„Der Einzelhandel muss online sichtbar sein“

Marco Butz (IHK) im Interview: „Heimat Shoppen“, Vernetzung und digitale Strategien


  • Kreis Olpe, 16.11.2016
  • Von Sven Prillwitz
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    Sven Prillwitz

    Redaktion

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Kreis Olpe. Mit der landesweiten IHK-Imagekampagne „Heimat Shoppen“ und dem Aktionswochenende im September sollten die Stärken und die Bedeutung des Einzelhandels sowie der Dienstleister und Gastronomen vor Ort in den Fokus gerückt werden. In den Kreisen Olpe und Siegen-Wittgenstein hat Handelsreferent Marco Butz von der IHK Siegen die Aktion federführend organisiert. Im Interview mit LokalPlus-Redakteur Sven Prillwitz blickt Butz auf die Kampagne zurück und erklärt, warum die Themen Vernetzung und Digitalisierung für den Einzelhandel entscheidende Themen für die nahe Zukunft sind.


Herr Butz, unmittelbar nach dem „Heimat Shoppen“-Wochenende im September haben Sie ein erstes positives Fazit gezogen. Damals haben Sie auch eine umfangreiche „Manöverkritik“ mit allen an der Kampagne Beteiligten angekündigt. Liegen die Ergebnisse dieses Austauschs mittlerweile vor?

Die Ergebnisse sollen in den nächsten Tagen rausgehen. Händler sollten uns über eine Umfrage ein Feedback geben, sagen, was sie sich auch inhaltlich für die Kampagne im kommenden Jahr wünschen. Im Nachgang haben sich noch viele Händler gemeldet, die 2017 teilnehmen möchten. Das Ziel von „Heimat Shoppen“ und auch mein persönliches Ziel ist es, das Netzwerken zu stärken. Die Händler müssen sich untereinander kennenlernen. Die Kreise Siegen-Wittgenstein und Olpe können viel leisten. Davon bin ich fest überzeugt.

Ist denn die von Ihnen geforderte Bildung eines Netzwerks, das Begreifen als Shopping-Region, die in Wettbewerb mit großen Städten und Einkaufszenten treten kann, schon zu erkennen?

Rund 700 Händler aus beiden Kreisen haben sich an der „Heimat Shoppen“-Kampagne beteiligt. Stellt sich die Frage: Wie will man die alle an einen Tisch bringen? Zumal ich drei Viertel davon nur über den Postweg erreiche. Mein Credo ist: So viel wie möglich muss digital möglich sein. So kann ich schnell und direkt ein Feedback der Händler auf Vorschläge und Aktionen kriegen. Mein Wunsch ist es, dass der Einzelhandel noch mehr Eigeninitiative entwickelt, wenn es darum geht, sich untereinander zu verknüpfen.
„Tolles Angebot, aber keine Homepage"
Stichwort Digitalisierung: Wie groß ist der Nachholbedarf des Einzelhandels in Ihrem IHK-Bezirk?

Es gibt auch in unserer Region so viele Fachgeschäfte mit toller Auswahl, die aber keine Homepage haben. Wie soll ich dann auf diese Geschäfte und ihr vielleicht sogar exklusives Angebot aufmerksam werden? Die Menschen setzen sich heutzutage nicht mehr ins Auto und fahren auf gut Glück 15 Kilometer los, um ein Geschäft zu suchen. Die schauen vorher im Netz nach, wo sie was finden. „Heimat Shoppen“ bedeutet also auch Findbarkeit: Die Händler müssen gefunden werden, online mit ihren Stärken, zu denen auch Nischenprodukte zählen können, werben. Es braucht individuelle Ideen und Querdenken.

Warum tut sich der Einzelhandel so schwer mit dem Thema Internet und Social Media?

