Kirchhundem aktuell: Ein Gespräch mit Bürgermeister Andreas Reinéry

Interview


  • Kreis Olpe, 25.04.2019
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  • Von Kerstin Sauer
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    Kerstin Sauer

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Bürgermeister Andreas Reinéry ist seit 2014 Bürgermeister der Gemeinde Kirchhundem. von privat
Bürgermeister Andreas Reinéry ist seit 2014 Bürgermeister der Gemeinde Kirchhundem. © privat

Kirchhundem. Zum 50-jährigen Jubiläum der Gemeinde Kirchhundem sprach LokalPlus mit Bürgermeister Andreas Reinéry: Wie steht die Gemeinde im Jahr 2019 da?


Herr Reinéry, 37 Ortschaften verteilt auf 149 Quadratkilometer Fläche – wie bekommt man das politisch und verwaltungstechnisch unter einen Hut?

Das geht nur mediativ, also mit vielen ehrlichen Gesprächen, mit gemeinsamem Verständnis im Sinne von „verstehen“. So können Sie z.B. ein Oberhundemer Anliegen einem Rahrbacher Bürger nicht wirklich als gemeinsames Kirchhundemer Thema nahebringen, ein Brachthauser hat nicht wirklich ernsthafte Sorge um eine Schlaglochstraße in Heinsberg, den Kruberger schert es wenig, ob auch der Albaumer Breitbandanschluss erhält. Die geringste Bevölkerungsdichte in der größten kommunalen Fläche gut und finanziell auskömmlich zu organisieren, ist eine Herausforderung.

Sie sind seit 2014 Bürgermeister der Gemeinde Kirchhundem – was haben Sie bei Amtsantritt hier vorgefunden?

Es gab Stagnation, Kirchhundem lag seit Jahren in der Haushaltssicherung, mangelnde Infrastruktur,  danieder liegende Investitionstätigkeit und extremen Bevölkerungsrückgang. Der Internetzugang war unzureichend, es gab leider große Unzufriedenheit und wenig Gemeinsamkeit in den politischen Lagern, eine Reorganisation der Verwaltung war dringend notwendig. Außerdem eine nicht wirklich glückliche Reputation von Kirchhundem und - für mich ernüchternd, aber auch herausfordernd  - eine kaum wahrnehmbare Motivation und ein Streben nach Zukunft.
Veränderungen
Wie sieht es heute Ihrer Meinung nach aus?

Inzwischen haben wir viele einstimmige politische Beschlüsse, haben den Haushalt wieder im Griff, wir haben alle Gewerbeflächen verkaufen und Gewerbe ansiedeln können und wir sind gut unterwegs zu neuen Gewerbeflächen. Wir haben den Bevölkerungsrückgang gestoppt, an Attraktivität gewonnen, die ersten Dörfer haben bereits schnelleres Internet und der Rest der Gemeinde folgt.  Unsere Schulen sind erstklassig in Schuss gebracht, wir haben gerade zwei Sporthallen saniert, Rekordinvestitionen in unsere Feuerwehr gesteckt, teure Altlasten wie die „Pastoratsbrücke“ entfernt, während durch Heinsberg die schönste neue Ortsdurchfahrt in ganz NRW führt. 

Wir haben eine neue tolle Kulturstätte/Mensa an der Sekundarschule gebaut, ein Wasserversorgungskonzept und den Poesieweg in Rahrbach etabliert und in Oberhundem einen Wettbewerb als „Portal“ für den Naturpark Sauerland-Rothaargebirge gewonnen, haben für Straßen, Wege und Plätze das vierfache Haushaltsvolumen eingeplant und erarbeiten als nächstes ein Sportentwicklungskonzept.

Neben der Reorganisation der Verwaltung  ist es gelungen, mit geringstem Aufwand und in Rekordzeit ein integriertes kommunales Entwicklungskonzept zu erarbeiten, auf dessen Grundlage wir gerade die ersten FörderProjekte gewinnen, z.B. der Mehrgenerationensportpark in Würdinghausen. Kurz:  Kirchhundem gewinnt an Attraktivität. Mein Plan für die Zukunft baut hier auf, wir werden Konzepte für weitere Gewerbeflächen, auch Sportstätten entwickeln, wollen neue Radwege, den Ausbau der B 517, werden uns digital weiter entwickeln, konsolidieren und zukunftsfähig machen. Das alles hat viel mit Haltung zu tun und ich lade jeden herzlich ein, sich hier für unsere Heimat zu beteiligen.
Heimat für die Menschen
Was macht für Sie das Besondere an der Gemeinde Kirchhundem aus?

