Abgang ohne Groll

Bürgermeister Hilchenbach freut sich auf „eine neue Ära“ – Schwur nach erster Amtshandlung


Am Dienstag, 20. Oktober, wird Theo Hilchenbach seinem Schreibtisch räumen. Bis dahin ist der scheidende Bürgermeister noch im Dienst. von s: Rüdiger Kahlke
Am Dienstag, 20. Oktober, wird Theo Hilchenbach seinem Schreibtisch räumen. Bis dahin ist der scheidende Bürgermeister noch im Dienst. © s: Rüdiger Kahlke

„Alles andere als angenehm“ war der erste Vorgang, den Theo Hilchenbach als Bürgermeister auf dem Tisch hatte. Nach 21 Jahren im Amt scheidet er am Dienstag, 20. Oktober, aus. Im Gespräch mit Lokalplus blickte Hilchenbach auf seine Zeit als erster Bürger Drolshagens zurück.


An die erste Aufgabe, die ihn 1994 erwartete, erinnerter er sich genau: Gegen die Ausweisung des Gewerbegebietes Scheda gab es Widerstand. Ein ortsansässiges Unternehmen wollte dorthin umziehen und drängte auf eine Entscheidung. Der neue Bürgermeister konnte keine kurzfristige Zusage machen. Das Unternehmen wanderte ab nach Wenden. Und Hilchenbach, der 1994 vom Amt des Stadtdirektors auf den Stuhl des Bürgermeister gewechselt war, schwor sich: „Das darf nicht wieder passieren."
Anstöße müssen aus Bürgermeister-Zimmer kommen
Sein Credo: Wohnen und arbeiten in Drolshagen. „Wir müssen die Menschen am Ort halten und ihnen qualifizierte Arbeits- und Ausbildungsplätze bieten“, sagt er. Es klingt eher wie ein Programm, ein Vermächtnis, nicht wie eine Rückschau. 110 Hektar Gewerbefläche seien in seiner Ära ausgewiesen worden. „Daran haben viele mitgewirkt“, sagt Hilchenbach. Drolshagen habe nie Probleme mit Arbeitslosigkeit und Insolvenzen gehabt. Grundlagen für die wirtschaftliche Lage „müssen in diesem Zimmer beginnen“, sagt er und zeigt auf dem Besprechungstisch in seinem Büro. Gewerbeansiedlung ist ein Pfund seiner Amtszeit, mit dem er rundum zufrieden ist. Der Erhalt der Schullandschaft ein anderer. Zudem habe er immer versucht Initiativen zu unterstützen.
„Man muss einstecken können“
Daneben gab es Enttäuschungen, nicht erfüllte Erwartungen. Zu den Tiefs gehören für den scheidenden Chef im Rathaus Fälle, in denen er sich redlich bemüht hat, den Wünschen gerecht zu werden, sie aber nicht erfüllen konnte. Wenn es dann noch heiße: „Du hast ja nichts für uns getan“, gehe das „schon an die Nieren.“. Man mache auch Fehler, könne nicht alles erreichen. Es gehe aber nie darum, andere zu ärgern. „Wer den Job macht, muss einstecken können“, Sagt einer, der sich selbst als streitbaren Politiker sieht. Dazu brauche man auch die Unterstützung der Familie.
Und: man muss dicke Bretter bohren können. „Immer am Ball bleiben“, sei sein Charakterzug. Wenn sich Erfolg sich nicht gleich einstelle, gelte es nachzuhaken. „Wenn de vorne rausgeschmissen wirst, geh´ ich hinten wieder rein.“ Ohne Engagement, ohne Empathie gehe es nicht. Gleichzeitig sind Austausch und Kompromissbereitschaft gefragt, um gangbare Wege auszuloten. Dazu habe er seine Kontakte auch zu den Behörden genutzt. Das Dumicker Modell, ein Kanalbau mit privatem Engagement habe er mit den ruhrverband angestoßen. Inzwischen gibt es Nachahmer.
Auf Ruhestand vorbereitet
Politik in Drolshagen, Arbeit in Verbänden, Vorträge. Damit ist jetzt Schluss. Seit Anfang des Jahres, als er seinen Verzicht auf eine erneute Kandidatur erklärte, habe er sich auf den Ruhestand vorbereitet. „Ich habe immer gerne gearbeitet. Aber ich habe nur nach Terminkalender gelebt, das will ich nicht mehr“, betont Theo Hilchenbach. Lesen, reisen, sich eventuell nochmal an einer Uni einschreiben, „um geistig beweglich zubleiben, aber alles ohne Stress“, das ist sein Programm ab nächster Woche. 48 Posten hat er im Zusammenhang mit seinem Amt ausgeübt. Die wird er alle aufgeben. Das klingt nach Abschied ohne Groll oder Wehmut. Sind Wünsche offen geblieben, die der Bürgermeister hegte?
Manko: Finanzielle Lage der Stadt
„Die finanzielle Situation der Stadt ist nicht zufriedenstellend“, räumt Hilchenbach ein. Das Gewerbesteuer-Aufkommen habe sich – trotz der Ausweisung von Gewerbeflächen – nicht wie erwartet entwickelt. Als weiteres großes, ungelöstes Problem sieht er die Flüchtlingssituation an. „Die Menschen brauchen Hilfe“, steht für ihn außer Frage. Es gebe viele, die sich engagierten. Aber: Die Belastung auch für die Mitarbeiter in der Verwaltung, sei auf Dauer nicht tragbar. Da habe der Bürgermeister auch eine Fürsorgepflicht.
Politik scheut Auseinandersetzung
21 Jahre im Amt. Da hat sich auch manches geändert. Eine zunehmende Bürokratisierung und Verrechtlichung, beklagt der Bürgermeister in der Rückschau. Beim Neubau der Schul-Mensa seien 16 Fachingenieure eingeschaltet gewesen. Bei der Unterbringung von mehr als 20 Flüchtlingen sei ein Sicherheitsdienst nötig. Dabei wäre dem Noch-Bürgermeister „ein Sozialarbeiter oder Hausmeister lieber“, der sich Ansprechpartner oder Kümmerer zur Verfügung steht. Probleme ignorierten Land und Bund. Immer neue Vorschriften führten dazu, dass auch Politiker verunsichert würden. Sie stellten sich zu selten den Bürgern. „Ich habe früher Frühschoppengespräche gemacht. Das gibt es heute nicht mehr. Der Auseinandersetzung wollen sich nur wenige stellen,“, sieht er auch eine zunehmende Entfremdung zwischen Politik und Bürgerschaft. Die Bürger erwarteten Informationen. Zu diesen Bürgern gehört ab 21. Oktober auch Theo Hilchenbach.
Im Ruhestand „kein Klugscheißer" sein
Dinge, die er mit auf den Weg gebracht hat, interessieren ihn noch, „aber die Entfernung zu den Entscheidungen wird größer.“ Tipps oder Ratschläge für seinen Nachfolger hat er nicht. Er will „kein Klugscheißer sein. Jeder, der sich auf diesen Stuhl setzt, weiß, was auf ihn zukommt.“ Die 21 Jahre im Zentrum Drolshagens waren seine Zeit. Und die ist vorbei. Ich freue mich auf eine neue Ära“, sagt Theo Hilchenbach. In der soll Politik jedenfalls keine Rolle mehr spielen.
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