Forum zur Flüchtlingspolitik

Dilemma für Kommunen: Schnellere Asylverfahren bedeuten höhere Sozialkosten


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Dr. Matthias Heider hatte Landräte und Bürgermeister aus seinem Wahlkreis zum 7. Forum über kommunale Finanzen in die Volksbank nach Attendorn eingeladen (links VB-Chef Michael Griese, rechts BAMF-Abteilungsleiter Joachim Köhn). von s: Rüdiger Kahlke
Dr. Matthias Heider hatte Landräte und Bürgermeister aus seinem Wahlkreis zum 7. Forum über kommunale Finanzen in die Volksbank nach Attendorn eingeladen (links VB-Chef Michael Griese, rechts BAMF-Abteilungsleiter Joachim Köhn). © s: Rüdiger Kahlke

Ein Problem wird gelöst, ein neues zeichnet sich ab. Mit dem Abbau der Warteschleife bei den Anerkennungsverfahren für Flüchtlinge kommen ab 2017 auf die Kommunen und Kreise steigende Kosten für die Unterbringung der Flüchtlinge mit Bleiberecht zu. Das wurde in der Volksbank Attendorn deutlich, zu dem MdB Dr. Matthias Heider Bürgermeister und Landräte aus seinem Wahlkreis (Olpe und Märkischer Kreis Süd) eingeladen hatte.


