Neustart für die „Smily Kids“ in Olpe: Gemeinsam gegen die Angst

Hilfe für suchtbelastete Familien


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Bei den Smily Kids erfahren Kinder aus suchtbelasteten Familien Hilfe und können über ihre Sorgen und Ängste sprechen. von Symbol Kerstin Sauer
Bei den Smily Kids erfahren Kinder aus suchtbelasteten Familien Hilfe und können über ihre Sorgen und Ängste sprechen. © Symbol Kerstin Sauer

Olpe. Sie kommen, um zu reden. Ihre Ängste zu teilen. Um getröstet und gestärkt zu werden: Seit 1996 treffen sich in Altenhundem regelmäßig die „Smily Kids“, Kinder aus suchtbelasteten Familien. Auch in Olpe existiert die Kindergruppe des Kreuzbundes, wurde bisher aber nur wenig frequentiert. „Jetzt wollen wir die Gruppe wieder neu beleben“, sagt Initiatorin Christa Gattwinkel aus Kirchhundem.


„Meine Eltern waren beide Alkoholiker.“ Jessica Spielmann aus Kirchhundem weiß, wovon sie spricht, wenn es um die „Smily Kids“ geht. Für die heute 31-jährige Mutter von drei Kindern war die Kindergruppe früher ihr Zufluchtsort, die Menschen dort Ansprechpartner, mit denen sie endlich einmal reden konnte. Sie erinnert sich: „Mit drei Jahren sind mein jüngerer Bruder und ich zum ersten Mal in eine Pflegefamilie gekommen. Es war ganz schlimm für uns, unser Zuhause verlassen zu  müssen.“ Irgendwann durften sie wieder zurück zu den Eltern, die dem Alkohol abgeschworen hatten – aber wieder rückfällig wurden.
Sucht. Aggressionen. Vorwürfe.
„Wir haben alles miterlebt“, erzählt die 31-Jährige. Die Sucht. Die Aggressionen. Und auch Vorwürfe. „Ich wurde oft als Ausrede benutzt: Wenn du nicht so ein Sorgenkind wärest, dann müsste ich nicht trinken.“ Irgendwann seien sie und ihr Bruder zur Oma gekommen, die sie aufzog. „Ich hatte keine richtige Kindheit“, sagt Jessica Spielmann. Doch Hilfe habe sie erlebt. Und Unterstützung. Dank der „Smily Kids“.

„Jessica war neun Jahre alt, als sie in unsere Gruppe kam“, erinnert sich Christa Gattwinkel. Dort erfuhren die beiden das erste Mal, was es bedeutet, über ihre Sorgen und Ängste sprechen zu können. Denn, so weiß Christa Gattwinkel, die das Thema Alkoholsucht in der eigenen Familie erlebt hat: „Kinder haben oft keinen Anlaufpunkt, wissen nicht, mit wem sie sprechen können, wer ihnen hilft.“ Bei den „Smily Kids“ hingegen sitzen alle in einem Boot: Angefangen beim dreijährigen Kleinkind bis zum Teenager. Sie wissen, wovon der andere spricht. Können seine Ängste nachvollziehen. Verstehen die Sorgen. Und: die hilflose Wut.
 von Kerstin Sauer
© Kerstin Sauer
Gemeinsam, in der Gruppe, „werden die Kinder stark“, weiß die Initiatorin. Und berichtet: „Die Kinder lernen, dass sie sich nicht schämen müssen, und erfahren, wie sie sich gegen Angriffe auf dem Schulhof wappnen können.“ Auch die Kommunikation innerhalb der Familie verbessere sich: „Eltern und Kinder lernen wieder miteinander zu reden.“

