Geschätzte Politiker: So geht es nicht weiter...

LP-Kommentar vor dem Bund-Länder-Gipfel


Topnews
 von Grafik: Sarah Menn
© Grafik: Sarah Menn

Sehr geehrte(r) Frau Gebauer, Herr Laschet, Frau Merkel,


ich wende mich an Sie von der Basis, von der Sie ja doch ein wenig entfernt sind: als berufstätige Mutter, deren Kinder sich seit Monaten durch das Homeschooling wühlen, wohnhaft in einem Ort, in dem schon Geschäfte schließen mussten, in dem Einzelhändler, Gastronomen und kulturelle Einrichtungen um ihre Existenz kämpfen.

Nein, tauschen möchte ich mit Ihnen nicht. Nach Monaten des Lockdowns, aber mit immer noch recht hohen Inzidenzwerten den richtigen Weg zu finden – nicht einfach. Aber, verehrte Entscheidungsträger der Politik: So geht es definitiv nicht weiter.

Oben geschmiedet, unten umgesetzt

Fange ich bei dem Thema an, das mir persönlich sehr am Herzen liegt: die Schulen. Da werden ganz oben Pläne geschmiedet, die vor Ort umgesetzt werden müssen. Mal ehrlich, geschätzte Damen Gebauer und Merkel, verehrter Herr Laschet: Sie sind fein raus, weil Sie weit genug weg sind.

Löblich, dass Kitas und Grundschulen wieder teilweise öffnen, Abschlussschüler wieder gehen dürfen. Der (nachvollziehbare) Frust von Eltern und Schülern aber, denen keine Perspektiven geboten werden, wann es weitergehen könnte, trifft die Schulen und damit die Lehrer vor Ort ungefiltert.

Und wie könnte er auch nicht? Denn was hier von den Kindern, Eltern, und ja: auch von den Lehrern seit Wochen verlangt wird, führt inzwischen viele an ihre Grenzen.

Treffpunkt Supermarkt

Apropos Grenzen: Diejenigen, die beim Einzelhandel und in der Gastronomie gezogen wurden – ein Witz in der Realität einer Familienmutter, die regelmäßig im Supermarkt einkaufen geht. Da drängele ich mich durch Regalreihen, ständig knallt mir ein fremder Einkaufswagen in die Fersen, bevor ich in der langen Schlange an der Kasse stehe.

Verständlich, dass der Supermarkt gut frequentiert wird. Neben Lebensmitteln bekomme ich hier Klamotten, Blumen, Deko und sogar Baumaterialien.

Wo sind die Perspektiven?

Aber der Modeladen im Zentrum? Weiterhin geschlossen. Das Bistro um die Ecke? Zutritt verboten. Das Kino, das Theater, der Baumarkt – zu. Gerade da, wo man die Anzahl von Kunden und Besuchern mit Konzepten im Griff halten könnte, wo man mit Terminvergaben, genügend Abstand, gesperrten Umkleidekabinen und abgezählten Einkaufswagen arbeiten könnte, bieten Sie, geschätzte Politiker(innen), (noch) keine Perspektiven.

Sehr verehrte Entscheidungsträger der Politik: Das Nervenkostüm wird dünner, die Zündschnur kürzer, die Motz-Mentalität nimmt Überhand. Menschen bangen um ihre Existenzen. Geschäfte und Kultureinrichtungen kämpfen ums Überleben. Familien stoßen an ihre Grenzen.

Multitasking? Es reicht!

Ja, auch hier, auf dem Land, wo die Welt „noch in Ordnung“ ist und wo es uns, keine Frage, noch weitaus besser geht als anderswo. Aber, liebe Damen Gebauer und Merkel, lieber Herr Laschet: Auch wenn Frauen bekanntermaßen Multitasking-fähig sind - nach Monaten als Mama, Hausfrau, Vertretungs-Oma-und-Opa, Lehrerin, Psychologin, Animateurin, Spielkamerad, Kummerkasten, Seelentröster, Putzfrau, Köchin, Chauffeurin, Punching-Ball, Fußabtreter, Controllerin und Unternehmensführerin: Es reicht. Die Luft ist raus, der Akku ist leer.

Der Weg mag noch lang sein – aber wenn Sie wollen, dass wir ihn schaffen, sorgen Sie doch zumindest mal für ein kleines Licht am Ende des Tunnels.

In diesem Sinne grüßt Sie

Kerstin Sauer

Artikel teilen: