Auftrag erfüllt: Kleiderkammer Wenden schließt

Mitgründerin Christel Solbach blickt zurück


  • Wenden, 31.03.2018
  • Von Sven Prillwitz
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Vor allem in der Anfangszeit waren die Helfer fast täglich damit beschäftigt, Kleidung, Schuhe, Bettwäsche und Spielzeug ein- und auszusortieren. von privat
Vor allem in der Anfangszeit waren die Helfer fast täglich damit beschäftigt, Kleidung, Schuhe, Bettwäsche und Spielzeug ein- und auszusortieren. © privat

Wenden. Der Nutzungsvertrag läuft noch bis Ende Mai, die Geschichte der Kleiderkammer endet aber bereits nach dem Oster-Wochenende: Am kommenden Dienstag, 3. April, geben die ehrenamtlichen Helfer zum letzten Mal im Volksbank-Gebäude an der Hauptstraße in Wenden gebrauchte Kleidung, Bettwäsche und Spielzeug an Bedürftige aus (15 bis 17 Uhr). Nach mehr als zweieinhalb Jahren sei der Bedarf einfach nicht mehr da, sagt Christel Solbach. Anders gesagt: Auftrag erfüllt. Ein krasser Gegensatz zu den ersten Monaten, auf die die 58-jährige Mitgründerin der Hilfsorganisation im Gespräch mit LokalPlus zurückblickt.


Die zweite Jahreshälfte 2015, der Beginn der Flüchtlingskrise: Anfang September meldete die Gemeinde Wenden, dass die Aufnahmekapazitäten für Flüchtlinge „vollends erschöpft“ seien. Von der „größten Herausforderung seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs“ sprach Bürgermeister Bernd Clemens Ende Oktober bei einer Bürgerversammlung. 101 Flüchtlinge waren es im Mai; 296 dann Mitte November, 366 im Dezember - der Höchststand.
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Weil die Wohnraumsituation der Gemeinde keine andere Wahl ließ, wurden Flüchtlinge in Containern, aber auch in den Turnhallen in Rothemühle und Ottfingen untergebracht. Die Verwaltung war zu diesem Zeitpunkt nach eigenen Angaben längst am Rande der Belastbarkeit angelangt – und das trotz der inzwischen rund 200 ehrenamtlichen Helfer.

