Ein kleiner Rest mit starkem Zusammenhalt

Herrnscheid-Hauptschule Drolshagen entlässt letzten Jahrgang


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Mit der Entlassung der letzten 45 Schülerinnen und Schüler am 29. Juni ist die Herrnscheid-Schule Geschichte. von Rüdiger Kahlke
Mit der Entlassung der letzten 45 Schülerinnen und Schüler am 29. Juni ist die Herrnscheid-Schule Geschichte. © Rüdiger Kahlke

Drolshagen. Zwei Klassenräume, ein geräumiges Büro für Schulleiter Rainer Bracht. Daneben noch ein Raum, der für Arbeitsgruppen oder andere Aktivitäten genutzt werden kann. Das ist der Rest der Hauptschule, der schon vor mehr als 20 Jahren das Etikett „Restschule“ angeheftet worden ist. Restschule, weil immer weniger Eltern ihre Kinder an den Hauptschulen angemeldet hatten. Jetzt entlässt die Herrnscheid-Schule ihre restlichen Schüler. Die Abschlussfeier findet am 29. Juni. Dann ist Schluss mit der Schule.


Mit Beginn des Schuljahres 2013/14 wurde die Herrnscheid-Schule zum Auslaufmodell. Sie musste der Sekundarschule Platz machen. Für Schulleiter Rainer Bracht (63) kam es darauf an, zu sehen, „dass es den Schülern gut geht, dass sie nicht darunter leiden und ihnen nicht das Gefühl vermittelt wird, dass sie der Rest sind.“ Das scheint Bracht und seinem Team gelungen zu sein.

„Es hat immer ein Haltgefühl gegeben. Jeder wurde aufgefangen“, spricht Schülersprecherin Janina Müller (17) von einem Wohlfühl-Gefühl an der Hauptschule. Einerseits findet sie es komisch, als letzte die Hauptschule zu verlassen. Bei Abschlussfeiern früher seien immer noch andere dagewesen, jüngere. Andererseits sei es nun aber „auch cool“. So einen Status habe nicht jeder. Dieser Jahrgang sei etwas Besonderes.
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Und das wollen die 45 Schülerinnen und Schüler, die jetzt entlassen werden, auch besonders feiern. Weniger in der Schule, wo die früheren Abgangsklassen sich noch mit einem Programm für die jüngeren Schüler verabschiedet und diesen damit unterrichtsfrei verschafft haben. „Was sollen wir uns von der Sekundarschule verabschieden“, sagt Janina. Jetzt feiern sie sich halt – mit Eltern und Lehrkräften.
Gut fürs Leben gerüstet
„Komisch“ findet auch Jonas Clement (16) die Situation. Der Bezug zu jüngeren Jahrgängen fehle. Früher agierten die älteren noch als Paten für jüngere Schüler. Auch mit Sekundarschülern unter einem Dach fand er es gewöhnungsbedürftig. Zumindest anfangs. Inzwischen sei das Verhältnis lockerer geworden, besonders zu den jüngeren Schülern. Alina Haar (16) teilt diese Einschätzung nicht. Die Hauptschülerin hatte an der Sekundarschule eine eigene Tanz-AG geleitet. Die hat sich aufgelöst, als sie sich um ihren Schulabschluss gekümmert hat.
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Was nehmen die Hauptschüler mit? „Der Zusammenhalt untereinander ist enger“, sagt Schülersprecherin Janina. Man komme besser zusammen klar, meint sie mit Blick auf die zuletzt überschaubare Schülerzahl. „Jeder kennt jeden“ bestätigt Alina. Die drei Schülersprecher fühlen sich mit ihrem Hauptschulabschluss auch gut fürs Leben gerüstet. Alle haben einen Ausbildungsplatz oder gehen zu einer weiterführenden Schule. „Wir wurden gut unterstützt“, bilanziert Jonas.

Erinnerungen an Klassenfahrten und das „Rumspaßen mit Lehrern“ nehmen sie als Erinnerung an ihre Restschule auch mit, sagt Janina. Und ein bisschen Wehmut. Den Zusammenhalt werden alle vermissen, glaubt Alina.
Volles Programm bis zum Schluss
Zuletzt haben noch drei Lehrkräfte an der Hauptschule unterrichtet, dazu kamen die, die an anderen Schulen tätig sind und einen Teil ihrer Pflichtstunden an der Hauptschule absolviert haben. Bis zuletzt gab es 34 Unterrichtsstunden pro Woche für die beiden zehnten Klassen. „Wir waren gut aufgestellt mit Lehrerstunden“, sagt Rektor Bracht. Abstriche am Programm gab es nicht. Fachräume oder Technik teilte sich die kleiner werdende Hauptschule mit der Sekundarschule unter gleichem Dach.

Man sei „mit der Sekundarschule gut klargekommen“, betont Bracht, der die Entscheidung zum Schulwechsel mitgetragen hatte. „Die Eltern hatten mit den Füßen abgestimmt“, schildert er die Lage. Das war landesweit so, wenn auch in Drolshagen weniger dramatisch. Mit dem 2011 erzielten Schulkompromiss in NRW einigten sich die damalige rot-grüne Landesregierung und die CDU auf die Sekundarschule als ein Element neben Gesamtschule und Gymnasium.
Standort mit guten Bedingungen
Was passiert mit dem Kollegium? Für Rainer Bracht beginnt mit den Ende der Schule der Ruhestand. Ein Kollege macht noch ein Sabbatjahr, bevor er in Ruhestand geht. Andere sind an der Sekundarschule oder entsprechenden Schulen untergekommen. Dabei sind die „Wünsche zu 100 Prozent“ in Erfüllung gegangen, sagt der Schulleiter. Bis zuletzt sei es darum gegangen, die Schüler zu fördern, „dass sie einen angemessenen Abschluss bekommen.“ Dabei habe die Herrnscheid-Schule bei zentralen Leistungsmessungen „immer gut dagestanden“.
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Drolshagen war für den scheidenden Schulleiter „immer ein Standort mit guten Bedingungen.“ Unterstützung sei immer spürbar gewesen. Dennoch gab es Probleme für das auslaufende System Hauptschule. Bracht: „Es fehlten Innovationen. Wo kann es hingehen? Was geht besser?“ Diese Fragen hätten sich nicht mehr gestellt. Dabei war die Hauptschule anfangs durchaus innovativ. Elemente wie Betriebspraktika haben andere Schulformen von der Hauptschule übernommen. Sie haben überdauert.
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