Positiv gestimmte Industrie

Konjunkturumfrage der IHK: Situation besser als erwartet / Warnung vor Risiken


IHK-Geschäftsführer Klaus Gräbener. von Sven Prillwitz
IHK-Geschäftsführer Klaus Gräbener. © Sven Prillwitz

„Selten äußerten heimische Unternehmen derart gespaltene Konjunktureinschätzungen wie derzeit. Sowohl innerhalb einzelner Branchen als auch zwischen beiden Kreisen gibt es stark gegenläufige Entwicklungen. Im Kreis Olpe vermelden die Automobilzulieferer überwiegend „eitel Sonnenschein“. In den für die Siegerländer Wirtschaftsstruktur relevanten Unternehmen des Maschinenbaus sowie der Gießereien überwiegen massive Sorgen und im Wittgensteiner Land herrscht ein ausgeprägter, wenn auch nicht überschäumender Grundoptimismus.“ Mit diesen Worten fasste IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener die Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage zusammen, an der sich erneut über 480 Unternehmen beteiligten.


Der Konjunkturklimaindex stieg zum Jahresbeginn gegenüber dem Herbst 2015 um fünf auf nunmehr 117 Punkte an. Sowohl Lage also auch Erwartungen werden besser eingestuft als im vergangenen Jahr: Deutlich mehr als ein Drittel aller Unternehmen stuft die Lage als gut ein, ein Viertel aller Betriebe erwartet künftig Steigerungen. Vor allem die Bauunternehmen, aber auch Handel und Dienstleitungen zeigten sich durchaus zufrieden. Der extrem gesunkene Ölpreis wirke vorwiegend wie ein „Konjunkturdoping“. Auch der gegenüber dem Dollar sehr niedrige Eurokurs und die historisch tiefen Zinsen förderten die Geschäfte. „Ein geliehener Aufschwung, der verschleiert, dass die Unternehmen im Inland zu wenig investieren. Ein von kräftigen Investitionen in der Heimat getragener Aufschwung fühlt sich jedenfalls anders an. Das Strohfeuer könnte bald verpuffen“, fügte Klaus Gräbener hinzu: „Die weltweiten Überkapazitäten auf den Stahlmärkten werden uns schneller auf den Boden der Tatsache zurückholen als uns dies lieb sein kann. Wir erwarten hier eine länger andauernde Seitwärtsbewegung auf niedrigem Niveau. Und die Firmen, die damit umzugehen haben, spielen zumindest im Siegerland für die Gesamtbeschäftigung eine erhebliche Rolle.“
Spitzenauslastungen bei vier von zehn Industriebetrieben
Dennoch schätzten die regionalen Unternehmen alles in allem gesehen ihre Ertragslage besser ein als zuvor. Immerhin 43 Prozent der Industriebetriebe melden Spitzenauslastungen (über 85 Prozent). Auch die Bauindustrie ist trotz Wintersaison gut beschäftigt. Im Großhandel ist die Stimmung nach dem Dämpfer im vergangenen Herbst wieder deutlich positiver. Bei Einzelhändlern und Dienstleistern verläuft die Konjunktur auf relativ hohem Niveau, allerdings jetzt in etwas bescheideneren Bahnen. IHK-Konjunkturexperte Stephan Jäger: „Die Rahmenbedingungen für den Konsum sind nach wie vor gut: die Arbeitslosigkeit ist niedrig, die Realeinkommen legten weiter zu, niedrige Zinsen und gesunkene Ausgaben für Öl und Kraftstoffe eröffnen den Privatleuten Ausgabespielräume.“ Zugleich bestünden erheblich gestiegene Konjunkturrisiken, insbesondere für das Auslandsgeschäft: Chinaschwäche, sich ausweitende geopolitischen Krisen, Terrorgefahren, wachsende Sorgen und europäischen Uneinigkeiten im Zuge der Flüchtlingskrise, tatsächliche und befürchtete Beeinträchtigungen im europäischen Warenverkehr sowie zunehmende Unabwägbarkeiten für die gesamte Weltwirtschaft.
Niedriger Ölpreis als hohes Risiko
Auch die Aussagen zu den Aufträgen aus In- und Ausland können nicht wirklich überzeugen: Die Salden aus positiven und negativen Einschätzungen haben zugelegt, bleiben aber im negativen Bereich. Es sei nicht alles Gold, was glänzt, erläuterte Stephan Jäger: „Der niedrige Ölpreis schwächt Kunden und Länder, die vom Öl abhängig sind. Das spüren einige regionale Branchen schon jetzt sehr deutlich. Auf Dauer wird ein extrem niedriger Ölpreis zu einem hohen Risiko für die gesamte Weltwirtschaft. Auch die niedrigen Zinsen sind zum Beispiel für Finanzdienstleister eine große Herausforderung.“ Trotz positiver Gesamtaussage läuft es laut IHK in manchen Zweigen alles andere als rund: etwa im „stahlnahen Bereich“ und bei den Lieferanten für die Grundstoffindustrie. Sinkende Rohstoffpreise sowie Krisen in vielen Schwellenländern, etwa in Brasilien, erschwerten zusätzlich die Geschäfte. All das merkten momentan vor allem Hersteller von Stahl- und Walzwerken und andere Investitionsgüterhersteller in diesem Bereich. Die regionalen Maschinenbauer schätzten die Auftragseingänge aus dem Ausland insgesamt deutlich ungünstiger ein als im vergangenen Herbst. Allein durch Auslandseinbußen von knapp 25 Prozent im Maschinen- und Anlagenbau im vergangenen Jahr sei das regionale Exportvolumen der Industrieunternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten gegenüber 2014 um insgesamt 2,3 Prozent geschrumpft – obwohl die anderen wichtigen Industriezweige überwiegend positiv bilanzierten. Insgesamt sei der regionale Industrieumsatz in 2015 allerdings auf hohem Niveau.
Grenzkontrollen ein Nachteil für die Industrie
Positivere Stimmen kommen aus dem Automotive-Sektor, von den Kunststoff verarbeitenden Unternehmen und der baurelevanten Produktion. Durch die unterschiedlichen Wirtschaftsstrukturen in den Teilregionen fällt infolgedessen die aktuelle Stimmung der Industrie im Kreis Olpe deutlich besser aus als im Kreis Siegen-Wittgenstein. Aber auch dort würden erhebliche politische Risiken wahrgenommen. Klaus Gräbener: „Nicht auszudenken, wenn wieder flächendeckend Grenzkontrollen eingeführt würden. Unsere Industrie exportiert viel. Sie wäre davon also besonders betroffen. Wer die heimische Beschäftigung sichern will, sollte daher in der Flüchtlingsdebatte keine allzu hohen Zäune an den Grenzen fordern.“ (LP)
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