Aktionswoche Alkohol: Mythen und Wahrheit

2,6 Millionen Kinder leben mit einem suchtkranken Elternteil


 von Symbol Nils Dinkel
© Symbol Nils Dinkel

Kreis Olpe. Im Rahmen der Aktionswoche „Kein Alkohol unterwegs“ veröffentlicht LokalPlus bis Sonntag, 21. Mai, täglich Informationen rund um den Themenkomplex Alkoholkonsum und daraus resultierende Gefahren.


Viele Menschen in Deutschland trinken Alkohol. Die meisten wissen zwar, dass Alkohol abhängig machen kann, aber sie verdrängen, wie stark Alkohol der Gesundheit schadet. Stattdessen hält sich die Meinung, Alkohol sei gesund. Oder er wird zum Kulturgut verklärt.Solche Mythen entpuppen sich als pure Schutzbehauptungen.

Ein bisschen Alkohol kann doch nicht schädlich sein.

Falsch.
Richtig: Alkohol ist ein Zellgift, das immer wirkt. Jedes Glas Alkohol erhöht das Risiko, Erkrankungen zu entwickeln. Deshalb spricht man bestenfalls von einer risikoarmen Dosis und nicht von einer risikofreien. Weniger und nicht jeden Tag Alkohol zu trinken ist besser. So kann man gesundheitliche Risiken kleiner halten.

Das Krankheitsrisiko ist deutlich erhöht
  • für Frauen, wenn sie täglich mehr als 12 Gramm reinen Alkohol trinken,
  • für Männer, wenn sie täglich mehr als 24 Gramm reinen Alkohol trinken.
  • 12 bzw. 24 Gramm Alkohol entsprechen etwa 0,3 bzw. 0,5 Liter Bier oder 1/8 Liter bzw. 1/4 Liter Wein mit einem durchschnittlichen Alkoholgehalt.
An mindestens zwei bis drei Tagen pro Woche sollte ganz auf Alkohol verzichtet werden. Diese Grenzwerte gelten nur für gesunde Erwachsene ohne zusätzliches geerbtes oder erworbenes Risiko. Auch gesunde Menschen sollten pro Woche zwei Tage abstinent bleiben. In Deutschland überschreiten 7,4 Millionen Menschen täglich diese Grenzwerte. Sie trinken riskant.
Alkohol schädigt Organge und Nervenzellen
Tabak macht Krebs, aber doch nicht Alkohol.

Falsch.
Richtig: Alkohol erhöht das Risiko an Krebs zu erkranken. Beim Abbau von Alkohol im Körper entsteht Acetaldehyd. Dieses Stoffwechselprodukt ist ein Zellgift und gehört zu den Top zehn der Stoffe, die Krebs auslösen. Die unmittelbar spürbare Wirkung des Acetaldehyds ist der „Alkoholkater“ am nächsten Tag.

Langfristig schädigt Alkohol alle Organe und Nervenzellen. Alkohol verursacht besonders häufig Tumore in der Speiseröhre, der Mundhöhle und dem Rachenraum, an der Leber und im Dickdarm/Enddarm und bei Frauen in der Brust.

Über eine chronische Entzündung und Verfettung der Leber kann Alkohol zu einer so genannten Schrumpfleber führen, die wiederum ein hohes Krebsrisiko darstellt: Frauen, die täglich etwa 20 Gramm Alkohol – ca. 0,25 Liter Wein oder 0,5 Liter Bier – trinken, haben ein um das sechsfach erhöhte Risiko, an dieser auch als Zirrhose bezeichneten Leberschädigung zu erkranken. Bei Männern liegt die Grenze bei täglich etwa 40 Gramm.

In den Industrienationen werden die meisten Leberkrebsfälle durch diese Spätfolge chronischen Alkoholkonsums ausgelöst. Auch das Risiko für Brustkrebs bei Frauen erhöht sich bei Alkoholkonsum in Abhängigkeit von der Dosis in allen Altersgruppen.
Jedes sechste Kind in einer Suchtfamilie
Meine Kinder merken nicht, wenn ich Alkohol trinke.

