Drolshagener Walter Wolf wird Zeuge einer Flüchtlingsrettung

Dramatische Minuten auf dem Mittelmeer


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Aus der Ferne konnten die Passagiere die Rettung der Flüchtlinge aus ihrem kleinen Boot beobachten. von privat
Aus der Ferne konnten die Passagiere die Rettung der Flüchtlinge aus ihrem kleinen Boot beobachten. © privat

Drolshagen/Mittelmeer. Der Drolshagener Walter Wolf ist jetzt während einer Kreuzfahrt auf dem Mittelmeer Zeuge einer dramatischen Rettung geworden: Von Bord aus beobachteten er und weitere Passagiere, wie Flüchtlinge von einem im Wasser treibenden kleinen Boot gerettet wurden. Was Wolf dabei beobachtete und erlebte, schreibt er in folgendem Bericht:


„Golden und mild war die Sonne gerade über dem westlichen Mittelmeer aufgegangen, als kurz vor acht Uhr der Kapitän des Kreuzfahrtschiffs in einer Durchsage erklärte, dass in Sichtweite ein Boot mit Menschen, wahrscheinlich Flüchtlingen, zu sehen sei. Eine Seenotrettungsaktion sei eingeleitet worden und ein Rettungsboot der spanischen Küstenwache bereits unterwegs.
Internationales Seerecht
Jeder Schiffsführer ist nach internationalem Seerecht verpflichtet, in Seenot geratenen Menschen unabhängig von Nationalität, Status oder Umständen unverzüglich Hilfe zu leisten. Aus diesem Grund hatte auch das Schiff gestoppt und blieb auf der Stelle stehen, wie auch ein Frachter, der am weiteren Horizont zu sehen war. Da ein Schiff in der Größe des Kreuzfahrtschiffs ca. 1.600 Meter braucht, um zum Stehen zu kommen, war wohl sehr frühzeitig das Boot mit den Flüchtlingen wahrgenommen worden.

In den bis zwei Meter hohen Wellen trieb das Boot ca. 100 Meter vom Schiff führer- und antriebslos. Es war ein mulmiges Gefühl gepaart mit Unsicherheit bei den Reisenden, da nicht festgestellt werden konnte, ob die Menschen an Bord des kleinen Bootes noch lebten oder in welchem Zustand sie sich befanden. Der Kapitän beruhigte die Passagiere, dass im Moment alles in seiner Macht Mögliche getan sei.
Akute Nothilfe
Wie er später im Detail informierte, war für den Fall der akuten Nothilfe – wenn z.B. jemand über Bord gegangen wäre – das vorbereitete Rettungsboot innerhalb von zwei Minuten mit einem Rettungsteam zu Wasser gelassen. Allerdings hatte er die Order, die Rettung der spanischen Küstenwache zu überlassen und nicht die Hilfesuchenden an Bord zu nehmen. Wie bei einer Nothilfe verfahren würde, konnte aktuell nicht in Erfahrung gebracht werden.

Das Boot war von dem Schiff aus bereits früh wahrgenommen und vom Ausguck aus mit dem Fernglas beobachtet worden. Das Radar konnte es allerdings wegen des hohen Seegangs nicht konsequent verfolgen. Der Besatzung des Kreuzfahrtschiffs und den Passagieren blieb nur eins: banges Warten auf das Rettungsboot der Küstenwache.
Eine lange Stunde
Dies war nach Auskunft des Kapitäns unmittelbar nach seiner Mitteilung in See gestochen und bewegte sich schnell mit ca. 25 Knoten, entsprechend 45 km/h auf die Stelle mit dem Boot zu. In der Zwischenzeit trieb das Boot durch die Strömung immer weiter von dem an der Stelle verharrenden Schiff fort. Es dauerte die vorausgesagte Stunde, bis das rote Rettungsschiff der Küstenwache auftauchte und sich dem havarierten Boot näherte. Als es bei diesem ankam, verlangsamte es die Fahrt, auch um zu vermeiden, dass das Boot durch den Wellengang kenterte. Es fuhr so neben das in den Wellen treibende Boot, dass es quer zu den Wellen stand und steuerbordseitig das Boot erreichte.

