Interview: Reinhard Blank zieht nach 23 Jahren als Schulleiter in Drolshagen Bilanz

„Ich bin mit Leib und Seele Lehrer gewesen“


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Lehrer mit Leib und Seele war Reinhard Blank auch in seiner Funktion als Schulleiter. von Rüdiger Kahlke
Lehrer mit Leib und Seele war Reinhard Blank auch in seiner Funktion als Schulleiter. © Rüdiger Kahlke

Drolshagen. Hier ist er eingeschult worden. Hier hat er die Volksschule besucht. Hier ist er aus dem Schuldienst verabschiedet worden: Reinhard Blank kennt die Drolshagener Schulen wie kaum ein zweiter. Gut 23 Jahre hat er die Gräfin-Sayn-Grundschule geleitet, zuletzt an drei Standorten als Verbundschule. Im Gespräch mit LokalPlus zieht er eine Bilanz seiner Schullaufbahn und was sich in den 40 Jahren seiner Dienstzeit alles geändert hat.


Herr Blank, Männer an Grundschulen sind selten. Waren Sie Hahn im Korb oder Exot?

Als Hahn im Korb habe ich mich nie gesehen. Es hat immer eine sehr harmonische, offene Zusammenarbeit gegeben. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich einen Gleichstellungsbeauftragten brauchte.

Was gewinnen Sie mit dem Ruhestand, was geben Sie auf?

Was mir sicher am meisten fehlen wird, sind die Kinder. Ich bin immer mit Leib und Seele auch Lehrer gewesen. Ich gewinne sicher ein Stückchen Freiheit für die Dinge, die bis jetzt ein bisschen zu kurz gekommen sind. Ich bin begeisterter Hobbywerker, auch malen, handwerklich arbeiten, all solche Dinge habe ich immer sehr gemocht. Ich gewinne sicher ein Stückchen mehr für die Familie. Das war mir immer ganz wichtig. Denn die Schulleitung nimmt einen doch sehr, sehr in Anspruch.
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 Man geht nie ganz, heißt es. Was meinen oder hoffen Sie, bleibt, wenn Sie weg sind?

Wir haben in all den Jahren einige Projekte und Ideen angestoßen, die sicherlich weitergehen. Als ich hierher kam, habe ich mich sehr eingebracht in den Bau der neuen Turnhalle „In der Wünne“. Dann  haben wir einen Förderverein gegründet, den Namen Gräfin-Sayn-Schule eingeführt. Wir haben schwerpunktmäßig die Betreuung aufgebaut; zunächst mit einer Vormittags-Betreuung, die wird in diesem Jahr 20 Jahre, und dann die offene Ganztagsschule, die in diesem Jahr zehn Jahre alt wird. Die offene Ganztagsschule gibt’s bereits an zwei Standorten, und die Zahlen steigen weiter. Wir haben die Schwerpunkte gelegt im kulturellen Bereich. Wir haben sehr häufig Theatervorführungen gehabt. Wir haben die „Junge Oper“ mehrfach hier gehabt. Sehr gut und harmonisch war immer auch die Zusammenarbeit mit der Kirchengemeinde, beiden Kirchengemeinden. Es ist mir ein wichtiges Anliegen, dass der Status der katholischen Grundschule auch weiterhin erhalten bleibt.
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Was hat sich geändert in den 40 Jahren, die Sie im Schuldienst verbracht haben?

Es hat sich sicher eine ganze Menge geändert, insbesondere im Leben, im Umfeld der Kinder. Die Kinder von heute können Sie nicht mehr vergleichen mit den Kindern vor 30, 40 Jahren. Es hat sich viel geändert auch in der schulischen Entwicklung. Stichwort in den letzten Jahren dazu: Inklusion, Integration beispielsweise. Schulentwicklung, Qualitätsanalyse sind einige Stichpunkte, die eine ganze Menge ausgemacht haben.

Was hat sich bei den Kindern geändert?

Die Lebensumstände sind anders. Als ich hier anfing, war es so, dass im Jahr mal ein, zwei Kinder umzogen, wegzogen oder auch Zuzüge kamen. Mittlerweile ist die Gesellschaft viel mobiler geworden. Dazu zählt auch, dass immer mehr Berufstätigkeit der Eltern vorliegt, die die Nachfrage nach Ganztagsbetreuung hoch hält - auch hier im Sauerland.

Würden Sie jungen Leuten raten, ein Lehramt zu studieren?

