Nahost-Expertin fordert Hilfen für Menschen in Lagern

Dr. Antonia Rados beim Volksbank-Forum: Nur humanitäre Lösung im Krisengebiet kann Flüchtlingsströme stoppen


 von s: Rüdiger Kahlke
© s: Rüdiger Kahlke

Die einzige Lösung, die Flüchtlingsströme aus dem Nahen Osten zu stoppen, „ist eine humanitäre“. Das war die Botschaft von Dr. Antonia Rados beim 26. Volksbank-Forum am Donnerstagabend. Die Politologin ist als Journalistin in Nahost unterwegs und eine profunde Kennerin der arabischen Welt. Vor 500 Gästen im ausverkauften Saal des PZ Meggen hatte Michael Griese, Vorstand der Volksbank Bigge-Lenne eG, die Referentin und ihr Thema „Die arabische Welt im Umbruch – Hoffnung oder Gefahr?“ vorgestellt.


Der Volksbank-Chef war dabei auf die aktuelle Flüchtlingssituation eingegangen, aber auch auf den arabischen Frühling, der vielen Hoffnung auf mehr Freiheit gemacht habe. Genau diese Hoffnung haben viele Menschen in der arabischen Welt nicht mehr, so Rados am Rande des Forums im Journalisten-Gespräch. Sie seien enttäuscht von ihren Führern. Den Flüchtlingsstrom sieht sie auch als eine „Abstimmung mit den Füßen“. Die Mehrheit der Araber sei gemäßigt, wolle ein Leben führen, dass ihnen und ihren Kindern eine Zukunft bietet. Europa, speziell Deutschland, seien nicht das Ziel, um soziale Standards zu nutzen. Die Referentin betonte: „Es gibt die Idee der Freiheit.“
Versäumnisse der internationalen Gemeinschaft
Dass sich jetzt so viele auf dem Weg machen, sieht sie als Folge der Versäumnisse der internationalen Gemeinschaft. Die Türkei habe viele Bürgerkriegsflüchtlinge aufgenommen. Das sei schnell und gut organisiert mit internationaler Hilfe geschehen. Als Problem sieht die Journalistin, dass man „sich an die syrische Krise gewöhnt hat“. Die Unterstützung für internationale Hilfsorganisationen „ist massiv eingebrochen. Das ist der Grund, warum sich so viele Familien auf den Weg machen.“ Nach vier, fünf Jahren Krieg und dem Auftreten des IS (Islamischer Staat) hätten sie zudem die Hoffnung verloren, wieder zurück in ihre Region zu können.
Gerade die jungen Menschen wollten eine Zukunft haben. Und die hätten sie auch in den Lagern der Türkei nicht mehr gesehen. Die digitale Technik und sozialen Netzwerke sorgen zudem dafür, dass jeder jederzeit gut informiert ist, was wo passiert. Darauf stellten sich die Menschen ein und sie handeln entsprechend.
Araber vertrauen Deutschland
Mit seiner zurückhaltenden Politik habe sich Deutschland, anders als westliche Großmächte, im Nahen Osten nicht diskreditiert. Das Land genieße Ansehen und Vertrauen in der arabischen Bevölkerung. Das derzeitige Chaos sei auch von den USA durch den Irak-Krieg 2003 und die daraus folgende Destabilisierung mit forciert worden. Einen weiteren Grund sieht die Nahost-Journalistin im Syrien-Krieg. Ohne den „würde es keinen Islamischen Staat geben“.
Eine Lösung kann sich Antonia Rados, die für ihre Reportagen aus den Krisengebieten mehrfach mit Preisen ausgezeichnet worden ist, nur vorstellen, wenn die Europäer Politik in Nahost machen. Ein Schlüssel liege darin, die Flüchtlinge rund um Syrien so zu „unterstützen, dass sie etwas haben, das man als Leben bezeichnen kann.“ In Syrien müssten Teile des Landes, die nicht unter Kontrolle Assads oder des IS sind, aus der Luft befriedet werden, „dass die Leute zurück können.“ Antonia Rados verwies darauf, dass solche „humantären Korridore“ auch den Kurden im Nordirak geholfen hätten, ihr Gebiet wieder aufzubauen und zu entwickeln. „Das Chaos hört nicht von selbst auf. Es breitet sich aus, wenn man keine Politik macht“, mahnte die Nahost-Expertin.
Abwarten wird teurer
Angesichts der Tatsache, dass Russland und die US unterschiedliche Interessen verfolgen und der Nahe Osten derzeit keine Priorität für die USA habe, seien die Europäer gefordert, so ihre Botschaft, Vier Millionen Syrer lebten bereits außerhalb ihres Landes. Dazu kämen Iraker und Afghanen, die auf der Flucht seien. Wenn Ägypten auch noch zusammenbreche, „dann ist die eine Millionen Flüchtlinge nichts“, sagte Dr. Rados. Ihr Fazit: „Alles kostet. Je länger man wartet, desto teurer wird es.“
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