Der einzelne Schüler zählt - mit seinen Stärken und Schwächen
Interview: Rektor Bernd Holzapfel über die Sekundarschule Hundem-Lenne
- Lennestadt, 14.09.2016
Lennestadt-Meggen. Mit dem Schuljahr 2016/2017 ist die Sekundarschule Hundem-Lenne in ihr drittes Jahr gestartet. 150 Schüler und mehr haben sich seitdem Jahr für Jahr in Meggen und am Standort in Kirchhundem angemeldet – und doch hat die Sekundarschule immer noch gegen viele Vorurteile zu kämpfen. Grund genug für Schulleiter Bernd Holzapfel, im Gespräch mit LokalPlus-Mitarbeiterin Kerstin Sauer damit aufzuräumen, seine Schule vorzustellen und über den Sinn des Abschieds vom dreigliedrigen System zu sprechen.
Herr Holzapfel, sie waren fast 30 Jahre lang als Realschullehrer, unter anderem als Leiter der St.-Barbara-Realschule in Meggen, tätig. Was ist Ihre Meinung zum alten Schulsystem Gymnasium-Realschule-Hauptschule?
Das dreigliedrige Schulsystem funktionierte solang sehr gut, wie alle drei Systeme gleichberechtigt nebeneinander existierten und von den Eltern akzeptiert wurden. Die Realschule war immer eine gute Schule für Schüler mit mittleren Qualifikationen. Dort konnten sich die Kinder gut weiterentwickeln und hatten die Möglichkeit, später noch auf das Gymnasium zu wechseln. Und viele Schüler konnten an der Hauptschule am besten gefördert und auf das Berufsleben vorbereitet werden.
Wann ist das dreigliedrige System gekippt?
Kritisch wurde es, als ab 2010 beim Wechsel auf die weiterführende Schule nur noch der Elternwille ausschlaggebend war. Immer weniger Eltern schickten im Laufe der Jahre ihre Kinder zur Hauptschule, die Akzeptanz dieser Schulform nahm, auch durch die negative Berichterstattung, stark ab. Die Situation spitzte sich zu, die Realschule bekam immer mehr Schüler, die an einer Hauptschule besser hätten gefördert werden können. 2013 war es dann so weit, dass zum Beispiel die Hauptschule in Meggen ganz knapp mit nur 18 Anmeldungen noch eine Eingangsklasse bilden konnte. Meiner Meinung nach war das eine Katastrophe, denn wenn es die Hauptschule irgendwann nicht mehr gab – wo sollten dann die Schüler hin, die am Gymnasium oder an der Realschule überfordert waren und die Schule wechseln mussten? Das dreigliedrige Schulsystem funktioniert nur, wenn es alle drei Schulformen gibt, die die Kinder, je nach Leistungsvermögen, aufnehmen.
Eine andere Lösung musste also her. Wie entstand dann die Sekundarschule?
Ab 2010 haben die Schulen vor Ort gemeinsam mit der Politik in Arbeitskreisen nach einer Lösung gesucht. Das Konzept unserer jetzigen Sekundarschule wurde also von vielen Schulleitern und Vertretern der einzelnen Fraktionen entwickelt – auch nach dem Vorbild anderer Sekundarschulen im Land. Die Sekundarschule orientiert sich am Konzept der Gesamtschule, aber sie umfasst nur die Jahrgänge fünf bis zehn.
Was sind Ihrer Meinung nach die Vorteile einer Sekundarschule?
Die Sekundarschule hat einen anderen Lehrerschlüssel als die Realschule, das heißt, wir haben mehr Personal und damit mehr Möglichkeiten, die Schüler individuell zu fördern. Es gibt kleine Fördergruppen, in denen leistungsdifferenziert unterrichtet werden kann. Wichtig ist auch, dass jeder Fünftklässler einen Eingangstest in den Fächern Mathe, Deutsch und Englisch schreibt. Dabei geht es nicht um Noten, sondern darum zu analysieren, wo der Schüler steht, wo seine Stärken und wo seine Schwächen sind. Danach können wir jedes Kind differenziert fördern.
Werden die Eltern mit ins Boot genommen?
Die Kommunikation mit dem Elternhaus ist uns besonders wichtig. Es gibt Elternsprechtage und Einladungs-Elternsprechtage. Die Eltern bekommen regelmäßig Rückmeldungen, wo das Kind steht und wie es gefördert wird. Von der guten Kommunikation mit dem Elternhaus lebt unsere Schule.
Wie gehen Sie mit der Heterogenität – Schüler mit unterschiedlichsten Qualifikationen und sozialen Hintergründen - in Ihrer Schule um?
Die Situation erfordert natürlich ein erhebliches Engagement und birgt viele Herausforderungen. Dieser Aufgabe haben wir uns gestellt, indem wir in jedem Unterricht Aufgaben auf unterschiedlichem Anforderungsniveau anbieten und von Sonderpädagogen unterstützt werden. Das Kollegium besteht sowohl aus Gymnasial-, Real- und Hauptschullehrern. Wir haben Eltern, Schüler und Lehrer befragt und aus den Ergebnissen Leitziele und Konzepte entwickelt. Mit intensiver Elternarbeit reagieren wir auf Probleme und konnten bisher auch alle lösen. Die Schüler wissen außerdem, dass sie immer auf mich und meine Kollegen zukommen können – unsere Türen stehen immer offen.
Ein Kritikpunkt von Eltern ist, dass die Sekundarschule eine bessere Hauptschule ist. Was sagen Sie dazu?
Das stimmt absolut nicht. Wir beschulen Kinder mit allen Übergangsempfehlungen vom Gymnasium bis zur Hauptschule. Bei uns gibt es einen fremdsprachlichen Zweig und ein breites Differenzierungsmodell. Wir greifen die bewährten Konzepte aller drei Schulformen auf und bieten sowohl eine intensive Berufswahlvorbereitung als auch gleichzeitig den Kindern, die das Abitur anstreben, die entsprechenden Kurse an.
Viele Eltern schrecken davor zurück, dass die Schüler verpflichtend an drei Tagen in der Woche bis 15 Uhr Unterricht haben.
Wir möchten für die Kinder unabhängig von ihrer Ausgangssituation die besten Voraussetzungen schaffen. In zunehmend mehr Elternhäusern sind die Kinder auf sich alleine gestellt, auch bei den Hausaufgaben. Daher werden die Hausaufgaben- als fester Bestandteil des Unterrichtes -in der Schule gemacht, so dass auch der entsprechende Lehrer einen Blick auf die Leistung der Schüler hat. An drei Tagen (Montag, Mittwoch, Donnerstag) bleiben die Schüler bis 15 Uhr und können nach dem Mittagessen in der Mensa an einem der vielen Mittagspausenangeboten teilnehmen. Dienstags und freitags endet der Unterricht um 13 Uhr. Auf Wunsch ist montags bis donnerstags eine Betreuung bis 16 Uhr gewährleistet.
Machen Sie Ihre Arbeit gerne?
Sehr. Die Kinder sind mir wichtig – da muss auch schon mal etwas anderes liegen bleiben.