Es sind die besonderen Orte und Plätze hier, die wirkliche Heimat für die Menschen bedeuten, wenn ich da z.B. an Kohlhagen oder die Vierlinden, den Rhein-Weser-Turm oder den Pastorsgarten denke. Wer mit Zeit und Muße unsere Region „unter die Füße nimmt“, erwandert (Oberhundem gehört zu den bundesweit erstmals bestprämierten Sauerländer Wanderdörfern), wird „Originalen“ begegnen, die mit ihrem Charakter in Erinnerung bleiben.

Wo liegen die Stärken der Gemeinde Kirchhundem?

Die Gemeinde ist ein herrlicher, von grandioser Natur geprägter, geschichtsträchtiger Ort unweit des Rothaarsteigs im Herzen des Naturparks Sauerland-Rothaargebirge, bewohnt von mit westfälisch-sauerländischer Herzlichkeit geprägten Menschen, die neben Schützenfesten ihre Tradition pflegen, stolz auf ihre Heimat sind, Willkommenskultur und fantastisch das Ehrenamt pflegen und ein offenes Ohr für die Zukunft haben.  Die Menschen sind „bei sich“, keine Himmelsstürmer oder Utopisten,  aber zufrieden und bodenständig.
Herausforderungen und Chancen
Hand aufs Herz: Wo liegen die Schwächen?

Wir haben keine Schwächen in Kirchhundem, es gibt nur Herausforderungen und Chancen. Und wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann wäre es eine noch optimistischere, fröhlich-begeisterte, von noch mehr Zuversicht, Mut und Humor geprägte Haltung, und weniger eine den Fokus auf politisch, eher ins Zänkische gehende und den „grundsätzlich-erst-mal-dagegen-Blick“ pflegende Haltung.

Was sind aktuell die größten Baustellen?

Die wirklich sichere, langfristig und nachhaltig angelegte Finanzwirtschaft der Gemeinde ist Grundlage für den Gang in die Zukunft.  Unsere schwache Investitionsquote reicht nicht zum Substanzerhalt der verkehrlichen Infrastruktur, wir müssen Anschluss halten an die Digitalisierung, an die moderne Entwicklung von Mobilität, Gewerbe und Unternehmerschaft.
Zukunftsfähiges Kirchhundem
Wie würden Sie einen ehemaligen Kirchhundemer wieder zurück in die alte Heimat locken?

Für die Rückkehr in die Heimat gibt es immer guten Grund, Familie, das alte Haus, Freunde, Wurzeln – aber auch Zukunftsfähigkeit.  Alles, was damals schon wirklich gut war, die intakte, herrliche Natur mit Heimatwald und Höhen, von denen man ins Rheinland und ins Ruhrgebiet blicken kann, gibt es immer noch, sogar besser. Kirchhundem liegt im Herzen der dritterfolgreichsten Industrieregion Deutschlands, hier sind Weltmarktführer zu Hause mit dem Angebot guter beruflicher Zukunft, wir genießen gute Infrastruktur und inzwischen auch kurze Wege zu allen Annehmlichkeiten, die früher in den Ballungsräumen lagen. Zukunft beginnt hier, weil sie von heimatliebenden, traditionsbewussten, liebenswerten Kirchhundemern gestaltet wird.

Der Sauerländer wird gerne als dickköpfig, eigen, als nicht ganz einfacher Gattung Mensch beschrieben. Wie würden Sie den typischen Kirchhundemer beschreiben?   

Keinen Tadel auszusprechen, bedeutet für den Sauerländer schon Lob, heißt es. Nach einem Jahr im Rathaus Kirchhundem schenkte mir jemand den Sinnspruch, der die Befindlichkeit kaum besser beschreiben kann und seit dem an meiner Wand hängt: „Du kannst niemals alle mit deinem Tun begeistern. Selbst wenn Du übers Wasser laufen kannst, kommt einer daher und fragt, ob Du zu blöd zum Schwimmen bist.“

Die hierbei auch sichtbar werdende Selbsterkenntnis ist es, was den Kirchhundemer Sauerländer symphytisch werden lässt.
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