Über ein starkes Fernglas auf dem Deck des Kreuzfahrtschiffs konnte das weitere Vorgehen näher beobachtet werden. Dabei wurde auch sichtbar, dass es sich um ein Boot etwa in der Größe der Anglerboote auf dem Biggesee handelte. Wie die Menschen an Bord des Rettungsschiffs genommen wurden, entzog sich den Blicken, da es mit dem Boot durch den Wellengang abgedreht hatte.
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Drolshagener Walter Wolf wird Zeuge einer Flüchtlingsrettung
Kurze Zeit später waren drei dunkelhäutige Männer in T-Shirts zu erkennen, die auf dem vorderen Deck auf dem Boden Platz genommen hatten.  Zwei von ihnen lagen auf dem Boden, ein dritter stand auf und winkte dem Kreuzfahrtschiff zu, offensichtlich dankbar, von dessen Besatzung entdeckt worden zu sein. Mit einem Seufzer der Erleichterung winkten die Passagiere zurück und manch einer hatte – wie es einer der Fahrgäste des Schiffs ausdrückte – „Pippi in den Augen“.
Code im Boot
Mit weißen Overalls und Atemschutz versehene Männer gaben den Geretteten Decken und Rettungswesten. Das Boot wurde innen mit großen Buchstaben markiert und den Wellen überlassen. Wie der Kapitän später erklärte, wurde der Code, mit dem das Schiff deutlich sichtbar versehen wurde, an alle Schiffe im Mittelmeer, Atlantik, auf der Nordsee bis zur Ostsee durchgegeben. Damit wussten die Schiffführer, dass die Menschen bereits gerettet waren und nicht nach Überlebenden oder Toten gesucht werden musste.

Das Rettungsboot drehte bei und fuhr mit den Geretteten zurück ans Festland. Was weiter mit ihnen passierte, konnte nicht mehr in Erfahrung gebracht werden.  Die ganze Aktion hatte seit dem Stillstand des Kreuzfahrtschiffs ca. anderthalb Stunden gedauert.
Mulmiges Gefühl
Mit einem mulmigen Gefühl ging es zum Frühstück, den Kontrast erlebend, selbst an einem üppig gedeckten Tisch zu sitzen, während draußen die Menschen vielleicht nicht einmal mehr etwas zu trinken gehabt hatten.

Aber viele waren sich auch darüber klar, dass sie beispielhaft erlebt hatten, dass es möglich ist, Flüchtende zu retten, dass dazu aber auch Fachleute – wie die Retter aus Spanien – und entsprechende Logistik notwendig sind. Vor allem aber auch der politische Wille und die Kompetenz, faire Verfahren zur Aufnahme und weitergehendes Handeln zu entwickeln statt sie für populistische Spekulationen zu missbrauchen. Immerhin gehörten diese drei Männer nicht zu den bereits über 1400 Toten, die bis jetzt in 2018 im Mittelmeer ertrunken sind.

Bemerkenswert war auch, dass in den Zeitungen an demselben Morgen die Hinweise standen, dass Panama dem Rettungsschiff Aquarius die Flagge entzieht, der italienische Außenminister seinen radikalen Kurs bestätigt und in Marokko auf ein Flüchtlingsschiff geschossen wurde.
Einschneidendes Erlebnis
Jenseits aller Gefühle der Hilflosigkeit und der Angst um das Leben der Menschen im Boot, die diese unmittelbare Konfrontation mit Flüchtenden auf ihrem lebensgefährlichen Weg bedeutete, war die Haltung und Logistik bei der Rettung als bemerkenswert zu loben.“
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