„Zukünftige Finanzierung kommunaler Aufgaben“ war das Thema des 7. Forums. Heider gab einen kurzen Überblick über die wirtschaftliche Entwicklung, die insgesamt positiv sei, in NRW aber abweiche. Für Südwestfalen machte der CDU-Abgeordnete einen Rückgang der Arbeitslosigkeit „in schwierigem Umfeld“ aus. Er warnte davor, die Kommunen weiter zu belasten, die ihrerseits gezwungen würden, die Gewerbesteuer-Einnahmen zu erhöhen. Das werde letztlich zur Standortfrage und schade der Prosperität.
Dr. Heider: Mittel für Verkehrswege wie in den nächsten 50 Jahren nicht
Als positiv bewertet Dr. Heider den geplanten Ausbau der Verkehrswege. Mittel in derzeit vorgesehenem Umfang für Autobahnen, Ortsumgehungen und Ruhr-Sieg-Bahn seien in den nächsten 50 Jahren in dem Umfang nicht mehr zu erwarten. Mit Blick die Flüchtlinge – Hauptthema am Mittwochnachmittag – bedauerte Heider, dass nicht alle Möglichkeiten genutzt würden. Es müssten Fehlanreize vermieden und die Eigenverantwortlichkeit der Flüchtlinge gestärkt werden. Das sei aber auch Ziel des von der Koalition gerade in Klausur verabschiedeten Integrationsgesetzes. Zuvor hatte Volksbank-Vorstand Michael Griese als Hausherr die Gäste begrüßt und auf die Bedeutung von Vertrauen in Zeiten starker Veränderungen hingewiesen. Die Volksbank sei ein Stabilitätsanker. Das Geschäftsmodell sei auf Nachhaltigkeit und Stärkung der Region ausgelegt und nicht darauf, den „Verlockungen des Kapitalismus“ zu erliegen. Griese betonte, dass die Volksbanken ohne staatliche Förderung wirtschaften.
Landrat Gemke: Freiwillige Ausreise besser als Abschiebung
Thomas Gemke, Landrat des Märkischen Kreises, führte mit dem Impuls-Referat „Vollzug der Abschiebungen“ in den Themenschwerpunkt ein. Abschiebungen seinen für keinen der Beteiligten angenehm, aber „letztes Mittel“, das der Rechtsstaat gegenüber jenen anwenden könne, die kein Bleiberecht haben. „Krank, Pass verloren, abgetaucht“, sind laut Gemke immer wieder Hindernisse, wenn Betroffenen die Abschiebung frühzeitig bekannt würden. Das zöge Verfahren in die Länge. „Je länger jemand hier ist, desto besser die Bleibeperspektiven“, schilderte der Landrat die Praxis. Allein im Märkischen Kreis gebe es 600 unerledigte Verfahren von Schutzsuchenden aus Rest-Jugoslawien. Gemke forderte, alles zu tun, „nicht abschieben zu müssen“. Wo das nötig sei, sei aber auch Konsequenz nötig. Er wünschte sich dabei mehr Rückendeckung durch die Landesregierung.
Der Olper Landrat Frank Beckehoff beschäftigte sich mit dem Thema „Integration und flüchtlingsbedingte Mehrkosten“. Er betonte die Notwendigkeit einer zügigen Integration, damit „aus Leistungsempfängern gut integrierte Steuerzahler“ werden. Auf 450 Millionen Euro würden allein die Kosten für Unterkunft der Flüchtlinge mit Bleiberecht in Nordrhein-Westfalen geschätzt. Das oft niedrige Bildungsniveau führe dazu, dass nur die Hälfte der Flüchtlinge nach fünf Jahren selbst für sich sorgen könne. Ansonsten sind Kreise und Kommunen für die Unterbringung in der Pflicht. Es könne nicht sein, dass die Kommunen durch Steuererhöhungen diese Kosten tragen und damit ihre wirtschaftliche Attraktivität einbüßen würden.
Landrat Beckehoff weist auf Crux hin: Schnellere Verfahren belasten Kommunen
In der anschließen Diskussion verdeutliche Beckehoff nochmals die Crux: Beschleunigte Verfahren bringen Kommunen die Leistungsbezieher, die sie bei den Sozialkosten belasten. Der Bund müsse mehr Kosten als bisher übernehmen, forderte der Olper Landrat.
Zuvor hatte Joachim Köhn, Abteilungsleiter im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), davor gewarnt, in den derzeit niedrigen Flüchtlingszahlen schon einen Trend zu sehen. Nach Sperrung der Balkan-Route brauchten Schlepper „drei, vier Monate, um andere Wege zu finden“. Das BAMF rechnet mit einer halben Millionen Flüchtlinge in diesem Jahr. Eine Aufstockung beim Personal soll helfen, aufgelaufene Fälle zügig abzuarbeiten. Der Stau und die lange Verfahrensdauer waren vielfach kritisiert worden.
Wenn wir mit einer Million offener Fälle in 2017 gehen, dürfte das folgen für den Wahlausgang haben“, sagte Joachim Köhn. Er sieht die Arbeit des BAMF auch als „gesellschaftspolitische Aufgabe“, damit das Flüchtlingsproblem im Wahljahr 2017 nicht zentrales Wahlkampfthema wird. Durch die eingeleiteten Maßnahmen sollen 126.000 anstehende Fälle in Nordrhein-Westfalen, in denen flücht5linge registriert sind, ohne einen Asylantrag gestellt zu haben, bis September abgearbeitet sein. das wurde in der runde positiv aufgenommen. Köhn nannte es als nächstes Ziel, „80 Prozent der Verfahren in drei Monaten zu entscheiden“. Neue Fälle sollen künftig in weniger als drei Monaten bearbeitet.
IHK fordert schnellere Integration
Klaus Gräbener, Hauptgeschäftsführer der IHK Siegen, forderte eine schnellere Integration der Flüchtlinge. Arbeitsmarktpolitische Instrumente müssten früher, nicht erst nach Abschluss des Anerkennungsverfahrens eingesetzt werden. Hürden wie die Vorrangregelung sollten abgebaut werden. Nötig sei zudem „eine Schulpflicht über das 25. Lebensjahr hinaus“, um eventuelle Bildungsdefizite auszugleichen. Zumindest was die finanziellen Ausgleich bei den Kommunen angeht, scheint es Bewegung zu geben. Nach Informationen von LokalPlus will die Kanzlerin Ende Mai mit den Länderchefs erneut über eine Verteilung der Kosten verhandeln.
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