Die Rückkehr des Wolfs: "Bislang keine nachgewiesenen Rudel in NRW"

Informationsveranstaltung in Marmecke


Informierten über den Wolf und die Weidehaltung: Bernd Eichert, Oliver Schneider, Meinolf Henning, Henner Braach, Michael Klemm, Michael Richard und Matthias Kaiser (v.l.) von Ina Hoffmann
Informierten über den Wolf und die Weidehaltung: Bernd Eichert, Oliver Schneider, Meinolf Henning, Henner Braach, Michael Klemm, Michael Richard und Matthias Kaiser (v.l.) © Ina Hoffmann

Kreis Olpe/Marmecke. Der Wolf ist zurück in Nordrhein-Westfalen. Da viele Halter von Weidetieren in Südwestfalen nach Wolfssichtungen verunsichert sind, hatten die Landwirtschaftlichen Kreisverbände Olpe und Siegen-Wittgenstein für Mittwoch, 14. März, zu einer Informations- und Diskussionsveranstaltung zum Thema „Der Wolf und die Weidehaltung im Mittelgebirge“ in die Schützenhalle in Marmecke eingeladen. 200 Zuhörer fanden sich ein.


Nach vereinzelten Wolfssichtungen in Nordrhein-Westfalen sei es wahrscheinlich, dass Rudel auch in Südwestfalen innerhalb der nächsten zehn Jahre heimisch werden könnten. Noch gebe es keine aufgeheizte Stimmung in der Region, denn noch hätten Wölfe hier keine Tiere gerissen. Trotzdem machen sich viele Landwirte Sorgen um die Sicherheit ihrer Tiere. Gerade das Mittelgebirge ist geprägt durch sehr hohe Anteile von Grünland und hängige Flächen. Die Weidehaltung von Schafen, Jungvieh und Mutterkühen ist oft ohne Alternative. 

Nach der Begrüßung durch Michael Richard, den Vorsitzenden des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Olpe, führte Herbert Kranz als Moderator durch den Abend. Referenten aus verschiedenen Bereichen informierten die Zuhörer.
Historie des Wolfs
Dr. Meinolf Henning, Biologe und Wolfskenner aus Hagen, sprach über „Historie, Verbreitung, Verhalten und Biologie des Wolfes“. So informierte er darüber, dass der „Canis lupus lupus“, der Grauwolf, ursprünglich auf der gesamten Nordhalbkugel verbreitet gewesen sei, bevor der Mensch zahlreiche Rudel ausrottete. Heute lebten wieder viele Rudel in den USA, Asien und Osteuropa, von wo die Wölfe auch wieder nach Deutschland zögen.
 von Ina Hoffmann
© Ina Hoffmann
Grund für die erneute Ausbreitung der Tiere sei der hohe Schutzstatus, der den Wölfen heute zukommt. So sei im Washingtoner Artenschutzgesetz, in der Berner Konvention und im Naturschutzgesetz das Jagen von Wölfen streng verboten und werde mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft. Auch die Anpassungsfähigkeit der Wölfe, wildreiche Wälder, die ihnen Nahrung bieten, sowie die Neigung zu Wanderungen seien Gründe für die erneute Verbreitung nach Westen.

Obwohl die Tiere nur selten gesichtet würden, seien beispielsweise überfahrene Wölfe am Straßenrand ein Beweis dafür, dass die Tiere zurückkehren. So wurden in Deutschland seit 2008 insgesamt 230 tote Wölfe aufgefunden. „Westfalen war allerdings nie ein Ballungsgebiet für Wölfe. Es gibt nur vereinzelte Aufzeichnungen über gesichtete oder getötete Wölfe. Der letzte Wolf in Westfalen wurde 1835 erlegt“, so Henning.
Erfahrungsberichte aus Sachsen
Michael Klemm, Limousin-Züchter aus Hartmannsdorf im Erzgebirge, berichtete von den Erfahrungen mit Wolf und Weidewirtschaft in Sachsen. Der Rinderhalter gehört einem Arbeitskreis aus Haltern von Nutztieren an, die mit Wolfsschäden zu kämpfen haben. Er informierte sowohl darüber, was Nutztierhalter im Falle eines Wolfsrisses tun und beachten müssen, als auch darüber, welche Präventionsmaßnahmen gefördert werden, damit die Nutztiere sicher sind. „Das Problem ist allerdings, dass Wölfe sehr einfallsreich sind. Baut man einen höheren Zaun, finden sie Wege, ihn trotzdem zu überspringen, oder graben sich darunter hindurch“, wusste er zu berichten.

