„Ich kenne viele Gemeinden, in denen es egal ist, wen man liebt“

Lukas Färber zum Outing von Kirchen-Mitarbeitern


  • Kirchhundem, 25.01.2022
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Lukas Färber ist Jugendvertreter beim Synodalen Weg. von Tine Schmidt
Lukas Färber ist Jugendvertreter beim Synodalen Weg. © Tine Schmidt

Rahrbach. Missbrauchsvorfälle, Mitarbeiter der Kirche, die sich outen: Die katholische Kirche steht aktuell in den Schlagzeilen. LokalPlus hat mit dem gebürtigen Rahrbacher Lukas Färber gesprochen, der Jugendvertreter beim Synodalen Weg ist. Er sagt, auf die Missstände in der Kirche müssen radikale Reaktionen folgen.


Mitarbeiter und Aktive in der katholischen Kirche outen sich. Glaubst du, dass damit ein Zeichen gesetzt werden kann?

Ja! Die überwältigenden Reaktionen, Solidarisierungen und Kommentare in Presse und Sozialen Medien zeigen: Diese Aktion schafft es, ein Randthema in den Mittelpunkt zu rücken. Politiker auf allen Ebenen, Kirchenvertreter und zahlreiche weitere Menschen greifen das Thema auf und machen sich von außen wie innen für grundlegende Reformen und ein Ende der Diskriminierung in der Kirche stark. Hoffentlich verpufft die Aufmerksamkeit nicht sofort – es ist Zeit, endlich etwas zu ändern!

Aktive vor Ort als relevanter Teil der Kirche

Du bist selbst in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung: Wie ist deine persönliche Erfahrung in Bezug zur Kirche?

Das kommt ein bisschen darauf an, was man unter Kirche versteht. Die aktiven Katholiken vor Ort haben da nie einen Unterschied gemacht – ehrlich gesagt war das einfach selten ein Thema. Sie sind für mich der relevante Teil der Kirche. Wenn man auf Priester und Bischöfe blickt, die mir begegneten, habe ich viele gute Erfahrungen gemacht, aber natürlich auch schlechte. Bischöfe, die leugnen, dass es so etwas wie Diskriminierung in der Kirche gibt. Priester, die von Seelsorge wohl noch nie etwas gehört haben und deren Schweigen mich verletzt. Geistliche, die mir meine Identität absprechen. Ich konzentriere mich aber auf die Mehrheit, die schon viel weiter ist, als es die Amtskirche gerne hätte.

In Rahrbach zum Beispiel, sagst du, wird Kirche bereits offen gelebt und jeder darf so sein und lieben wie er*sie möchte. Wieso funktioniert das dort so gut?

Ich glaube, dass ist nicht nur im Rahrbachtal der Fall. Ich kenne viele Gemeinden und Verbände, denen es egal ist, wen man liebt, in denen für die Rechte aller Menschen gekämpft wird. Überall dort wo es gut läuft, funktioniert das, weil es viele Ehrenamtliche gibt, die die Kirche so gestalten, wie es das Evangelium uns erzählt: offen, gerecht und gleichberechtigt, tolerant und liebevoll. Das tun sie selten mit, meist trotz oder sogar gegen die Amtskirche und ihre Priester. Würden diese engagierten Christen verschwinden, wäre es eine ganz andere Kirche, eine Kirche, die mir keine Heimat sein könnte.

Lukas Färber von Tine Schmidt
Lukas Färber © Tine Schmidt

Thema Missbrauchsskandal: Wie ist deine Sicht dazu?

Das Thema ist so groß und komplex, dass meine Antwort eine ganze Zeitung füllen könnte. Der Missbrauchsskandal ist eine Bankrotterklärung der katholischen Kirche. Angefangen bei den systemischen Ursachen, die diese Gewalt begünstigen und ermöglichen, über die schleppende Art der Aufdeckung, die nur auf äußeren Druck passiert, bis hin zum heuchlerischen und verlogenen Umgang der Verantwortlichen – die katholische Kirche versagt auf ganzer Linie. Sie handelt zutiefst unchristlich und ist nur am Erhalt der Institution und der eigenen Macht interessiert. Ich kann nur sagen: Ich schäme mich für meine Kirche.

Hoffnung, dass sich etwas ändern wird

Vor zwei Jahren war deine Aussage im LP-Interview: „Wir haben deshalb jetzt die Aufgabe, Kirche so zu gestalten, dass so etwas wie Missbrauch nicht mehr vorkommt, und sich grundlegend etwas ändert“. Was hat sich seitdem getan?

Die Arbeit auf dem Synodalen Weg läuft aus meiner Sicht schleppend. Schuld daran ist zum einen die Coronakrise, aber auch Probleme in der Organisation und Struktur des Weges an sich. Dennoch sind die ersten Texte beraten worden und weisen in die richtige Richtung. An anderen Punkten – zum Beispiel was die Ehe für alle angeht – bin ich aber auch enttäuscht von dem fehlenden Mut in der Synodalversammlung. Ich freue mich besonders, dass seit Beginn des Weges der Druck von außen nicht nachgelassen hat. Maria 2.0 und andere Reformbewegungen und Verbände geben mir Hoffnung, dass sich etwas ändern wird – egal wie erfolgreich der Synodale Weg sein wird.

Was fordert ein junger, engagierter Mann jetzt von den Verantwortlichen der Kirche?

Die Verantwortlichen, damit meine ich vor allem die amtierenden und emeritierten Bischöfe, müssen begreifen, dass sie alle institutionelle Schuld auf sich geladen haben. Bei nicht wenigen von ihnen kommt persönliches Fehlverhalten hinzu, wie die Missbrauchsgutachten zeigen. All diese Verantwortlichen müssen zurücktreten – unabhängig davon, ob der Papst sie lässt.

Die Aufarbeitung des kirchlichen Missbrauchs muss in staatliche und unabhängige Hände gegeben, und aufgedeckte Fälle müssen vor echten weltlichen Gerichten verhandelt werden. Das System Kirche muss dann so grundlegend verändert werden, dass die systemischen Ursachen des Missbrauchs beseitigt werden. In den neuen geschlechtergerechten, antidiskriminierenden und demokratischen Strukturen müssen dann neue Verantwortungsträger gewählt werden. Das mag utopisch klingen – ist es sicher auch – aber Missstände dieses Ausmaßes brauchen auch radikale Reaktionen.

Arbeit ist nicht vergebens

Warum bleibst du in der Kirche, obwohl dort solche queerfeindlichen Positionen vertreten werden?

Es fällt mir schwer, diese Frage zu beantworten. Eigentlich möchte ich dieses Unrechtssystem aus christlich-moralischen Gründen nicht länger mit meiner Mitgliedschaft und meinem Engagement unterstützen. Was mich derzeit noch hält, sind mein Ehrenamt in den Jugendverbänden und meine Arbeit in einer progressiven Gemeinde im Münsterland, die ein anderes Bild von Kirche möglich erscheinen lassen. Zudem geben mir meine Mitstreiter immer wieder die Hoffnung, dass unsere Arbeit nicht vergebens ist.

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