„Jeder geht anders mit einem Verlust um"

Interview mit Trauerbegleiterin Barbara Vogt


  • Lennestadt, 26.12.2017
  • Von Christine Schmidt
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Barbara Vogt ist Trauerbegleiterin und steht Familien in der schweren Zeit zur Seite. von Christine Schmidt
Barbara Vogt ist Trauerbegleiterin und steht Familien in der schweren Zeit zur Seite. © Christine Schmidt

Saalhausen. Familien nach einem Verlust eines geliebten Menschen zur Seite stehen, sie begleiten und sie zu ermutigen - das hat sich Barbara Vogt aus Saalhausen zur Aufgabe gemacht. Die 53-Jährige ist von Beruf Trauerbegleiterin. Gerade in der Weihnachtszeit schmerze der Verlust besonders, erzählt sie im Gespräch mit LokalPlus-Volontärin Christine Schmidt.


Frau Vogt, was macht eine Trauerbegleiterin?

Es geht darum, Menschen auf ihrem Weg durch die Trauer zu unterstützen und sie zu begleiten. Ziel ist es, dass der trauernde Mensch sein eigenes Leben wieder gut leben kann und ins Gleichgewicht kommt.

Trauerbegleitung, ein emotionaler Job – wie sind Sie dazu gekommen?

In meiner Arbeit als Gemeindereferentin sind mir in der Gemeinde immer wieder Trauernde begegnet, die Schwierigkeiten hatten, mit einem Verlust umzugehen. Da habe ich immer wieder erkannt, dass eine spezielle Begleitung helfen könnte. Genau zu dieser Zeit wurde im Erzbistum Paderborn eine zweijährige Ausbildung angeboten, die ich dann als Zusatz-Qualifikation absolviert habe. Das war 1997. Vor 20 Jahren gab es wenig Trauerbegleitung hier in der Gegend, da stand der Beruf noch in den Kinderschuhen.

Ab wann und wie begleiten Sie Familien?

Die Trauerbegleitung kann schon bei der Beerdigung, die persönlich gestaltet werden kann, beginnen. Sonst ist es aber meistens so, dass sich die Menschen nach der Beerdigung melden. Wie lange ich die Menschen und Familien dann begleite, ist sehr individuell, oft aber bis zu einem Jahr. In der Regel treffen wir uns dann alle 14 Tage. Die Methoden sind ganz unterschiedlich. Ich arbeite mit dem, was die Menschen mitbringen. Wir schreiben, malen, gehen in die Zimmer des Verstorbenen oder reden über die Träume. Es gibt viele verschiedene Arten der Trauer und danach richtet sich auch die Begleitung – jeder trauert auf seine eigene individuelle Art.

Was bedeutet der Verlust eines Angehörigen für eine Familie?

Es entsteht eine Lücke in der Familie, die nicht wieder zu füllen ist. Die Aufgabe der Familie ist es, zusammen die Trauer um die verstorbene Person in ihr Leben zu integrieren, ohne daran zu zerbrechen. Die Hinterbliebenen können sich nicht vorstellen, wieder glücklich zu leben, aber genau darum geht es.

Gibt es unterschiedliche Formen der Trauer?

Ja, sehr viele. Es gibt genauso viele Arten der Trauer wie es Menschen gibt. Jeder geht anders mit einem Verlust um. Die Art hängt von vielen Faktoren ab und ist immer sehr individuell. Auch die Situation des Todes bestimmt die Art, wie ein Mensch trauert. Genauso kommt es auf die Beziehung an, die man zu dem Verstorbenen hatte – das ist ganz wichtig.

Wie werden andere Familienmitglieder (Geschwisterkinder) miteinbezogen bzw. wie können auch andere Angehörige und Freunde helfen?

Angehörige und den Freundeskreis miteinzubeziehen ist sehr wichtig. Auch Schulklassen, Lehrer und Erzieher sollten einbezogen werden. Generell kann man sagen, dass man die Trauernden nicht meiden sollte. Kontakt suchen und immer wieder fragen, ob derjenige Hilfe braucht und welche Art von Hilfe, das ist der bessere Weg. Manchmal sind es Kleinigkeiten, die Freunde oder Nachbarn zur Unterstützung anbieten können, wie zum Beispiel die Kinder abholen, mit ihnen spazieren gehen usw. In anderen Ländern gibt es sogar die Tradition, dass Freunde und Nachbarn für die Familie kochen, um sie so zu entlasten – dann steht die Lasagne einfach vor der Tür. Denn vor allem Mütter sind nach einem Verlust oft nicht mehr in der Lage, alltägliche Dinge zu erledigen.

An was für besonders emotionale Situationen erinnern Sie sich?

Oh, da fällt mir sofort eine Geschichte ein. Als ich in Gelsenkirchen gearbeitet habe, gab es eine Familie mit fünf Kindern. Bei denen wurde nachts durch eine Stehlampe ein Feuer im Haus entfacht. Die Eltern haben das Feuer dann bemerkt und alle konnten nach draußen flüchten. Die Eltern bemerkten dann irgendwann, dass eines der Kinder fehlte und der Vater rannte sofort ins Haus, die Feuerwehr konnte ihn nicht mehr aufhalten. Das vermisste Kind war jedoch nicht mehr in der Wohnung, sondern stand auf der anderen Seite des Hauses – der Vater kam in den Flammen ums Leben. Ich muss heute noch schlucken, wenn ich die Geschichte erzähle. Mit der Frau stehe ich immer noch in Kontakt und der Familie geht es schon lange wieder gut.

Gibt es ein Patentrezept, um mit der Trauer umzugehen?

Nein, gibt es nicht, das ist immer individuell. Wenn es das gäbe, dann hätten wir keine Probleme mehr. Aber Trauer ist nun mal Arbeit und es ist anstrengend, man muss an der Psyche arbeiten.

Was würden Sie Familien sagen, um ihnen Kraft für die schwere Zeit zu geben?

Weihnachten ist natürlich eine besonders schwere Zeit, da ist der Verlust sehr schmerzlich. Aber die Menschen sollen darauf vertrauen, dass die Bande der Liebe für immer bleiben. Man ist weiterhin mit den Verstorbenen verbunden und sie werden immer einen Platz im Herzen behalten. Die Erinnerungen an die glücklichen Stunden werden den Familien für den neuen Lebensabschnitt Kraft geben.
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