Da ist zum einen die Kostenseite, die vor allem die kleineren Läden abschreckt. Wer eine neue Website mit Shop und allem Drum und Dran entwickeln lassen will, ist ruckzuck bei einem fünfstelligen Betrag. Das sind immense Kosten. Zum anderen stehen viele Geschäfte vor einem Inhaberwechsel. Die fragen sich dann: Übernehmen meine Kinder den Laden? Und lassen das Geschäft dann vielleicht einfach auslaufen. Außerdem gibt es viele Händler, die die Sorge haben, ob sie genug Zeit für Online- und Social-Media-Aktivitäten haben oder dafür wiederum jemanden einstellen müssen. Das sind alles nachvollziehbare Gründe. Es ist wichtig, die Leute auch an die Hand zu nehmen, und auch das versuchen wir mit „Heimat Shoppen“.
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Zusammengefasst: Digitalisierung bedeutet Mehraufwand. Wie können Händler den leisten?

Zunächst müssen sie damit beginnen, sich mit anderen zusammenzutun. Ein gutes Beispiel für eine gemeinsame digitale Strategie ist das Attendorner Webkaufhaus. Hier machen Händler gemeinsam erste digitale Schritte. Wichtig ist auch, dass die Händler einen Schritt nach dem anderen machen. Der erste sollte sein, sichtbarer zu werden, zum Beispiel über Facebook. Dafür gibt es auch Workshops, in denen sich der erste Umgang mit Social Media in kurzer Zeit lernen lässt.

Der Online-Versandhandel Amazon gilt noch immer als größte Konkurrenz des Einzelhandels…

Amazon ist sicherlich die Benchmark, mit der man nicht in Wettbewerb treten kann. Aber man kann für lokale Produkte, die es dort nicht gibt, eine Online-Plattform schaffen. Und die Händler können den Online-Handel mit seinen eigenen Waffen schlagen. Jede Apotheke hat einen eigenen Lieferdienst. Da könnte der Einzelhandel doch überlegen, wie man sich in dieser Hinsicht zusammentun kann. Home Delivery, Produkte zum Kunden zu liefern, ist eine Chance und ein Mehr an Service.
Digitale Strategie muss bis 2019 erkennbar sein
Wie schnell muss der Einzelhandel auch mit Blick auf den demografischen Wandel und die viel beklagte Landflucht junger Menschen eine digitale Strategie entwickeln?

Ich würde sagen, innerhalb der nächsten zwei Jahre. Anfang 2019 muss die Kiste laufen. Die Zeit bis dahin brauchen wir auch, um die Hemmschwelle des Einzelhandels zu überwinden. Wichtig ist, dass die Händler dann online sichtbar sind auf mehreren Kanälen. Heute sucht doch kaum noch jemand über den PC im Internet, sondern vorwiegend über das Smartphone. Das heißt, es braucht mobile Infos. Und die müssen umfangreich sein. Da muss ich beispielsweise auch das finden, was mir der Händler im Laden sagen würde zur Beschaffenheit eines Pullovers. Das Online-Angebot muss Sinn und Verstand haben.

Wie erfolgversprechend können ein regionales Netzwerk des Einzelhandels und eine digitale Strategie für die Kreise Olpe und Siegen-Wittgenstein sein?

Neue Zahlen des GfK (das größte deutsche Marktforschungsinstitut, Anm. d. Red.) zeigen, dass die Gruppe der 18- bis 24-Jährigen wieder mehr stationär einkaufen geht. Der über das Non-Food-Handel im Internet soll sich bis 2023 oder 2024 bei 15 Prozent einpendeln. Alles andere bleibt stationär. Das bedeutet Chancen. Meine Vision ist, dass ich in der Region einkaufen gehe, auf dem Smartphone alle Infos aus dem Einzelhandel bekomme und über Google den Weg zu den Geschäften finde. Und irgendwann zeigt mir mein Smartphone Cafés oder Restaurants an, in denen ich eine Pause machen könnte und für die ich über einen Online-Coupon einen Rabatt bekomme. Wir müssen in Südwestfalen zeigen, was wir können, und das ist eine ganze Menge. Wir müssen uns aber jetzt bewegen.
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