Bamenohlerin engagiert sich für Wildvogelhilfe

Mehr als 60 Vogeljungen gerettet


Noch sind die zwei Wochen alten Elsterbabys klein genug, um gemeinsam für das Fotoshooting in einer Schüssel zu schlafen. von Ina Hoffmann
Noch sind die zwei Wochen alten Elsterbabys klein genug, um gemeinsam für das Fotoshooting in einer Schüssel zu schlafen. © Ina Hoffmann

Finnentrop. Aus der Wäschewanne hört man leises Piepsen. Bei einem Blick in die Wanne wird klar: Die Elstern sind wieder wach - und sie sind hungrig. Aber nicht lange. Yvonne David hat bereits eine kleine Schüssel mit Teilen von Hühnerherzen vorbereitet, mit der sie die knapp zwei Wochen alten Jungvögel füttert. Seit vier Jahren engagiert sich die Bamenohlerin für die Wildvogelhilfe und hat schon zahlreiche Vogelkinder gerettet.


Alles begann vor vier Jahren mit einem jungen Spatz, der im Garten der Familie saß. „Ich konnte ihn nicht einfach da sitzen lassen. Also habe ich mir Hilfe im Internet gesucht und bin dort auf die Wildvogelhilfe gestoßen. Dort bekam ich viele Tipps zur Fütterung, Aufzucht und der Wiederauswilderung“, erinnert sie sich an die Anfänge.

Yvonne David steckte viel Zeit und Liebe in die Aufzucht des kleinen Vogels und wollte es nicht bei dem einen Vogel belassen. „Ich liebe Tiere und möchte mich für Arten engagieren, für die sonst kaum etwas getan wird. Es gibt Menschen, die sich für Straßenhunde, Zirkustiere oder viele andere Tiergruppen engagieren. Aber für Wildvögel wird leider wenig unternommen“, erklärt sie ihr Engagement.
Eine von 290 Päpplern bei der Wildvogelhilfe
Sie vertiefte ihr Wissen über Jungvögel und ihre Aufzucht durch den Menschen und wurde eine von knapp 290 ehrenamtlichen „Päpplern“ deutschlandweit. In der hiesigen Region ist sie die einzige bei der Wildvogelhilfe gelistete „Päpplerin“. Die nächsten gelisteten Wildvogelhelfer leben in Winterberg, Iserlohn, Leverkusen und Marburg.

„Wenn irgendwo ein Notfall ist und jemand verlassene Jungvögel gefunden hat, kann er bei der Wildvogelhilfe Bescheid geben. Diese schauen dann auf ihrer Liste, welche Päppler in der Umgebung wohnen, und vermittelt die Tiere an fachkundige Helfer“, erklärt Yvonne David das Vorgehen.
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Und da die Bamenohlerin die einzige eingetragene „Päpplerin“ in der Umgebung ist, gehören hilfsbedürftige Jungvögel beinahe zum Alltag. „Manchmal muss ich weitere Anfragen auch ablehnen, weil ich schon so viele Tiere bei mir habe. Das schmerzt mich zwar, aber ich muss den Jungvögeln ja auch gerecht werden können“, so Yvonne David. Diesen Vogelkindern kann trotzdem oft geholfen werden. Ehrenamtliche „Vogeltaxifahrer“, die sich ebenfalls für die Wildvogelhilfe engagieren, bringen die Jungen zum nächsten „Päppler“, der sie bei sich aufnehmen kann.

So hat Yvonne David in den letzten vier Jahren bereits mehr als 60 Jungvögel großgezogen. „Da war schon fast mögliche dabei: Spatzen, Amseln, Wacholderdrosseln - alles außer Greifvögeln. Um die aufpäppeln zu dürfen, braucht man erstmal einen Jagdschein“, erklärt sie. „Manchmal ist es der reinste Zoo hier“.
Eichelhäher "Hermann"
Besonders in Erinnerung geblieben ist Eichelhäher „Hermann“. Bei seinen ersten Flugversuchen flog er gegen ein Auto und kam mit einem Anflugtrauma nach Bamenohl. „Er sah schrecklich aus. Hermann hatte viele Federn verloren, und ich dachte, er würde es nicht schaffen“, erinnert sie sich. Aber durch das richtige Futter und viel Aufmerksamkeit kam er wieder zu Kräften und war schließlich fit genug, um wieder ausgewildert zu werden. „Hermann kommt immer wieder zurück in unseren Garten. Dann sitzt er eine Weile auf einem Baum und schaut sich um. Anfassen lässt er sich aber nicht mehr - und das ist ja auch gut so“, sagt seine ehemalige Pflegerin.

Denn nach der Auswilderung sind die Vögel auf sich allein gestellt und müssen ohne elterliches Vorbild lernen, wie sie sich verhalten sollen und dass Menschen, Katzen oder Autos Gefahr bedeuten könnten. „Deshalb lasse ich unsere Hunde auch nicht in die Nähe der Jungvögel. Sie sollen nicht die Angst vor Hunden verlieren. Das könnte in der freien Natur sonst böse enden“, erklärt die Päpplerin.
Drei gerettete Stockenten in der Badewanne
Auch die drei Stockentenküken, die sie großgezogen hat, waren etwas Besonderes für Yvonne David. „Das war eine traurige Geschichte. Die Mutter wurde überfahren, und Spaziergänger fanden die gerade geschlüpften Küken allein auf einem See schwimmend. Drei von ihnen konnten sie einfangen und zu mir bringen. Die anderen Küken haben es vermutlich nicht geschafft“, so die Wildvogelhelferin. Die drei jungen Enten verbrachten neun Wochen bei Familie David. Damit sie das Schwimmen nicht verlernten, wurde die Badewanne in den ersten Wochen zum Entenparadies.

