Verändert Sparen die Kommunalpolitik?

Interview mit Professor Lars Holtkamp von der Fernuniversität Hagen zum Thema "Haushaltssicherung"


  • Kreis Olpe, 31.08.2015
  • Von Kyrosch Alidusti
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    Redaktion

Professor Holtkamp
Professor Holtkamp

Haushaltssicherungskonzept. Für die Kommunen, die nicht davon betroffen sind, ist es ein Damoklesschwert, das droht niederzusausen, sobald man nicht aufpasst. Städte und Gemeinden, die schon Bekanntschaft damit geschlossen haben, fühlen sich gegängelt. Was ist das Konzept? Und welche Möglichkeiten bleiben den Kommunen? Darüber sprach LP mit Lars Holtkamp von der Fernuniversität Hagen. Dort ist er Professor für Politik und Verwaltung und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Situation der Städte und Gemeinden.


LP: Professor Holtkamp, was ist das Haushaltssicherungskonzept (HausiKo) ?

Holtkamp: Das HausiKo soll Kommunen, deren laufenden Einnahmen nicht deckungsgleich mit den Ausgaben sind, helfen, den Ausgleich wieder zu erreichen. Das ist vergleichbar mit dem Dispo eines Privatmannes: Ist man tief im Minus, wird erwartet, dass man es irgendwann schafft, das Konto wieder auszugleichen. Dieser Ausgleich soll bei der Kommune mittels eines HausiKo erreicht werden. Die Kommune soll zeigen: Wir kommen innerhalb von fünf bis zehn Jahren durch Spaßmaßnahmen aus dem Minus raus.

LP: Aber unter Aufsicht?

Holtkamp: Man steht unter Aufsicht. Das heißt, das HausiKo muss von der Aufsichtsbehörde genehmigt werden. Meistens geschieht das mit zumindest informell vorgetragenen Auflagen, häufig einhergehend mit der Erhöhung von Steuern und Abgaben.

LP: Verändert das HausiKo in der Praxis die Entscheidungsstruktur innerhalb der Verwaltung und Politik?

Holtkamp: Häufig. Man kann feststellen, dass mit der Aufsichtsbehörde verhandelt wird. Es gibt gesetzliche Vorgaben für ein HausiKo, aber jeder Kämmerer versucht natürlich mit der Aufsicht darüber zu diskutieren, welche Maßnahmen darin wirklich nötig sind, um das HausiKo genehmigt zu bekommen. Genauso gilt das für verschiedenen Investitionsmaßnahmen. Das führt natürlich dazu, dass Kämmerer oder auch Bürgermeister eine höhere Machtposition bekommen, sie können mehr oder weniger „Stille Post“ spielen. Sie können dem Rat vortragen, die Aufsichtsbehörde habe dies gesagt oder das gesagt. Aber in der Regel kann das niemand nachprüfen, weil die Aufsichtsbehörde ihre Empfehlungen nicht schriftlich herausgibt.

LP: Ein hiesiger Bürgermeister hat Ihren Kollegen Professor Junkernheinrich mit den Worten zitiert: „Herrscht vor Ort ein intensiver Parteienwettbewerb, führt da zu höheren Haushaltsdefiziten.“ Teilen sie diese These?

Holtkamp: Ja. Wir haben die These inhaltlich untersucht und sie hat sich bei allen Kommunen als auch bei unseren Fallbeispiel-Kommunen, in denen wir Interviews geführt haben, bewahrheitet. Daraus muss man aber nicht unbedingt negative Schlüsse aus dem Parteienwettbewerb ziehen. Tatsache ist aber, dass er bestimmte Kosten produziert. Dort wo ein Parteienwettbewerb herrscht, wird die Opposition immer versuchen Konsolidierungen zu torpedieren, um bei der nächsten Wahl, daraus Kapital herauszuschlagen.

LP: Sind verschiedene Ansätze nicht Sinn und Zweck von Politik?

Holtkamp: Das kommt darauf an, welches Bild man von Kommunalpolitik hat. Kommunalpolitik ist aus unserer Perspektive etwas anderes als Landes- oder Bundespolitik, das heißt die rechtlichen Rahmenbedingungen sind deutlich einschränkender. Wir haben weniger Haushaltsspielräume. Da stellt sich die Frage, wie man damit umgeht. In Baden-Württemberg ist es beispielsweise so, dass es in vielen Kommunen keinen ausgeprägten Parteieinwettbewerb gibt. Der Bürgermeister versucht die Ratsmitglieder zu überzeugen und den Haushalt im Konsens aufzustellen. Das hat natürlich den Vorteil, dass keiner aus der sogenannten Opposition später dagegen angehen kann.

LP: Ist das nicht eine Aushöhlung der Demokratie?

Holtkamp: Es gibt immer eine Aushöhlung, wenn der Druck groß wird. Wir haben es in Nordrhein-Westfalen mit einer Aufsicht zu tun, die extrem in die kommunale Selbstverwaltung eingreift. Unter diesem Druck stellt sich die Frage, wie eine Kommune sich verhalten sollte, und da gibt es eben mehrere Möglichkeiten. Eine Möglichkeit ist zu sagen: Wir erkennen den Bürgermeister und den Kämmerer als Fachexperten an und halten uns als Ratsmitglieder zurück, um aus dieser schwierigen Situation herauszukommen. Es gibt natürlich auch Leute, die sagen: Die Kommunen wurden ausgeblutet und haben kein Geld bekommen, jetzt kann es nicht sein, dass die letzte öffentliche Infrastruktur verkauft, der Bürger mit immer höhere Steuern belastet wird, aber faktisch immer weniger Angebote existieren.

LP: In Ihrem Aufsatz „Kommunale Haushaltspolitik bei leeren Kassen“ schreiben sie von krisenerprobten Strategien jenseits des Spardiktats. Welche Strategien gibt es da?

Holtkamp: Die Strategie ist relativ einfach. Man muss überlegen: Was kann denn passieren? Und gerade im Kreis Olpe ist die Haushaltslage der Kommune noch relativ positiv, so dass man sich sehr gut überlegen kann, ob man ein HausiKo macht, aber dabei auch sagt: Wir wollen zum Beispiel nicht privatisieren, um einen politischen Schwerpunkt zu setzten. Im schlimmsten Fall wird das HausiKo nicht genehmigt. Das hat nur zur Folge, dass man keine neuen Aufgaben begründen darf - aber die Aufsicht kann niemanden dazu zwingen, zum Beispiel das letzte Schwimmbad zu schließen, weil das ein zu tiefer Eingriff in die Selbstverwaltung wäre. Man kann sich, wie das einige Kommunen gemacht haben, im Nothaushaltsrecht einrichten. Diese Kommunen sagen: Uns werden unsere Haushaltssicherungskonzepte zwar nicht immer genehmigt, wir erhalten trotzdem eine bestimmte Infrastruktur und versuchen, diese dem Bürger für einigermaßen erträgliche Steuern und Eintrittspreise zu bieten.

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