Mathe zum Anfassen an der Sekundarschule Olpe

Unterricht mit 3-D-Druckern – Wissenschaftler ziehen positive Bilanz


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Mathe - ein Buch mit sieben Siegeln? Nicht an der Sekundarschule in Olpe: Da haben die Schüler einen ganz neuen Zugang zur Mathematik entdeckt. von Rüdiger Kahlke
Mathe - ein Buch mit sieben Siegeln? Nicht an der Sekundarschule in Olpe: Da haben die Schüler einen ganz neuen Zugang zur Mathematik entdeckt. © Rüdiger Kahlke

Olpe. Mathe-Lehrerin Birgitta Marx stellt die Aufgabe: „Die Forschungsaufträge weiter bearbeiten.“ Die Schüler der Klasse 8 A schnappen sich die Arbeitsblätter, wuseln kurz durcheinander, finden sich in Gruppen zusammen. Dann arbeiten sie an den Laptops. Kooperatives Lernen, und das noch konzentriert kurz vor den Ferien, als es um nichts mehr geht. Die Zeugnisnoten sind längst klar. Prof. Ingo Witzke, Mathe-Didaktiker an der Uni Siegen, sieht es gerne.


Er betreut das Forschungsprojekt an der Sekundarschule Olpe. Es geht darum, 3-D-Drucker in den Mathematikunterricht zu integrieren. Wissenschaftlichen Zusammenhängen und Feinheiten geht Felicitas Pielsticker dabei in ihrer Dissertation nach. Sie hat ein Jahr den Mathe-Unterricht in der Klasse 8 A beobachtet. Jetzt geht es an die Auswertung. Für die beiden Forscher aus Siegen ist bereits vor Auswertung aller Daten klar: Das Projekt ist ein Erfolg. Prof. Witzke spricht von „guten Ergebnissen“. Das Leistungsniveau der Schüler sei gestiegen. Statt Formeln zu lernen und deren Anwendung immer wieder zu üben, haben die Schüler „analytisches Denken gelernt“.
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Mathe zum Anfassen an der Sekundarschule Olpe
Als gewinnbringend sieht der Wissenschaftler es an, dass die Schüler nicht nur mit CAD-Software am Rechner arbeiten, sondern Kurven oder Körper auch mit dem 3-D-Drucker ausdrucken können. Für die Schüler sei es motivierend, am Ende ein Produkt in der Hand zu haben. „Sie sitzen nicht allein vor dem Rechner, sondern diskutieren miteinander. Dabei entsteht Wissen“, freut sich der Wissenschaftler. Einige Schüler seien durch die neue Form der Mathe-Vermittlung wieder für den Unterricht gewonnen worden. Für Förderschüler sei es ein Neustart in Mathematik gewesen.
„Wissen ist auch verfügbar“
Erste Abschluss-Interviews mit den Schülern haben gezeigt, „dass das Wissen verfügbar ist“, bilanziert der Mathe-Professor. „Bei bionomischen Formeln holen sie das Material aus der Tasche und erklären den Beweis. Sie haben ein Begründungsbedürfnis und wollen verstehen, warum eine Formel gilt.“

Erkenntnisse aus der Arbeit in Olpe haben die Siegener Forscher bereits auf Symposien vorgestellt. „Die Teilnehmer waren begeistert“, sagt  Prof. Witzke. Veröffentlichungen, Fachtagungen und Fortbildungen an der Uni Siegen sollen dazu beitragen, neue Medien wie die 3-D-Drucker in den Mathematikunterricht zu integrieren. Fachlehrerin Birgitta Marx bekommt einen Lehrauftrag an der Uni Siegen. Sie soll angehenden Lehrkräften zeigen, wie der Unterricht mit den neuen Medien gestaltet werden kann. Das Olper Projekt wird Teil des Unterrichtsstoffs an der Uni.
Besseres Verständnis
In der Sekundarschule Olpe fahren die Schüler auf diese Form der Vermittlung ab. Timo (14) fasziniert, „zu sehen, dass Mathe nicht nur Theorie ist. Man kann auch praktische Sachen ausdrucken, die man anfassen kann. Das hat mehr Spaß gemacht, als das nur im Buch zu lesen. Ich hab das so besser verstanden.“ Finje (13) findet es gut, dass man sich in die Diskussionen mehr einbringen kann und es mehrere Wege gibt. Gefallen am Fach hat auch Irem (15) durch die Arbeit mit den Druckern gefunden. „Besser als nur zeichnen“, kommentiert sie die Arbeit am Forschungsauftrag, bei dem es um Höhen in Dreiecken geht. „Viel mehr dadurch gelernt“, fasst es Hendrik (14) kurz zusammen. „Man hat was in der Hand“, bestätigt er die Analyse des Professors, dass Haptik als Teil des Lernens über verschiedene Kanäle und mit allen Sinnen mit zum Lernerfolg beiträgt.

Was hat es gebracht?
  • Für die Schüler: „Sie haben Mathematik von der praktischen Seite kennen gelernt“, meint Birgitta Marx, und dabei „Mathe zum Anfassen erlebt“. Auf den Leistungsstand in der Klasse habe sich das einjährige Projekt positiv ausgewirkt.
  • Für die Lehrkraft: Für die Fachlehrerin war das Projekt Anlass, nochmal über das Eine oder Andere in der Mathematik nachzudenken und Inhalte zu vernetzen. Erfahrungen aus dem Projekt werden Eingang in den Unterricht der nächsten Jahrgänge finden
  • Für die Schule: Von der Kooperation mit der Uni werden auch andere Klassen profitieren. Birgitta Marx will die Erfahrungen in der Fachkonferenz thematisieren. Die Kolleginnen und Kollegen seien sehr offen. Sie ist „überzeugt, dass man in Mathe noch eine Menge bewegen kann.“ Geplant ist zudem, mit Unternehmen aus der Region zusammenzuarbeiten.
Konstruktion am Computer und 3-D-Druck sind Alltag in der Arbeitswelt. Und die Schüler sind da jetzt nah dran. Neben Zeugnis gab es zum Ende des Schuljahres noch ein Zertifikat der Uni, das ihnen ihre Kompetenz im Umgang mit den Druckern bescheinigt.
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