Expertin rät: Ruhe bewahren und den Humor nicht verlieren

LokalPlus-Interview, Teil 2


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In einer Zeit der sozialen Abgeschiedenheit ist es vor allem für Kinder und Jugendliche wichtig, Kontakt zu Großeltern und Freunden zu halten - gerne auch digital via Smartphone oder PC. von Symbol Unsplash / John Schnobrich
In einer Zeit der sozialen Abgeschiedenheit ist es vor allem für Kinder und Jugendliche wichtig, Kontakt zu Großeltern und Freunden zu halten - gerne auch digital via Smartphone oder PC. © Symbol Unsplash / John Schnobrich

Kreis Olpe. Kinder gehen unterschiedlich mit der Krise um - abhängig von Alter und Charakter. Nachsicht und die Unterstützung der Eltern ist da von besonderer Bedeutung, betont Gabi Grosche von der Erziehungs-, Familien- und Schulberatung bei Caritas AufWind in Olpe im zweiten Teil des großen LokalPlus-Interviews.


Ein Ende der Krise ist noch nicht in Sicht: Wird die Situation für Familien schwieriger oder gewöhnen sie sich an die Isolation?

Das wird sehr stark von der weiteren Entwicklung abhängen. Die Ungewissheit, wie lange der derzeitige Zustand anhalten wird, die Schwierigkeit, die Zukunft zu planen, und das Ausmaß der Angst vor den Folgen der Pandemie können wir sicherlich nur einen begrenzten Zeitraum aushalten. Auch die notwendigen Einschränkungen, die wir im Moment erleben, sind massive Eingriffe in unser Leben. Deswegen müssen wir davon ausgehen, dass dieser Zustand nur als Ausnahmezustand zu leben ist.

Der Mensch ist ein sozial orientiertes Wesen. Allerdings zeigt uns die Generation der „digital natives“ bereits, dass eine Anpassung denkbar ist in der Art, dass viele der sozialen Aktivitäten in den Bereich der sozialen Medien und der virtuellen Begegnungsmöglichkeiten verlagert werden. Dennoch beruhigt es mich, dass ich von vielen Kindern und Jugendlichen auch höre, dass es ihnen lieber wäre, wenn sie wieder zur Schule gehen könnten. Denn das zeigt mir, dass die realen sozialen Kontakte auch heute noch nicht aus der Mode gekommen sind.

Wie kann man einen Streit/Konflikt gut beilegen?

Zum Konflikt kommt es häufig dann, wenn zwei unterschiedliche Bedürfnisse aufeinander treffen (Mama will in Ruhe ihre Telefonkonferenz abhalten, Junior will bespaßt werden). Nimmt man sich dann nach Möglichkeit kurz Zeit, hier für Klärung zu sorgen, lassen sich die meisten Konflikte vermeiden („Ich kann  verstehen, dass dir langweilig ist. Das hier dauert noch ein paar Minuten und dann habe ich Zeit für dich.“) .

Manchmal ist aber auch der Streit ein Zeichen der „Überlastung der sozialen Ressourcen“: Dann gilt es, trotz der Enge auf Rückzugs­möglichkeiten und Pausenzeiten für alle Beteiligten zu achten, um die Batterie wieder aufzuladen.
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Ein Blick auf die Kinder und Jugendlichen: Wie gehen junge Menschen mit so einer Situation um – Ängste, Kontaktsperren zu Großeltern, keine persönlichen Kontakte zu Freunden?

Der Umgang mit dieser besonderen Situation ist zum einen altersabhängig, aber auch von Typ zu Typ unterschiedlich. Kleinere Kinder sind noch sehr stark am Kontakt mit den erwachsenen Bezugspersonen orientiert. Da in dieser Altersgruppe die Eltern in der Regel ja jetzt die Betreuung übernommen haben, sind diese noch am wenigsten belastet. Sind hier Großeltern wichtige Bezugspersonen, kann die Trennung schon Auswirkungen zeigen, denen man am ehesten durch Videotelefonie ein Stück weit entgegen wirken kann. 

