bei der Arbeitsagentur über 3000 freie Stellen gemeldet. Letztlich waren im Jahresschnitt 2883 Arbeitsstellen unbesetzt. Auch dieser Wert ist Wolf zufolge ein Rekord. Verglichen mit 2015 waren 470 freie Stellen mehr im Bestand – ein Zuwachs von 19,4 Prozent. „Der hohe Stellenbestand hat das letzte Jahr erheblich geprägt, denn jede offene Stelle ist eine berufliche Chance für einen arbeitslosen Menschen“, betont Dr. Wolf.

Doch die Agentur-Chefin weist mit Nachdruck auf die Kehrseite hin: „Vielen Betrieben in der Region fällt es zunehmend schwer, die passenden Fachkräfte zu finden.“ Mittlerweile brauchen die Personaler fast drei Monate länger als geplant, um eine freie Stelle zu besetzen. „Vakanzzeit“ heißt diese Zeit bei der Arbeitsagentur. Sie bezeichnet den Zeitraum zwischen dem frühestmöglichen Besetzungstermin einer Stelle und dem Tag, an dem der neue Mitarbeiter seinen ersten Arbeitstag hat. Die durchschnittliche Vakanzzeit betrug im letzten Jahr 82 Tage. Acht Tage mehr als 2015 und 34 Tage mehr als noch 2007.
 von Sabrina Voß, sabrinity.com
© Sabrina Voß, sabrinity.com
„Die Wirtschaft benötigt Fachkräfte, doch vielen Arbeitslosen fehlen die notwendigen Qualifikationen“, begründet Dr. Wolf und belegt ihre Aussage mit Zahlen aus ihrer Statistik: Rund zwei Drittel der Arbeitslosen suchen eine Helfertätigkeit, aber nur jede vierte Stelle ist passend für einen ungelernten Mitarbeiter. Die Betriebe suchen vor allem Mitarbeiter mit gewerblicher oder kaufmännischer Ausbildung. „Die Entwicklungen am Arbeitsmarkt sind für uns als Agentur für Arbeit ein klarer Arbeitsauftrag: Wir werden in diesem Jahr noch mehr Geld in die Qualifizierung und Weiterbildung von Arbeitslosen, aber auch von geringqualifizierten Beschäftigten investieren“, kündigt die Chefin der Arbeitsagentur an.
Drei Millionen Euro mehr für Qualifizierung und Weiterbildung
Schon im vergangenen Jahr habe die Arbeitsagentur viel Geld in die Hand genommen, um Menschen für die heimischen Betriebe zu qualifizieren. 12,6 Millionen Euro waren es alleine für Maßnahmen zur Qualifizierung, Weiterbildung und die Berufsausbildung junger Menschen unter 25 Jahren. Rund 12.900 Personen hätten 2016 davon profitiert. Das waren 1750 mehr als im Vorjahr; in diesem Jahr will die Arbeitsagentur Siegen noch mehr Menschen fördern. Darum steigt das Bildungsbudget um über 3 Millionen Euro auf 15,7 Millionen.

Ein Großteil der zusätzlichen Gelder geht in die Förderung der beruflichen Weiterbildung und Qualifizierungsmaßnahmen bei Bildungsträgern. Jugendliche und junge Erwachsene fördert die Agentur mit 6,3 Millionen. „Der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit ist eine abgeschlossene Berufsausbildung. Darum ist uns die Erstausbildung junger Menschen besonders viel Geld wert“, so Wolf. Die Arbeitsagentur finanziere zum Beispiel berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen, Berufsausbildungen in außerbetrieblichen Einrichtungen und Nachhilfeunterricht für Auszubildende.
Langzeitarbeitslosigkeit geht zurück
Auch viele Langzeitarbeitslose konnten nach Angaben der Agentur-Chefin von den Maßnahmen der Arbeitsagentur profitieren. Ihre Anzahl ist 2016 um 332 auf durchschnittlich 4079 gesunken. Hierin spiegele sich auch die Arbeit der beiden Jobcenter Kreis Siegen-Wittgenstein und Kreis Olpe wieder. Mit 3532 Kunden betreuten sie den größten Anteil an Langzeitarbeitslosen. „Gemeinsam mit den beiden Jobcentern ist es gelungen, viele Langzeitarbeitslose direkt oder mit Hilfe gezielter Qualifizierungen in Arbeit zu vermitteln“, berichtete Wolf und ergänzte: „Uns ist wichtig, dass diese Menschen sich dauerhaft in Beschäftigung bewähren können, darum werden wir auch in diesem Jahr wieder auf abschlussorientierte Qualifizierungen und Umschulungen setzen.“
Jahresbilanz Kreis Siegen-Wittgenstein

Im Kreis Siegen-Wittgenstein waren 2016 durchschnittlich 8.264 Personen arbeitslos. Das sind 227 Menschen weniger als im Vorjahr. Die Arbeitslosenquote beträgt 5,4 Prozent. In den letzten zehn Jahren war die Arbeitslosigkeit nie so niedrig, wie im vergangenen Jahr. Die Langzeitarbeitslosigkeit ist um 7,9 Prozent auf 2.974 Personen gesunken. Die Ausländer-Arbeitslosigkeit ist um 269 Personen auf 1.970 gestiegen. Der Arbeitgeber-Service hat im letzten Jahr 6.707 Stellen eingeworben. Das sind 347 Stellen mehr als im Vorjahr. Der Bestand lag im Jahresdurchschnitt bei 1.825 Stellen, 16,9 Prozent mehr als im Vorjahr und mit Abstand der Höchststand der letzten Jahre.
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