Falsch.
Richtig: Kinder merken mehr als man denkt. Auch wenn Erwachsene versuchen, den Alkoholkonsum zu verstecken. In Deutschland leben derzeit ca. 2,6 Millionen Kinder unter 18 Jahren in Familien mit mindestens einem suchtkranken Elternteil. Fast jedes sechste Kind kommt aus einer Suchtfamilie. Kinder suchtkranker Eltern haben im Vergleich zu Kindern aus nicht süchtigen Familien ein bis zu sechsfach erhöhtes Risiko, als Erwachsene selbst suchtkrank zu werden.

Wenn ein risikoarmer Alkoholkonsum vorgelebt wird, haben die Kinder gute Chancen, selbst das rechte Maß zu finden. Eltern sind ganz klare Vorbilder. Wenn man achtsam mit sich selber umgeht, können sich Kinder abschauen, wie sich Anforderungen und Ausgleich vereinbaren lassen.
Alkohol kann mehr als 200 Krankheiten auslösen
Komasaufen ist nur ein Jugendphänomen.

Falsch.
Richtig: Alkoholvergiftungen kommen in allen Altersgruppen und allen Gesellschaftsschichten vor. Das gerät in der öffentlichen Diskussion leicht aus dem Blick. Zwar ist ein Anstieg der Krankenhausbehandlungen aufgrund einer Alkoholvergiftung bei Jugendlichen zwischen 2000 und 2014 festzustellen (+ 135,3 %), aber die Mehrheit der Behandlungen betrifft Erwachsene: In 2014 wurden 81 Prozent der Krankenhausbehandlungen wegen akuter Alkoholvergiftung bei über 20-Jährigen durchgeführt.

Rotwein ist gesund und senkt das Risiko für Herzerkrankungen.

Falsch.
Richtig: Es gibt Studien, die feststellen, dass Alkohol das Risiko für Herzerkrankungen senkt. Das gilt aber nur bei sehr geringen Mengen, also bei risikoarmem Konsum. Zudem weisen viele Studien methodische Mängel auf, so dass der ohnehin geringe Effekt wahrscheinlich überschätzt wird.

Wesentlich größer ist dagegen die Gefahr, durch Alkohol krank zu werden: Er schädigt alle Körperzellen und kann über 200 Krankheiten verursachen – sowohl körperliche als auch psychische Krankheiten, inklusive der Krankheit Alkoholabhängigkeit. Der Konsum von Alkohol ist das dritthöchste Risiko zu erkranken und vorzeitig zu sterben. Dieses Risiko kann man vermeiden.
Jährlich 15.000 Alkoholunfälle
Alkohol ist ein Kulturgut.

Falsch.
Richtig: Weinanbau und Alkoholkonsum haben zwar eine lange Tradition in Europa. Aber von Kultur kann man nur sprechen, wenn Alkohol in sehr geringen Mengen, zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten getrunken wird. Alkoholbedingte Verkehrstote und -verletzte, verprügelte Frauen und Kinder sowie Suizide von Jugendlichen sind die Schattenseiten des vermeintlichen Kulturgutes:

In Deutschland geschehen jährlich 15.000 Alkoholunfälle mit Personenschäden im Straßenverkehr. Im Jahr 2014 starben dabei 285 Menschen, über 13.000 wurden leicht und über 5000 schwer verletzt.
Jede dritte Gewalttat unter Alkohol
Fast jede dritte Gewalttat in Deutschland wird unter Alkoholeinfluss begangen. Alkohol ist nicht die Ursache von Gewalt, aber er begünstigt Gewaltausbrüche. Bei häuslicher Gewalt sind die Täter überwiegend Männer und die Opfer Frauen. Um die Gewalt ertragen zu können, beginnen einige Frauen selbst zu trinken und werden dadurch umso leichter Opfer. Kinder und Jugendliche in suchtbelasteten Familien erleben häufiger Gewaltszenen und werden selbst misshandelt oder vernachlässigt.

Vor allem bei starken Trinkern und bei jugendlichen Alkoholkonsumenten ist das Risiko erhöht, dass sie Suizid begehen. Das gilt besonders, wenn sie unter psychischen Problemen wie Depressionen leiden. Annähernd sieben Prozent der alkoholabhängigen Menschen sterben durch Suizid.
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