Mathematik zum Anfassen – Unterricht mit 3-D-Drucker

Sekundarschule Olpe kooperiert mit Uni Siegen


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Für den Mathe-Unterricht nutzen die Schüler aus der Klasse 8a einen 3-D-Drucker, um so ein Modell einer Funktion zu erstellen. von Rüdiger Kahlke
Für den Mathe-Unterricht nutzen die Schüler aus der Klasse 8a einen 3-D-Drucker, um so ein Modell einer Funktion zu erstellen. © Rüdiger Kahlke

Olpe. An der Seite links die Kamera, vor sich die Laptops. Am Tisch im Differenzierungsraum der Klasse 8a der Sekundarschule in Olpe qualmen die Köpfe. Vier Schüler, die ihre Arbeitsaufgaben schon erledigt haben, versuchen eine Funktionsgleichung als 3-D-Modell darzustellen. Aus einem Strich im Koordinatensystem soll Mathematik zum Anfassen werden: ein gedruckter Graph.


Die Schüler in den beiden Zweier-Teams geben Zahlen ein. Nichts. Der Graph ist auf dem Bildschirm nicht zu sehen. Was tun? Die Jungs diskutieren, probieren. „Macht mal die Werte größer“, rät Felicitas Pielsticker. Die Schüler geben neue Werte ein. Klappt. Der Graph taucht über einem kleinen Winkel als gelbe Linie auf dem Bildschirm auf. Geschafft. Fast. Jetzt müssen nur noch die Daten für den 3-D-Drucker aufbereitet werden. „Wo ist die Gebrauchsanweisung?“, fragt einer. „Ich bin eure Gebrauchsanweisung“, schmunzelt Felicitas Pielsticker und erklärt, wie die Rechenbefehle eingegeben werden müssen.

Die Doktorandin der Uni Siegen betreut mit Mathe-Lehrerin Birgitta Marx den neuartigen Unterricht. Sie untersucht in ihrer Dissertation, wie sich neue Medien wie der 3-D-Drucker sinnvoll in den Unterricht einbinden lassen. Die Sekundarschule Olpe und der Bereich Didaktik der Mathematik der Uni Siegen kooperieren seit Beginn des Schuljahres, gehen neue Wege.
Schule setzt auf Zukunftstechnologie
Und die Schüler? – Die gehen voll mit. „Die Begeisterung hält seit Oktober an“, bilanziert die Doktorandin. Die Kameras in der Klasse, die die Diskussionen der Schüler aufnehmen, ihre Suche nach Lösungen festhalten, stört die Schüler nicht. Die gehören für sie im Alltag. Die Schüler rücken sie für die Dokumentation ihrer Lernschritte selbst in die richtige Position. Zu faszinierend ist die Arbeit an den Rechnern und mit den Druckern.

Zwei haben die Forscher aus Siegen mitgebracht. Die Schule hat inzwischen einen eigenen Drucker angeschafft. Sie setzt auf Zukunftstechnologien, auf die ihre Schüler auch später in der Wirtschaft treffen. „Wir haben erstmal ein bisschen erzählt, was wir vorhaben. Die Schüler wollten sofort wissen, wie es funktioniert“, schildert die Felicitas Pielsticker den Start zu Beginn des Schuljahres.
„Innovative Ansätze ermöglichen“
Für Schulleiterin Claudia Limper-Stracke geht es darum, „wie integriere ich neue Medien in den Alltag?“. Ihr Credo: „Innovative Ansätze ermöglichen und offen zu sein für das, was möglich ist.“ Die Kooperation mit den Wissenschaftlern sieht sie als Bereicherung des Schullebens. Und die Wissenschaftler freuen sich, mit der Olper Schule einen aufgeschlossen Partner mit guter Ausstattung und guter Lernatmosphäre zu haben. Hier können sie ihre Ideen in der Praxis testen und weiterentwickeln.

Mit dem Projekt an der Sekundarschule will Mathe-Didaktiker Prof. Dr. Ingo Witzke feststellen: „Bringt das was über einen längeren Zeitraum? Das können wir uns hier anschauen.“ Auf einer Forschungsreise in den USA hatte er gesehen, „was man mit neuer Technik machen kann“. Über eine Studentin, die in der Sekundarschule ihr Praktikum absolvierte, und Mathe-Lehrerin Birgitta Marx, war 2017 der Kontakt nach Olpe zustande gekommen. Er mündete schnell, „pragmatisch“, wie alle Beteiligten betonen, in dem 3-D-Drucker-Projekt.
 von Rüdiger Kahlke
© Rüdiger Kahlke
Der Hochschullehrer sieht die Kooperation, die auch über das derzeitige Projekt hinaus gehen soll, als gute Möglichkeit, „Kontakte in die Schule zu bekommen“. Das fördere den Austausch und sei auch gut für die Schüler, die von neuen Erkenntnissen profitieren könnten. Durch die drei Schritte des Lernens in der Bild-, Symbol- und Material-Ebene, steige der Wissenstransfer. Mit dem ausgedruckten Graphen halte man das Wissen quasi in Händen. Zu verstehen, was eine Funktion ist, sei „wichtiger als Päckchen runterzurechnen“, erklärt der Mathe-Didaktiker.

Bisher seien Funktionen in Büchern nur als Bild zu sehen. „Das heißt, man muss sich das vorstellen. Jetzt kann man das anfassen.“ Was über verschiedene Kanäle erfasst wird, bleibt auch besser hängen, verweist der Wissenschaftler auf lerntheoretische Erkenntnisse. Prof. Witzke sieht in der neuen Technik Vorteile für Kinder, die haptisch veranlagt sind. Aber: auch Förderschüler erhielten einen neuen Zugang zur Mathematik, weil es auch für sie ein Neu-Start sei.
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Mathematik zum Anfassen – Unterricht mit 3-D-Drucker
Schulleiterin Claudia Limper-Stracke sieht das Projekt als einen Mosaikstein, die Schüler auf ihr späteres Berufsleben vorzubereiten. Auch wenn der Umgang mit dem 3-D-Drucker Neugier über die Klasse hinaus geweckt hat, kommt es ihr auf Nachhaltigkeit an. Mit Partnerfirmen auf diesem Weg weiterzugehen, könnte sie sich als nächsten Schritt vorstellen. Wichtig ist ihr, dass die Eltern sehen, „dass ihre Schüler gut gefördert werden.“
Schüler: Unterricht ist anschaulicher
Und die Schüler selbst? Für Timo (13) ist es eine „interessante Abwechslung. Man hat gedrucktes Material, das veranschaulicht.“ Für ihn ist klar, Mathe mit dem 3-D-Drucker „macht sehr viel mehr Spaß.“ Elisa (14) findet „es viel interessanter und einen Ansporn, Aufgaben schneller und sorgfältiger zu erledigen.“ Und „weil man mit dem Druck etwas in der Hand hat, kann man sich die Sache besser vorstellen.“

Mathe-Lehrerin Birgitta Marx, die ihre Schüler für die MINT-Fächer begeistern will, sieht das Projekt auf einem guten Weg: „Die Schüler sind sehr konzentriert“, hat sie nach dem halben Jahr seit Einführung des neuen Unterrichts festgestellt. Sie arbeiteten selbstständig an Aufgaben „und sind ganz stolz auf ihre Ergebnisse.“ Der neue Spaß am alten Fach wirkt sich auch leistungssteigend aus. – Um eine Notenstufe haben sich die Schüler der 8a im ersten Halbjahr verbessert.
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