Genossenschaftliche Idee wird immaterielles Kulturerbe der UNESCO

Aufnahme der Genossenschaftsidee in „Repräsentative Liste“


Die Gründungsväter der Genossenschaften (v.l.) Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen -hier als handgefertigte Puppen -  sind heute in den sozialen Netwerken auch als Regionalhelden bekannt. von Volksbank Bigge-Lenne eG
Die Gründungsväter der Genossenschaften (v.l.) Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen -hier als handgefertigte Puppen - sind heute in den sozialen Netwerken auch als Regionalhelden bekannt. © Volksbank Bigge-Lenne eG

Am 30. November hat das internationale Komitee für die Erhaltung des immateriellen Kulturerbes in Addis Abeba die Genossenschaftsidee auf die Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO gesetzt. Eine Ehre, die die genossenschaftliche Organisation auch in Südwestfalen mit Stolz, aber auch großem Verantwortungsbewusstsein aufgenommen hat.


„Bei den Volksbanken im Hochsauerlandkreis freut man sich über diese Nachricht, denn auch unsere Institute sind genossenschaftlich organisiert. Wir bestehen aus einer starken Gemeinschaft von mehr als 90.000 Mitgliedern“, so Andreas Ermecke, Sprecher der Volksbanken im HSK. Auch Lambert Stoll von der Volksbank Olpe-Wenden-Drolshagen wertet die Entscheidung der UNESCO als eine „besondere Anerkennung“. „Damit wird eine einmalige Unternehmensform zu Recht gewürdigt“, so Stoll.

„Genossenschaften orientieren sich an sozialen Werten und bauen auf ideellen Grundsätzen wie Solidarität, Ehrlichkeit, Verantwortung und Demokratie auf.“ Mit diesen Worten hatte die Deutsche UNESCO-Kommission ihren Antrag begründet. Für die Genossenschaftsidee spreche zudem das bürgerschaftliche Engagement im sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereich, und zwar jenseits von privaten und staatlichen Wirtschaftsformen.
Genossenschaften als Ausweg aus wirtschaftlicher Not
Josef Hesse, Geschäftsführer der Warengenossenschaft Raiffeisen Sauer-Siegerland, blickt zurück: „In der Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden in vielen Ländern Europas erste Genossenschaften im heutigen Sinne, meist als Konsumgenossenschaften.“

„In Deutschland liegt die Wiege der Kreditgenossenschaften“, weiß Peter Kaufmann, Vorstandssprecher der Volksbank Bigge-Lenne. Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch begründeten erste Kredit- und Darlehenskassenvereine und legten damit das Fundament für genossenschaftliche Banken wie die Volksbanken in Südwestfalen. In Zeiten sozialer Not konnten sich Bauern, Handwerker und kleine Unternehmer dank der Idee der beiden Sozialreformer selbst helfen und bekamen Zugang zu dringend benötigten Krediten. „Der Leitsatz: ‚Was dem Einzelnen nicht möglich ist, das vermögen Viele‘ galt damals wie heute“, resümiert Kaufmann.
Genossenschaftliche Idee wird zum Exportschlager
Das deutsche Genossenschaftsgesetz und die Idee der Kreditgenossenschaften wurden zum Exportschlager. Überall auf der Welt, von Nordamerika über Skandinavien bis Japan, entstanden Genossenschaften. In Deutschland zählte man zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis zu 22.000 Kreditgenossenschaften mit mehr als 3,6 Millionen Mitgliedern.

Allerdings machten politische und wirtschaftliche Ereignisse Zusammenschlüsse sinnvoll. Bis heute schließen sich Volksbanken und Raiffeisenbanken regional zusammen, wenn dies zum Wohle ihrer Mitglieder ist. „Die gewerblichen Genossenschaften gründeten 1920 ihren ‚Deutschen Genossenschaftsverband‘. Als Antwort auf die Weltwirtschaftskrise von 1929 entstand das erste zentrale Sicherungssystem der Kreditgenossenschaften. Die landwirtschaftlichen Genossenschaften und ihre Verbände schlossen sich 1948 zum ‚Deutschen Raiffeisenverband‘ zusammen“, erläutert Georg Hochstein, Geschäftsführer der Raiffeisen Sauerland Hellweg Lippe eG.
Genossenschaften heute und in der Zukunft
Heute gibt es über 900.000 aktive Genossenschaften in mehr als 100 Ländern mit über 800 Millionen Mitgliedern. Aufgrund ihrer weitgehenden Insolvenzsicherheit erfreuen sie sich in Deutschland großer Beliebtheit. In der Tat, so belegt es die vierte Fairness-Studie im Auftrag der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, bescheinigen die Kunden ihren Genossenschaftsbanken eine überdurchschnittliche Leistung hinsichtlich der Fairness in Beratung und Umgang, der Qualität ihrer Produkte, der Sicherheit, und nicht zuletzt der Handhabung des Online Banking.

Mit dem Beschluss der UNESCO wird jedoch auch deutlich, wie wichtig die Ideale der beiden großen Sozialreformer Schulze-Delitzsch und Raiffeisen für unser heutiges Zusammenleben und -wirtschaften sind. „Als Partner in ihrer Region liefern die Genossenschaftsbanken auch heute und in Zukunft gute Gründe, warum man vor Ort nicht nur in finanzieller Hinsicht auf sie zählen kann“, ist Lambert Stoll, Vorstand der Volksbank Olpe-Wenden-Drolshagen überzeugt. Auch in der Nahversorgung durch Dorfläden oder bei neuen Wohnformen wie dem Mehr-Generationen-Haus kommt nicht selten das Genossenschaftsmodell zur Anwendung“.

Peter Kaufmann glaubt fest an die hohe Attraktivität der genossenschaftlichen Idee, in der Gegenwart und vor allem auch für die Zukunft: „Das beweisen unsere vier Schülergenossenschaften in Attendorn, Lennestadt und Winterberg, die von uns unterstützten Energiegenossenschaften sowie vernetzte Dorfgemeinschaften, die im Rahmen des Regionale 2013-Projektes ‚Dorf ist energie(klug)‘ entstanden sind.“
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