Medienkompetenz gegen Online-Sucht

Infoveranstaltung in Attendorn


Als Dankeschön verteilte Nezahat Baradari (2. von rechts) Blumensträuße an die Referenten. von privat
Als Dankeschön verteilte Nezahat Baradari (2. von rechts) Blumensträuße an die Referenten. © privat

Attendorn. „Hohe Suchtpotentials von Online-Computerspielen und sozialen Netzwerken - wann ist es zu viel und wie kann ich agieren?“ Um diese zentrale Frage ging es am Mittwoch im Restaurant der Stadthalle Attendorn bei einer Informationsveranstaltung, zu der die SPD-Bundestagskandidatin Nezahat Baradari eingeladen hatte. Vier Experten hielten Vorträge und warben dafür, die Medienkompetenz zu stärken.


Als Fachleute referierten Dr. Uwe Büsching (Kinder- und Jugendarzt und Sprecher im Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte und stellvertretender Vorsitzender Stiftung Kind), Michael Achenbach (Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin in Plettenberg), Beate Stocks (Chefärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Kinderklinik Siegen) sowie die Psychologin Gabi Grosche von der Caritas-Familienberatungsstelle „AufWind“. Das Publikum setzte sich aus interessierten Bürgern, Pädagogen und jungen Menschen zusammen.

Schon immer hätten sich Jugendliche dem aktuellen Zeitgeist angepasst. Es sei nicht erstaunlich, dass in einem digitalen Zeitalter eine neue Sucht in den öffentlichen Fokus geraten ist: die Mediensucht. Die Nutzung sozialer Netzwerke, das Surfen und Spielen im Internet, die Spielkonsole und das Smartphone hätten einen derart starken Reiz, dass Nutzer die Zeit darüber vergessen. Konflikte könnten entstehen, wenn die Nutzung so intensiv wird, dass darüber alle anderen Aktivitäten vernachlässigt werden, erklärten Facharzt Michael Achenbach und Dr. Uwe Büsching.
Ein Viertel der Jugendlichen mehr als vier Stunden am Tag online
Zu den zentralen Aussagen der beiden Experten gehörte, dass rund 25 Prozent der Jugendlichen im Alter von zwölf bis 17 Jahren mehr als vier Stunden pro Tag online unterwegs sind. 16 Prozent der Jugendlichen im Alter von 13 Jahren könnten zudem ihrem Medienkonsum nicht mehr kontrollieren. Und: 20.000 junge Menschen leiden jährlich an einer Internetsucht.

Kinder wachsen in einem dicht umlagerten Medienfeld auf. Die Anzahl der Medien sei so vielfältig wie ihre Nutzungsmöglichkeiten und mache vor Kinderzimmern nicht Halt. Eltern seien hierbei selbst die wichtigsten Vorbilder. Gefahren bergen vor allem die Chatrooms, Online-Spiele und Sex-Seiten im Internet. Hier erfüllten junge Online-User sich „all die Sehnsüchte und verlieren sich in den Weiten des Netzes. Müdigkeit und Konzentrationsmangel, Leistungsabfall, Vernachlässigung früherer Beschäftigungen und Kontakte sind mögliche Auswirkungen“, erklärten Achenbach und Büsching.
Online-Games und versteckte Werbung
Dass ein Familienalltag ohne Medien unvorstellbar geworden sei, wusste Psychologin Gabi Grosche von der Caritas-Beratungsstelle AufWind zu berichten. In ihrem beruflichen Alltag beschäftigt sie sich zunehmend mit Angststörungen und dissozialen Störungen bei Jugendlichen. Mit dem Spiel Online-Strategiespiel „Township“ hat sie eine Selbsterfahrung gemacht, errichtete virtuell eine blühende Stadt – und war nach eigenen Angaben erstaunt über die versteckte Werbung, die das Spiel enthält. Ein Thema, das auch Gegenstand ihrer Beratungen mit betroffenen Familien und deren Kindern sowie Jugendlichen sei.

Beate Stocks, neue Chefärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der DRK-Kinderklinik Siegen, machte in ihrem abschließenden Referat deutlich, dass vor allem die Nebenwirkungen einer Mediensucht, wie Einsamkeit, Bindungsprobleme, sozialer Rückzug, Depressionen zunähmen.

„Wir wissen alle, dass es gesünder ist, mit einem ICE zu fahren als sich ihm in den Weg zustellen, sagte Stocks. Sie hatte im Vorfeld den Konsum von Medien mit einem ICE verglichen. Der Zug brauche sichere Schienen und Verkehrsschilder, damit es nicht zum Supergau kommt. Im übertragenen Sinn seien also für den Online- und Medienkonsum Rahmenbedingungen erforderlich, so Stocks. Im Zeitalter einer digitalisierten Welt sei es daher wichtig, die Medienkompetenz zu stärken. Internetverbote allerdings „bewirken oftmals das Gegenteil“.
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