So wurden in Sachsen, wo aufgrund der Nähe zu Osteuropa, wo besonders viele Rudel leben, in den letzten 15 Jahren laut Klemm gut 1000 Schafe gerissen. „Schafe gehören zu den am leichtesten zu fangenden Beutetieren für den Wolf. Sie sind eingepfercht und können nicht weg, sie sind klein und zu ihrem Fluchtverhalten gehört es, alle paar hundert Meter stehen zu bleiben“, erklärte der Rinderzüchter. „Und wenn die Wölfe an einem Ort einmal Erfolg hatten, kommen sie immer wieder.“ 
Keine Förderung für Rinderzüchter
Obwohl auch Rinder und vor allem die Kälber immer wieder von Wölfen gerissen werden, gibt es noch keine Fördermaßnahmen für Rinderhalter. „Das bedeutet, dass ich inzwischen 30.000 Euro aus eigener Tasche in den sicheren Weidebau investiert habe. Und trotzdem brechen die Rinder aus Angst aus, wenn ein Wolf in die Weide kommt. Das macht eine Versicherung nicht lange mit, wenn die Tiere dann Schäden verursachen“, so Michael Klemm.

Um die Weide wirklich sicher zu machen, müsste er Gitter in die Erde einlassen, sodass die Wölfe sich nicht unter dem Gatter durchgraben können und mehrere Litzen mit Strom auf verschiedenen Höhen montieren. „Da die Weiden, auf denen meine 650 Tiere grasen, im Winter zu einem Skigebiet gehören, ist das schlichtweg nicht möglich. Letzten August mussten wir die Rinder deshalb im Stall halten, weil durch die Wolfangriffe keine Ruhe in die Herde kam.“
Hinweise werden dokumentiert
Dr. Matthias Kaiser vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen hielt anschließend einen Vortrag zum Status Quo zum Thema „Der Wolf in NRW“. In der im Jahr 2016 gegründeten Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes für Wölfe werden Hinweise auf gesichtete Tiere dokumentiert. Fotos und Videos werden gesichtet und genau untersucht. „Denn vieles, was bei uns ankommt, ist gefälscht oder stammt eigentlich aus ganz anderen Regionen“, so Kaiser.

So galt es im Aufzeichnungsjahr 2016/17, 208 Hinweise zu überprüfen, von denen sich 90 als Falschmeldung herausstellten. Unter den eingegangenen Hinweisen waren nur drei Sichtungen und ein tot aufgefundener Wolf. In den vergangenen zehn Jahren wurden zehn durchziehende Einzeltiere gesichtet, deren Weg nachvollzogen werden konnte. „Es gibt noch keine nachgewiesenen Rudel in NRW. Zudem hielten sich die gesichteten Tiere auch bisher nur an den Rändern des Bundeslandes auf“, fasste Matthias Kaiser zusammen.
Management-Plan für Umgang mit Wölfen
Trotzdem hat man bereits vor zwei Jahren vorsorglich den „Wolfsmanagementplan NRW“ aufgestellt. In diesem Handlungsleitfaden finden Tierhalter Informationen, welche Präventionsmaßnahmen möglich sind, welche Institution wofür zuständig ist und vieles mehr.

Stellvertretend für die regionalen betroffenen Landwirte standen Bernd Eichert, Mutterkuhhalter aus Wenden, und Oliver Schneider, Schafhalter aus Netphen, auf der Bühne. Beide sind, wie knapp 80 Prozent der Nutztierhalter im Kreis Olpe, Landwirte im Nebenerwerb. „Zäune einzugraben und viele weitere Präventionsmaßnahmen sind da für uns zeitlich und kostentechnisch gar nicht möglich“, sagte Oliver Schneider.

„Bei einem Öko-Betrieb müssen die Tiere eine vorgeschriebene Zeit auf der Weide verbringen. Wenn auch noch der Wolf kommt und Tiere reißt, wird das schwer umzusetzen“, gab Bernd Eichert zu bedenken.
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