Das Wichtigste, so betont Christa Gattwinkel, sei die Schweigepflicht: „Viele Kinder fragen als erstes: Sagst du das auch wirklich nicht weiter? Und das kann ich ihnen versprechen: Was sie mir erzählen, bleibt in dem Raum.“ Ist diese Hürde genommen, reden die Kinder. Ohne Hemmungen, ohne Grenzen. Christa Gattwinkel: „Ich habe noch nie ein Kind erlebt, dass nicht sofort gesprochen hat.“ Zu sehr lasteten die Sorgen und Ängste auf den kleinen Kinderseelen.
Eine Gruppe Gleichgesinnter
Es ist der Rahmen von verständnisvollem Verstehen, der die Kinder dazu bringt, ihre Gedanken in Worte zu fassen. Das weiß auch Jessica Spielmann: „Dort sind Gleichgesinnte. Niemand wird ausgeschlossen, niemand guckt einen doof an.“

Und auch Christa Gattwinkel, die die „Smily Kids“ 1996 ins Leben gerufen hat und immer dabei ist, versteht die Kinder. „Ich stelle mich mit ihnen auf eine Stufe, höre zu, gebe Tipps.“ Aus eigener Erfahrung können sie die Ängste der Kinder nachvollziehen. Aber, so erklärt sie den Unterschied: „Als erwachsene Angehörige kann ich weglaufen, wenn es unerträglich wird – Kinder können das nicht.“
Auch ein Angebot für Eltern
Während die Kinder in einem Raum zusammensitzen, reden, Geschichten hören und auch mal basteln, haben die Eltern die Möglichkeit, sich nebenan auszutauschen. Nicht immer leicht für sie, weiß Christa Gattwinkel: „Ich hatte mal eine Mutter, die fast verrückt geworden ist vor Sorge, was ihr Kind wohl alles über sie und ihre Familie erzählt. Aber die Eltern wissen: Wir haben Schweigepflicht, es wird nichts nach draußen getragen.“

Mit den Eltern, so erklärt die Kirchhundemerin weiter, steht und fällt die Kindergruppe, denn: „Wir müssen warten, bis die Eltern bereit sind, ihre Kinder zu uns zu bringen. Kinder, vor allem die ganz jungen, können von sich aus noch keine Hilfe holen.“
Erfahrene Nachfolgerin
Das Alter der „Smily Kids“ ist unbegrenzt. „Die Kinder bleiben so lange, wie sie möchten“, sagt Christa Gattwinkel. Und fährt lachend fort: „Vor allem die Mädchen bleiben nachher noch im Kontakt zu mir, schreiben wenn sie heiraten oder Kinder bekommen.“ Und so blieb auch der Kontakt zu Jessica Spielmann über die Jahre hinweg bestehen – die, so wünscht sich Christa Gattwinkel, einmal ihre Nachfolge bei den „Smily Kids“ übernehmen soll.

Und so laden beide Damen herzlich zum Neustart der „Smily Kids“ in Olpe ein: Am Dienstag, 15. Januar, sind betroffene Kinder und Eltern ab 16 Uhr herzlich in die Räume von Caritas AufWind in Olpe (Kolpingstraße 62) eingeladen. Dort sollen sich dann regelmäßig an jedem dritten Dienstag im Monat die Türen für die neuen „Smily Kids“ und ihre Eltern öffnen. Dabei wird anfangs um telefonische Anmeldung gebeten, entweder bei Christa Gattwinkel (Tel. 02723/3152) oder bei Claudia Bucher von Caritas AufWind in Olpe (Tel. 02761/921 1518).
Hintergrund:
  • in Deutschland leben aktuell rund 2,65 Millionen Kinder unter 18 Jahren mit alkoholkranken Eltern zusammen
  • rund 3000 alkoholkranke Menschen leben im Kreis Olpe
  • insgesamt wird die Zahl der von Sucht im Elternhaus betroffenen Kinder auf drei Millionen geschätzt, es wird aber von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen
  • Kinder aus suchtbelasteten Familien sind die größte bekannte Risikogruppe für eine spätere eigene Suchterkrankung
  • jedes zweite Kind wächst in Deutschland in einem Umfeld auf, in dem zu viel Alkohol konsumiert wird
  • Quelle: www.nacoa.de
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