Später ging es ins Planschbecken in der selbstgebauten Außenvoliere im Garten. Trotzdem wurden die drei Enten nicht richtig warm mit ihrer Ziehmutter. „Die Küken nahmen regelmäßig Reißaus. Sie hatten ihre Mutter kennengelernt und waren deshalb auf sie geprägt und nicht auf den Menschen“, erklärt Yvonne David. Aber: Noch heute kann sie die drei regelmäßig sehen: Die Stockenten leben auf dem See am nahen Schloss Bamenohl, wo sie sich inzwischen auch vermehrt haben.
Fünf Elsterjungen werden aufgepäppelt
Seit zehn Tagen päppelt Yvonne David fünf junge Elstern auf. Gerade einmal sechs bis sieben Tage alt waren die Vogelkinder, als sie von ihren Eltern verlassen wurden. „Ein Ehepaar im Siegerland hat im Garten einen Baum gefällt und danach das am Boden liegende Nest gefunden“, weiß Yvonne David. Damit wäre ohne die Hilfe des Menschen ihr Schicksal besiegelt gewesen. Denn Vögel verhalten sich anders als andere Wildtiere wie etwa Rehe, deren Kitze nach der Berührung durch den Menschen oft nicht mehr von den Eltern angenommen werden.

„Man kann theoretisch sogar einen fremden Jungvogel in ein Nest setzen und dieser wird von den Eltern mit aufgezogen. Aber sobald sich das Nest an einem anderen Ort befindet, und seien es nur wenige Meter, kommen die Vogeleltern nicht mehr zurück. Dann sind die Jungen auf sich allein gestellt und damit natürlich völlig hilflos“, erklärt die Wildvogelkennerin. Genau aus diesem Grund ist das Fällen von Bäumen in der Brutzeit, von März bis September, auch verboten.
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Bamenohlerin engagiert sich für Wildvogelhilfe
Drei große und zwei kleine Elstern tummeln sich im Moment noch in einer Wäschewanne, ausgelegt mit Handtüchern und Küchenpapier. Man könnte meinen, sie kämen aus zwei verschiedenen Nestern, so unterschiedlich sind sie entwickelt. Während die drei großen schon kräftig wirken, haben die beiden kleinen noch nackte Stellen an den Flügelansätzen und ihre Federn an den Flügelenden sind noch nicht fertig ausgebildet.

„Das liegt daran, dass Elstern erst nur einen Teil des Geleges ausbrüten. Sollte die erste Brut es nicht schaffen, werden die anderen Eier ausgebrütet“, weiß Yvonne David. „Die beiden kleinen hätten vermutlich nicht überlebt, weil sie sich nicht gegen die stärkeren hätten durchsetzen können und so nicht genug Fressen bekommen hätten“.
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Anders als die Vogeleltern kümmert sich die Bamenohlerin natürlich um alle fünf Elsterjungen und achtet darauf, dass alle genug zu fressen bekommen. Ein halbes Hühnerherz verspeist jede Elster bei jeder Fütterung - und das alle halbe Stunde von morgens 5.30 Uhr bis abends 21.30 Uhr. „Elstern sind Fleischfresser. Für Körner interessieren die sich nicht. Später bekommen sie auch noch Insekten wie Heimchen, Larven oder Maden. Und bei jeder dritten Fütterung gebe ich ihnen Tatarkügelchen mit Kalzium, damit sie keine Rachitis bekommen“, erklärt Yvonne David.
Die Jungvögel dürfen mit zur Arbeit
33 Fütterungen am Tag im Halb-Stunden-Takt: Die Vogelaufzucht ist ein Fulltimejob. Wenn man alle 30 Minuten die Vögel füttern muss, bleibt nicht viel Zeit für etwas anderes. Da packt auch Yvonne Davids Ehemann bei der Fütterung mit an. „Mein Chef ist so nett und erlaubt mir, die Jungvögel mit zur Arbeit zu bringen. So kann ich sie auch neben meiner Arbeit als Hotelfachfrau im Schloss Bamenohl füttern. Sonst wäre eine Betreuung der Vögel gar nicht möglich für mich“, so Yvonne David.
Zur Auswilderung nach Ostfriesland
Noch schlafen die fünf Jungen nach jeder Fütterung und verbringen die meiste Zeit in der Wäschewanne. Schon bald werden sie in die Außenvoliere im Garten umziehen, wo sie mehr Platz haben und erste Flugversuche starten können. „Sobald sie beginnen zu fliegen, sollen sie ausgewildert werden. Das ist bei Elstern aber schwieriger als bei anderen Vögeln, die ich einfach in der Umgebung freilassen kann. Elstern prägen sich sehr auf den Menschen, und die fünf würden vermutlich immer wieder herkommen, wenn ich sie hier fliegen lasse. Das kann ich aber den Nachbarn nicht zumuten“, so Yvonne David.

Also geht es für die fünf Elstern in wenigen Wochen vermutlich auf eine weite Reise nach Ostfriesland, wo sie in einer speziellen Auffangstation für Rabenvögel erst einmal lernen werden, auf sich allein gestellt zu sein, bevor es für sie raus in die freie Natur geht.

Dann ist wieder Platz für die nächsten Jungvögel, die Yvonne Davids Hilfe beim Start ins Leben brauchen.
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