Eine davon: Christel Solbach aus Heid. Nachdem sich die Küsterin um eine im örtlichen Pfarrheim untergebrachte Familie gekümmert hatte, half sie auch in der Turnhalle in Rothemühle mit. „Wir haben mit den Menschen gesprochen und gefragt, was gebraucht wird. Dabei hat sich mit der Zeit eine gegenseitige Vertrauensbasis aufgebaut“, erinnert sich die heute 58-Jährige. Außerdem sei dabei die Idee entstanden, eine Kleiderkammer zu organisieren – um „gezielt und geregelt helfen“ zu können.
Helfer zu Beginn fast täglich im Einsatz
Aus der Idee wurde bei einem Runden Tisch der Flüchtlingshilfe Wenden ein konkretes Vorhaben – und im Oktober 2015 Realität: Die Volksbank stellte kostenlos Räume im Geschäftsgebäude an der Hauptstraße zur Verfügung. Zusammen mit Janine Gräser leitete Solbach die „Kleiderbörse“, während Anneliese Fries die Organisation des Lagers übernahm, das im ehemaligen Bürogebäude des Fahrradwerks Enik eingerichtet wurde. Bis zu 70 Helferinnen packten damals mit an.
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Beinahe täglich seien die Helfer, überwiegend Frauen, im Einsatz gewesen, erinnert sich Solbach. Um Kleidung, Schuhe, Bettwäsche und Spielzeug ein- und auszusortieren. Um Ordnung zu schaffen, den Überblick zu behalten. „Es war schwierig, das anfangs alles aufzubauen und zu regeln“, sagt Solbach. Denn wenn die Kleiderbörse einmal wöchentlich für jeweils drei Stunden geöffnet hatte, „haben die Leute Schlange gestanden, teilweise bis auf die Straße“. Einige Menschen hätten sogar bis zu zwei Stunden darauf gewartet, dass die Helfer Kleidung ausgeben. Teilweise öffneten Solbach und Co. die Börse spontan, wenn neue Asylsuchende kurzfristig der Gemeinde Wenden zugewiesen worden waren.
„Die Menschen haben gefroren“
Der Bedarf sei damals riesig gewesen, sagt die Küsterin, vor allem Winterkleidung und Decken seien gefragt gewesen. „Es war kalt und ging auf den Winter zu, die Menschen haben gefroren. Viele kamen aus Syrien und Afghanistan, aus warmen Ländern, und hatten wenig zum Anziehen dabei“, so Solbach. Mit der Zeit hätten einige Asylsuchende im Lager und bei der Kleiderbörse mit angepackt und bei der Kommunikation geholfen. Mit einem Mix aus Deutsch, Arabisch und „ein paar Brocken Englisch“ sowie mit Händen und Füßen habe die Verständigung recht gut funktioniert, erzählt die 58-Jährige.
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Auch 2016 blieb die Kleiderbörse eine wichtige Anlaufstelle und hatte einmal wöchentlich geöffnet. Die Schließung der Balkanroute im März 2016 führte im Laufe des Jahres bundesweit zu einem deutlichen Rückgang der Flüchtlingszahlen. Das war ein Grund dafür, dass die Kleiderbörse in Wenden ab 2017 nur noch zweimal im Monat geöffnet hatte. Seit dem Jahreswechsel geben Solbach und Co. nur noch an einem Tag pro Woche Waren aus – und am 3. April eben zum allerletzten Mal.
Restposten gehen an den „FairMarkt“
Der andere Grund: „Der Bedarf ist nicht mehr da. Ich glaube, die Leute sind mittlerweile so weit angekommen, dass sie versorgt sind mit dem Nötigsten und auch in Geschäfte gehen können, um Kleidung zu kaufen“, sagt Solbach. Die Zahl der Flüchtlinge ist zudem seit Dezember 2015 kontinuierlich gesunken. Zum 31. Dezember 2017 waren 155 Flüchtlinge in der Gemeinde untergebracht; 44 weitere Personen waren zu diesem Zeitpunkt zudem anerkannte Asylbewerber. Ein Rückgang, der sich auch an der Anzahl der Kleiderkammer-Helfer zeigt: Zuletzt waren es nur noch knapp 20 Personen, die es zum Sortieren, Transportieren und Ausgeben der Kleidung benötigt wurden – wenn überhaupt.

Die braucht es jetzt ein letztes Mal. Für die Ausgabe am Dienstag und für die Weitergabe der dann noch übrigen Posten an den „FairMarkt“ in Gerlingen, eine Einrichtung von Caritas „AufWind“. Im Rückblick auf die zweieinhalb Jahre Kleiderkammer sagt Solbach: „Wir haben das alle gern gemacht und hätten auch weiter gemacht.“ Trotz des sehr hohen Zeitaufwands sei das Ehrenamt für die Kleiderkammer nicht nur wichtig, sondern auch eine „schöne Abwechslung“ gewesen für die Küsterin, die sich bis Ende 2017 auch um einen pflegebedürftigen Onkel gekümmert habe.
Spielkreis als neues Projekt
Als Flüchtlingshelferin engagiert sich Solbach aber auch weiterhin. Das Ende der Kleiderkammer habe sich bereits seit einiger Zeit abgezeichnet. Daher hat sie mit Anja Korn, einer weiteren Mitstreiterin, Ende vergangenen Jahres ein Spielkreis-Projekt ins Leben gerufen. Einmal wöchentlich sind die beiden Frauen zu Besuch in den Wohncontainern in Rothemühle, um mit den Kindern zu spielen und sich mit den Bewohnern zu unterhalten. „Das ist eine tolle Sache. Wir sind da sehr willkommen, haben Spaß zusammen und sprechen mit den Menschen Deutsch“, sagt Solbach.
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