Kindergartenkindern wurde bereits im Kindergarten versucht, das Geschehen und die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen zu erklären. In diesem Alter entwickeln sich vermehrt Ängste, umso wichtiger ist es, dass die Kinder sich sicher fühlen können. Sicherheit vermitteln Eltern dadurch, dass sie für die Kinder da sind, sich mit ihnen beschäftigen und man auch, soweit dies möglich ist, so weiter lebt, wie die Kinder das kennen. 

Es ist ganz wichtig, den Kindern zu sagen, dass nur ein kleiner Teil der Menschen, die sich anstecken, auch wirklich erkranken, und dass es bei den meisten nicht dramatisch verläuft. 

Wie sieht es mit Schulkindern und Jugendlichen aus?

Kindern sollte die Möglichkeit gegeben werden, mit den Menschen Kontakt zu halten, um die sie sich sorgen, aber auch zu ihren Freunden. Hier bietet Videotelefonie eine gute und für die Kinder meist auch interessante Alternative zum normalen Telefonat.

Jugendliche reagieren unter Umständen noch stärker auf die derzeit herrschenden staatlichen Beschränkungen, die sie unter Umständen als starken Eingriff in ihr Freiheitsverlangen erleben. Gleichzeitig erleben sie ihre Eltern möglicherweise als verängstigt, belastet und mit den eigenen Problemen befasst. Dies kann zu vermehrten familiären Konflikten führen. Hier ist viel Verständnis nötig, insbesondere für das ausgeprägte Bedürfnis, sich mit den Freunden wenigstens über das Smartphone austauschen zu können. 

Stichwort „vernachlässigte Kinder“, die auf Hilfe von Lehrern und Betreuern angewiesen sind: Wie groß ist die Gefahr, dass sie in dieser Krise „auf der Strecke bleiben“?

Die Materialien zu Hause eigenständig zu bearbeiten, ohne eine entsprechende Schulung erfahren zu haben, funktioniert je nach Jahrgangsstufe und Vorbildung der Eltern mehr schlecht als recht. Dazu kommt die ungewöhnliche Lernsituation, an die sich die Kinder erst gewöhnen müssen.

Wir können davon ausgehen, dass einige der Lerninhalte nach Schulwiederbeginn noch einmal dort aufgearbeitet werden müssen, will man verhindern, dass die Bildungs­schere weiter auseinanderklafft. Ich denke aber auch, dass dies allen Beteiligten bewusst ist und dass sich Lösungen finden werden. 

Welchen guten Rat können Sie den Familien abschließend geben?

Als erstes sollte man daran denken, dass die Kinder an uns als Modell lernen, wie man mit Krisensituationen wie diesen umgeht.  Daher ist es wichtig, die Ruhe zu bewahren und die Fakten im Auge zu behalten. Auch wenn es manchmal schwer fällt, sollte man versuchen, in den Einschränkungen auch das positive, also deren Chancen, zu sehen und bei allem Stress sich bewusst zu machen, was alles gut funktioniert, z.B. Familie hält zusammen, Eltern verbringen mehr Zeit mit den Kindern, die Kinder erledigen die zugedachten Aufgaben…

Und am wichtigsten: Nachsicht mit sich selbst und den anderen Familienmitgliedern üben und versuchen, den Humor bei der ganzen Sache nicht zu verlieren, denn der ist aus meiner Sicht immer noch die größte Hilfe in kritischen Situationen.
Kontakt zu Caritas AufWind
Caritas AufWind ist weiterhin an allen Standorten erreichbar, Telefonkontakte sind während der Dienstzeiten möglich. Nähere Informationen, auch zu Online-Beratungen, gibt es im Internet (siehe Link). %%Link[321222](link; text)%%
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