Michael Höffer imkert mit Inhaftierten der JVA Attendorn

Der erste Honig ist schon geerntet


  • Attendorn, 21.07.2018
  • Von Barbara Sander-Graetz
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Bienensachverständiger Michael Höffer (recht) gibt noch letzte Anweisungen, bevor die Waben gezogen werden. von Barbara Sander-Graetz
Bienensachverständiger Michael Höffer (recht) gibt noch letzte Anweisungen, bevor die Waben gezogen werden. © Barbara Sander-Graetz

Attendorn. Die JVA Attendorn hat im Frühjahr Zuwachs gekommen. Rund 60.000 neue Bewohner sind eingezogen, die allerdings jederzeit Freigang haben. Die Rede ist von drei jungen Bienenvölkern, sogenannten Ablegern.


Tobias Alfes, Freizeitkoordinator in der JVA Attendorn, kam über seinen Kollegen Maurizio Cervellino auf die Idee. Justizvollzugsbeamter Maurizio Cervellino ist, genau wie sein Nachbar Michael Höffer, Hobbyimker: „Wir sind immer auf der Suche nach sinnvoller Beschäftigung für die Insassen, denn nichts ist schlimmer als Langeweile“, weiß Alfes. Die kleinen Honiglieferanten sind dagegen ein probates Mittel.
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Langeweile gibt es für die Teilnehmer des Imkerkurses, seitdem Michael Höffer drei Beute aufgestellt hat, nicht mehr. Auch Dana Sperke aus der Arbeitsverwaltung zeigt sich beeindruckt vom Umgang der Gefangenen mit den Bienen und erklärt, die Imkerei belebe den Gefängnisalltag. Während der Flugsaison zieht es daher auch immer wieder Inhaftierte zu den Bienen, um sie zu beobachten und sich der Faszination dieser kleinen Tierchen hinzugeben. Und da ist sie wieder, die Erfahrung, die fast alle machen, wenn sie sich mit Bienen beschäftigen - die Imkerei ist ein faszinierendes Hobby.

Das kann auch Michael Höffer bestätigen. Der Bienensachverständige des Imkervereins Attendorn ist der Herr über alle Bienen im Knast und teilt sein Wissen hier mit jedem, der Interesse hat. Das sind rund zehn Männer, die das Angebot nutzen. Die Kombination aus, wie bei allem, oft trockener Theorie und spannender Praxis am lebenden Objekt kommt bei den Teilnehmern gut an.
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Spannend wurde es für die Anstalts-Imker in der vergangenen Woche: Die erste Ernte wurde eingefahren, zwar nicht wirklich viel, aber jeder hat einmal klein angefangen. Für den Eigenbedarf der Kursteilnehmer hat es gereicht. „Eigentlich bekommt man von einem Ableger gar keinen Honig im ersten Jahr“, weiß Michael Höffer, „aber das Volk war so stark, da konnten wir schon Honig entnehmen.“ Wenn ein Bienenstock voll im Saft steht, können jährlich bis zu  30 Kilogramm der süßen Flüssigkeit geerntet werden.

Um den Honig aus den Waben zu schleudern, brachte Michael Höffer seine nagelneue Honigschleuder mit ins Gefängnis. „Wir haben zuerst erklärt, wie die Bienenkästen geöffnet werden und wie man die Waben richtig zieht“, berichtet Höffer. Angst haben die Männer nicht, obwohl sie von tausenden Bienen umgeben sind. Alle verhalten sich ruhig, niemand wird gestochen.

In der ehemaligen Kantine des Hauses werden die Waben enddeckelt und somit vom Wachs befreit, damit sie in der Schleuder den Honig freigeben. Der gewonnene Honig läuft über einen kleinen Hahn direkt in ein Sieb und dann in einen Eimer. Alles, was nicht im Eimer landet, landet direkt im Magen, denn Naschen ist natürlich immer erlaubt.
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Im Kurs haben die Gefangenen gelernt, dass die Bienen im Frühjahr rechtzeitig genügend Platz benötigen, dass es nach der Honigernte gilt, Futter bereitzustellen, und dass man regelmäßig nach der Königin schauen muss. In der Blütezeit brachten die Bienen Nektar und Pollen in ihren Stock, vorwiegend aus der Umgebung der JVA. „Dieser Honig eignet sich auch gut zur Immunisierung“, weiß Höffer, „da er die Pollen aus der Umgebung beinhaltet. Jeden Tag ein Löffel ist daher Medizin.“
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„Die Imkerei erlebt derzeit einen echten Boom", freut sich auch Marizio Cervellino. Der teilweise als „Alte-Männer-Hobby" verspottete Umgang mit Bienen sei auch für jüngere Menschen interessant geworden. Vielleicht liegt das auch an der um sich greifenden Erkenntnis, dass die Menschheit ohne die unermüdliche Bestäubungsarbeit der Bienen ein echtes Problem hat. Ohne Bienen keine Bestäubung, ohne Bestäubung keine Früchte, ohne Früchte... Nicht zuletzt aus diesem Grunde stehen Bienen in der Liste der wirtschaftlichen Bedeutung für die Landwirtschaft auf einem der Spitzenplätze. Nicht etwa aufgrund der Menge des verkauften Honigs, sondern aufgrund des wirtschaftlichen Wertes der Bestäubung.

Interessiert lassen sich die Insassen immer wieder praktische Tipps zum Umgang mit den Tieren geben und fragen dem Imker die berühmten Löcher in den Bauch. Einer der Kursteilnehmer hat hinter Gittern sein Interesse an der Imkerei entdeckt. „Vielleicht mache ich das später, wenn ich raus bin, als Hobby.“

Andere hatten schon mal am Rande Kontakt mit Imkern. Doch Honig mögen sie alle.  Daher saugen sie wie Nektar alles Wissen aus dem Kursus: „Man hat eine Beschäftigung“, sagt einer. Denn so viel könne man im Gefängnis auch nicht tun, „und irgendwann kennt man halt auch die Geschichten, die die anderen erzählen“.
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Auf längere Sicht steht einem beständigen Projekt in der JVA nichts im Wege - dank engagierter Mitarbeiter der JVA, versierter und aufgeschlossener Mitglieder des Imkervereins Attendorn und interessierter Gefangener, die eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung suchen.

Doch jetzt müssen die Bienenvölker erst einmal für die Überwinterung fit gemacht werden. So müssen die Bienen gegen die Varroa-Milbe, einem Schädling, der den Tieren schwer zu schaffen macht, geschützt werden. Außerdem bekommt jedes Bienenvolk Zucker als Wintervorrat, damit es im nächsten Frühjahr weiter gehen kann mit den Völkern, die immer Ausgang haben.
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