Black-Box Krankenhaus: Ein Blick hinter die Kulissen

20 Teilnehmer begleiten schwerverletzten "Simulanten" auf seinem Weg durch das St.-Josef-Hospital Altenhundem


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Angespannte Gesichter im "Schock-Raum": Hat das Unfallopfer innere Verletzungen? von s: Kerstin Sauer
Angespannte Gesichter im "Schock-Raum": Hat das Unfallopfer innere Verletzungen? © s: Kerstin Sauer

„Das Unfallopfer ist angekommen." Die Spannung im Schock-Raum ist greifbar. Zwei Ärzte, Pfleger und Schwestern stehen bereit, um den jungen Mann in Empfang zu nehmen. Schwerer Unfall. Undefinierbare Schmerzen im Bauchraum. Außerdem entsetzliche Schmerzen im rechten Arm und linken Bein. Das Team ist bereit. Aufmerksam. Konzentriert. In diesem Moment bringen die Rettungssanitäter den Verletzten herein.


Drama im Altenhundemer St.-Josefs-Hospital? Zum Glück nicht. Die Situation ist simuliert. Unter dem Titel „Black Box Krankenhaus“ hat das Hospital Interessierte zu einem Blick hinter die Kulissen eingeladen. Dr. Reinhard Schröder, ärztlicher Direktor des Josef-Hospitals, erklärt: „Das ist eine von vielen Aktionen, die wir im Jahr unseres 125-jährigen Bestehens für die Öffentlichkeit organisieren.“ Knapp 20 Frauen und Männer nehmen teil. Und tauchen ein in das, was für viele Menschen eine schreckliche Ausnahme, für die Mitarbeiter des Krankenhauses jedoch alltägliches Geschehen ist.
Der junge Mann stöhnt vor Schmerzen. Ein dicker Verband ist um seinen Kopf gewickelt, aus dem Blut sickert und die Schläfe hinunter fließt. Eine Halskrause stützt seinen schmerzenden Nacken. Infusionsnadeln – von den Rettungssanitätern fachmännisch angebracht – stecken in seinem Arm.
Sanitäter informiert
Ein Sanitäter gibt detailliert Auskunft: „Autounfall, er klagt über Schmerzen im Bauchraum, Arm und Bein wahrscheinlich gebrochen. Keine Allergien, die Angehörigen sind noch nicht benachrichtigt.“ Die zuständige Ärztin Dr. Ines Rentrop nimmt jede Information auf, während sie den Patienten schon untersucht.
„Wir möchten den Klinikbetrieb transparent machen“, erklärt Dr. Schröder. Ängste nehmen, Vertrauen stärken. Ihm zur Seite stehen Verwaltungsleiter Christof Blume, Pflegedienstleiter Matthias Menke, Qualitätsmanager Volker Knie und Thomas Klur, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit. Der Titel „Black Box Krankenhaus“ sei passend: Über die Abläufe in einem Krankenhaus, die Arbeit hinter den Kulissen – angefangen in der Verwaltung bis auf die Stationen – wisse die Öffentlichkeit wenig. Das soll sich heute ändern. Dr. Ines Rentrop beugt sich über den Patienten, der nur leise, gepresste Antworten auf Ihre Fragen gibt. „Ist Ihnen schwindelig? Spüren sie ein Kribbeln in den Armen? Nehmen Sie regelmäßig Medikamente ein?“
Mit Hilfe einer Schere
Derweil zerschneiden ihre Mitarbeiter das T-Shirt des Mannes, danach das linke Hosenbein – beim Versuch, beides auszuziehen, hatte er mit schmerzverzerrtem Gesicht aufgeschrien. Ebenso wie in dem Moment, als die Ärztin seinen Bauch abtastet. „Arm und Oberschenkel werden gebrochen sein“, sagt die Ärztin. Die Frakturen lassen sie aber erstmal außer Acht – wichtiger ist, die Schmerzen im Bauchraum zu definieren: „Denn das kann lebensgefährlich sein“, weiß Dr. Rentrop. Die Ultraschall-Untersuchung zeigt aber: Es besteht erstmal keine akute Gefahr für den Patienten.
In den Schock-Raum kommt jeder Notfall, wie Dr. Schröder erklärt, als erstes. Der Raum ist groß. Muss er auch sein: Zahlreiche Ärzte, Mitarbeiter, Rettungssanitäter und der Patient müssen genug Platz haben. Außerdem die medizinischen Geräte, darunter ein Beatmungsgerät, ein Defibrillator und ein Ultraschallgerät. Dr. Schröder: „Wir können im Notfall sogar einen Luftröhrenschnitt machen.“
CT und Röntgen
Das ist bei dem jungen Mann glücklicherweise nicht nötig. Er muss jetzt ins CT, danach zum Röntgen. Immer wieder fragen Ärzte, Pfleger und Schwestern, wie es ihm geht. Die Antworten kommen leise.
Stimmen die Vermutungen der Ärztin, sind Arm und Oberschenkel wirklich gebrochen, muss er unglaubliche Schmerzen haben. Und tatsächlich: Während die Computertomographie bestätigt, dass keine lebensgefährliche Verletzung im Bauchraum vorliegt, zeigen die Röntgenbilder, die Dr. Schröder kurzerhand an das Fenster geheftet hat: Arm- und Oberschenkelknochen sind komplett durchgebrochen. Der junge Mann muss sofort operiert werden – alles in einem Aufwasch. Selbst nach Jahrzehnten in diesem Beruf lassen Situationen wie diese Dr. Reinhard Schröder nicht kalt. „Natürlich muss man im Laufe der Jahre eine Art Routine entwickeln“, sagt der Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie – und Visceralchirurgie. „Sonst ist diese Arbeit gar nicht machbar.“ Jeder neue Fall, so weiß er, berührt ihn und seine Kollegen. Vor allem, wenn Kinder betroffen sind: „Das ist besonders schlimm und nimmt einen stark mit.“
Operation
Mit dem Aufzug, Ärzte und Pfleger an seiner Seite, wird der verunglückte Mann in den dritten Stock gefahren – zum OP, der direkt neben der Intensivstation liegt.
Alles geht schnell: Das Krankenhaus-Team zieht sterile Kleidung über. Die 20 Besucher auch. Der Blick in den Operationssaal bleibt ihnen jedoch verwehrt: Sterilisation und Sauberkeit werden im St.-Josef-Hospital groß geschrieben, vor allem mit Blick auf die gefährlichen Krankenhaus-Keime. Was also im OP und anschließend auf der Intensivstation mit dem Patienten geschehen könnte, bleibt der Phantasie der Besucher überlassen.
Doch alle danken herzlich für die Einblicke der vergangenen zwei Stunden. Auch Thomas Klur ist mit dem Tag zufrieden: „Das Problem für die Öffentlichkeitsarbeit eines Krankenhauses ist, dass es bei vielen Menschen mit negativen Erfahrungen oder Emotionen verbunden ist. Es war uns eine Herzensangelegenheit, den Klinikbetrieb transparent zu machen und zu zeigen, dass wir hier viele gute Momente erleben und auch viel miteinander lachen.“ Und das ist gelungen.
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