Da kann ich nur aus meiner Sicht sprechen. Ich selber habe das nie einen Tag bereut. Ich bin mit Leib und Seele Lehrer gewesen, habe den richtigen Beruf ergriffen. Ein Kollege sollte immer dann unbedingt den Lehrerberuf anstreben, wenn er es als Berufung sieht. Es als Job zu sehen, reicht nicht aus. Die schönen Momente der Zusammenarbeit mit den Kindern, auch mit den Eltern überwiegen ganz eindeutig.

Was hätte rückblickend anders laufen können?

Es gibt immer bestimmte Zwänge, Dinge, wo man Kompromisse eingehen muss. Ich hätte mir sicher gewünscht dass man, als man mit der Inklusion begonnen hat, sich etwas mehr in der Umsetzung Zeit genommen hätte, um die Dinge vorzubereiten. Die Schulen, vor allem die Regelschulen, sind damit schon bis an die Grenze der Belastbarkeit gekommen. Man hat erst gesagt: Das machen wir, Inklusion ist ganz wichtig, aber man hat dann die notwendigen Ressourcen nicht bereitgestellt oder zu spät bereitgestellt. Das fängt erst langsam an.
Wunsch nach verbesserter Stellenreserve
 Das zielt jetzt auf die Schulpolitik des Landes. Was ist, wenn man auf die Kommune schaut?

Mit dem Schulträger bin ich immer – ohne Ausnahmen – hervorragend ausgekommen. Wir haben sicher manches Mal ringen müssen. Wir haben auch Kompromisse schließen müssen, aber wir haben immer versucht, das Machbare umzusetzen.

Woran hat es in den letzten Jahren gehapert? Personal? Geld?

Die Lehrerzuweisungen zum Teil sind etwas schleppend. Was wir aus meiner Sicht bräuchten, wäre eine deutlich verbesserte Stellenreserve. Wenn Kolleginnen kurz- oder mittelfristig ausfallen, dass man dadrauf zurückgreifen kann. 
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 Es gibt ja die große Diskussion über Disziplinlosigkeit und mangelnden Respekt. Macht sich das bemerkbar?

Im Grundschulbereich schlägt das noch nicht so durch. Es gibt sicher Kinder, die heute anders mit dieser Thematik umgehen, das auch anders von zuhause aus gewohnt sind, aber im Großen und Ganzen ist das im Grundschulbereich noch nicht das ganz große Thema. Wir haben immer Wege gefunden, darüber miteinander zu kommunizieren.

Wie sieht es mit der Unterstützung durch die Eltern aus?

Sehr hoch. Die war früher sicher etwas umfänglicher. Das hing aber auch damit zusammen, dass Eltern früher etwas mehr Zeit hatten. Das hat durch die Berufstätigkeit schon nachgelassen – keine Frage.
"Wir erziehen immer mehr kleine Egozentriker"
 Sind die Kinder schwieriger als früher?

Das würde ich nicht als schwieriger bezeichnen. Kinder sind heute viel mehr Einflüssen von außen ausgesetzt, und viele von ihnen sind damit überfordert. Das hat dann natürlich entsprechende Auswirkungen. Das fängt an mit Unkonzentriertheiten. Auch das Gemeinschaftsgefühl lässt sehr nach. Man könnte schon sagen: Wir erziehen immer mehr kleine Egozentriker. Da muss gegengesteuert werden. Und da haben die Schulen eine große Aufgabe, alle, Vereine, Eltern, alle, die damit zu tun haben.

Die Frage nach so langer Zeit ist ja auch: Mache ich jetzt den totalen Schnitt, oder bleibe ich der Schule verbunden – und wenn ja, wie?

Die Schulleiterstelle ist ja noch nicht besetzt. Ich bedauere das sehr, wobei ich mir schon gewünscht hätte, sowas wie eine Übergangszeit zu haben. Ich werde mich auf keinen Fall in das operative Geschäft einbringen. Wenn ich gefragt werde, selbstverständlich gerne, möglicherweise auch im Förderverein weiter mitzuarbeiten, aber das müssen auch andere mitentscheiden.

Wie ist das Gefühl jetzt: Wehmut oder Erleichterung?

Es ist beides. Es ist auf der einen Seite Wehmut, weil man mit Herzblut dabei ist. Nun ist Drolshagen für mich auch noch eine Besonderheit, weil es meine Heimatstadt ist. Ich bin ja selbst als Schüler hier groß geworden. Natürlich auch ein Stück weit Erleichterung, weil man eben für andere Dinge jetzt – hoffe ich zumindest – ein wenig mehr Zeit aufbringen kann. Es war rückblickend eine gelungene Zeit, die ich nicht missen möchte.
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