Eingebremste Inklusion: Sorgen am Städtischen Gymnasium Olpe

Stellen für Sonderpädagogen drastisch gekürzt


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Kollegium und Eltern des Städtischen Gymnasiums Olpe sind in Sorge: Die Sonderpädagogen-Stellen sollen gekürzt werden. von privat
Kollegium und Eltern des Städtischen Gymnasiums Olpe sind in Sorge: Die Sonderpädagogen-Stellen sollen gekürzt werden. © privat

Olpe. Gedrückte Stimmung am Städtischen Gymnasium (SGO) in Olpe: Waren bisher an fünf Tagen die Woche mindestens zwei Sonderpädagogen vor Ort, um das gemeinsame Lernen von Regel-Schulkindern und Schülern mit Förderbedarf zu unterstützen, so werden die Stellen zum neuen Schuljahr gekürzt. Folge: Dann ist nur noch ein Sonderpädagoge an drei Tagen vor Ort. LokalPlus sprach mit Holger Köster, Schulleiter am SGO, und Simone Hesse, Schulpflegschaftsvorsitzende, über die Situation, die vielen Eltern und dem Kollegium Sorgen bereitet.


Die derzeitigen 2,13 Stellen für Sonderpädagogen sollen auf 0,6 Stellen reduziert werden. Warum?

Holger Köster: Der wachsende Bedarf an Sonderpädagogen kann – nicht zuletzt auch wegen der Neuausrichtung der Inklusion – durch Neueinstellungen nicht aufgefangen werden. Viele Stellen sind schon jetzt nicht besetzt und es rücken zu wenige Kräfte von den Universitäten nach.
Fünf Tage Lernwerkstatt
Wie ist die Situation derzeit?

Simone Hesse: Im Augenblick gibt es zwei Sonderpädagogen, die in der Lernwerkstatt am SGO, untergebracht in der ehemaligen Pestalozzischule, an fünf Tagen in der Woche arbeiten.

Holger Köster: Die Sonderpädagogen beraten und begleiten die Regellehrkräfte im und außerhalb des Unterrichts, beurteilen den Lernfortschritt der Schüler und planen notwendige Fördermaßnahmen. Darüber hinaus unterrichten die Sonderpädagogen die im Lehrplan der Gymnasien nicht unterrichteten Fächer wie Hauswirtschafts- und Arbeitslehre. Ebenso kümmern sich die Sonderpädagogen um den gesamten Bereich der Berufsorientierung für die Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf.
 von Sven Prillwitz
© Sven Prillwitz
Welche Konsequenzen hätte eine solch drastische Reduzierung für die Schule?

Simone Hesse: Dann würde nur noch ein Sonderpädagoge mit 17 Stunden ans SGO abgeordnet, das heißt, er wäre höchstens noch an drei Tagen in der Woche am SGO. Man darf nicht vergessen, dass die Bezugspersonen der Kinder die Schule verlassen würden. Es ist davon auszugehen, dass das Engagement der Kinder und die Motivation massiv nachlassen werden.

Holger Köster: Hinzu kommt ein deutlicher Kompetenzverlust im Kollegium. Die Sonderpädagogen stehen dann nur noch an bestimmten Tagen mit Rat und Tat den Regellehrkräften zur Seite, die in keiner Weise für die Bedürfnisse der Schüler mit Förderbedarf ausgebildet sind. Außerdem hat im Kollegium niemand die Befähigung, die am Gymnasium ansonsten nicht unterrichteten Fächer zu unterrichten. Fächer, die für die Kinder aber besonders wichtig sind.

Welche Bedeutung haben Sonderpädagogen für das gemeinsame Lernen?

Holger Köster: Sie sind das Bindeglied zwischen dem Regel- und dem Förderschulsystem. Gerade in unserem Fall haben sich die Kollegen hervorragend in das neue System eingebracht. Nicht zuletzt deshalb hat da auch bei mir persönlich ein Umdenken dahingehend stattgefunden, dass Inklusion tatsächlich funktionieren kann.
Natürlicher Umgang mit dem Verschiedensein
Wie wichtig ist das gemeinsame Lernen für alle Kinder?

Holger Köster: Alle Kinder erleben und erlernen nach einer Phase des Sich-aneinander-Gewöhnens einen natürlichen Umgang mit dem Verschiedensein. Die Kinder sind gut in den Unterricht integriert, werden aber auch gleichzeitig bestens nach ihren Bedürfnissen gefördert. Sowohl die Förderschüler als auch die Sonderpädagogen bereichern das Schulleben, z.B. durch Synergieeffekte bei Vorstellungen des Literaturkurses, der Theater-AG und des Chores, was den Förderschülern Anerkennung und Selbstbewusstsein bringt.

Soziales Lernen hat dadurch einen noch höheren Stellenwert in unserem Unterricht gewonnen. Der Umgang mit Beeinträchtigungen regt beispielsweise zum Nachdenken und zu Gesprächen an.

Was sagt die Bezirksregierung dazu?

Holger Köster: Wir stehen in engem Kontakt mit der Bezirksregierung, aber auch mit den weiteren betroffenen Schulen. Die Schulaufsicht steht natürlich vor der Herausforderung, den vorhandenen Mangel zu verwalten. Man hat uns zugesichert, die Situation zu prüfen und nach Möglichkeit noch nachzusteuern.
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Wie hoffen Sie, die Situation noch retten zu können?

Simone Hesse: Ich hoffe, durch die Veröffentlichung der Misere die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren bzw. auf Hilfen eventuell aus der Politik oder anderen Institutionen. Die Familien der Förderkinder haben oftmals schon einen langen steinigen Weg hinter sich. Nun endlich sind die Kinder angekommen und fühlen sich wohl, haben Lernerfolge, Motivation und auch wieder Spaß an der Schule, da soll ein funktionierendes System auf einmal gekürzt bzw fast eingestampft werden. Das ist mir unverständlich.

Holger Köster: Im Vorfeld hätte mehr Transparenz sicher dazu geführt, das nachträgliche Gezerre um Stellenanteile zu vermeiden. Der Unmut ist dadurch enorm im ganzen Kreis. Nun warten wir aber erst einmal die endgültige Rückmeldung der Schulaufsicht ab. Dann werden wir das Beste aus der Situation machen. Das sind wir den Kindern einfach schuldig.
Verein meldet sich zu Wort
In der Diskussion um den Stellenabbau hat sich auch der Verein „Olpe plus“ zu Wort gemeldet, der sich für Inklusion und Teilhabe einsetzt. Er findet die Stundenkürzungen empörend und wendet sich mit einer offenen Stellungnahme an die Öffentlichkeit.
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