Schwere Vorwürfe gegen ehemaligen „Regenbogen“-Leiter

Blogger veröffentlichen in Gerichtsprozess bekannt gewordene Verfehlungen und Missstände


  • Olpe, 02.09.2016
  • Von Sven Prillwitz
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Vorkommnisse aus dem Jahr 2015 haben die ehemalige Leitung der ZUE "Regenbogenland" in Olpe auch über die Kreisgrenzen hinaus in die Schlagzeilen geraten lassen. von Volker Lübke
Vorkommnisse aus dem Jahr 2015 haben die ehemalige Leitung der ZUE "Regenbogenland" in Olpe auch über die Kreisgrenzen hinaus in die Schlagzeilen geraten lassen. © Volker Lübke

Die Bezirksregierung Arnsberg hat am 26. August erklärt, am „Regenbogenland“ in Olpe als Zentraler Unterbringungseinrichtung (ZUE) für Flüchtlinge festhalten zu wollen. Jetzt sorgen Recherchen des Journalisten-Blogs „Ruhrbarone“ für Aufregung: Wie das Portal berichtet, soll ein ehemaliger Heimleiter im Sommer 2015 Meldungen über häusliche Gewalt, eine angebliche Vergewaltigung und Krankheiten zurückgehalten haben. Auch Betrug wird ihm vorgeworfen.


Die „Ruhrbarone“ berufen sich auf die Urteilsschrift eines arbeitsrechtlichen Prozesses von Dezember 2015. Eine Verwaltungsangestellte ging wegen ihrer Kündigung juristisch gegen ihren Arbeitgeber und den „Regenbogenland“-Betreiber vor, die DRK Betreuungsdienste Westfalen-Lippe gGmbH. Die Frau hatte der Heimleitung mehrere Vorkommnisse gemeldet, war ihren Angaben zufolge aber zum Stillschweigen aufgefordert worden. Sie machte einige Missstände daraufhin dennoch öffentlich und erhielt die Kündigung. Das Arbeitsgericht sah darin keinen Zusammenhang, es blieb bei der Entlassung. Durch den Prozess wurden die Missstände nun – teilweise erneut – öffentlich bekannt. Unter anderem hatte die Angestellte dem ehemaligen Heimleiter vorgeworfen, die angebliche Vergewaltigung eines siebenjährigen Mädchens nicht gemeldet zu haben. Dass zudem eine 17 Jahre alte schwangere Frau von ihrem Lebenspartner verprügelt worden war, soll der Heimleiter ebenfalls zurückgehalten haben – aus Angst vor Negativschlagzeilen. Die Kreispolizeibehörde Olpe erfuhr dennoch von beiden Fällen, die sich im Juli 2015 ereigneten, und machte diese publik.
Ärzte schließen Vergewaltigung aus
Die angebliche Vergewaltigung des Kindes schloss die Polizei „nach umfangreichen Ermittlungen und ärztlicher Begutachtung“ aus, hieß es in der damaligen Polizeimeldung. Darin wurden der Fall von Körperverletzung an der 17-Jährigen und die nachträgliche Strafanzeige gegen den Verdächtigen allerdings bestätigt. „Die Staatsanwaltschaft Siegen wird im Zusammenhang mit diesem Vorgang auch prüfen, ob die Nichtanzeige des Sachverhalts strafrechtlich relevant sein könnte“, schrieb die Polizei damals. Auf LokalPlus-Anfrage ließ Olpes Polizeidirektor Diethard Jungermann am Freitag, 2. September, über die Pressestelle ausrichten, dass sich das zuvor gute Klima zwischen Polizei und ZUE deutlich verschlechtert habe, seit der jetzt in der Kritik stehende Heimleiter das Ruder übernommen hatte. Jungermann bestätigte außerdem – wie von den „Ruhrbaronen“ vermeldet –, dass die Polizei Ermittlungen gegen den damaligen Heimleiter wegen der Vertuschung eingeleitet und einen entsprechenden Bericht an die Bezirksregierung Arnsberg geschickt habe. Mittlerweile liegt der Fall bei der Staatsanwaltschaft Siegen, die am Freitag ebenso wenig für eine Stellungnahme zu erreichen war wie die Bezirksregierung.
Schwindel bei Abrechnungen und Stundenzetteln
Durch die Klage der gekündigten Verwaltungsangestellten wurde außerdem bekannt, dass der ehemalige Heimleiter Krankenfahrten in Gruppen organisierte, aber einzeln abrechnen ließ. Einen Fall von Windpocken soll er dem Gesundheitsamt nicht gemeldet haben, weil er eine zeitweise Sperrung des „Regenbogenlands“ befürchtet habe. Laut „Ruhrbarone“ sollen außerdem Stundenzettel der Bewohner manipuliert worden sein, und ein DRK-Mitarbeiter habe seinen Wagen von Flüchtlingen waschen und das als „gemeinnützige Arbeit“ abrechnen lassen. Der in die die Kritik geratene Heimleiter hatte die Chefposition im „Regenbogenland“ in Olpe nach Angaben der DRK Betreuungsdienste Westfalen-Lippe gGmbH Mitte Juni 2015 übernommen. Anfang September sei er als Reaktion auf die Vorwürfe der Klägerin vom jetzigen Leiter der Einrichtung abgelöst worden. Das geht aus der Stellungnahme des Sozialdiensts hervor, die der „Ruhrbarone“-Blog in voller Länge veröffentlicht hat. Darin ist von „sehr schwierigen Bedingungen“ und wenig Vorlaufzeit für die Unterbringung zahlreicher Flüchtlinge in der ZUE Olpe die Rede. Weil der erste Heimleiter sich nicht bewährt habe, sei der jetzt in die Kritik geratene Mann als „Interimslösung“ eingesetzt worden. Laut „Ruhrbarone“ war er zeitgleich bereits Leiter der Einrichtung in Burbach, die unter anderem wegen der rechten Gesinnung von Security-Personal in die Schlagzeilen geraten war.
Gutes Zeugnis für aktuellen Heimleiter
Unter dem schließlich auch in Burbach entlassenen Heimleiter habe sich die chaotische Situation in der Olper Einrichtung nicht zum Besseren entwickelt, heißt es in der Stellungnahme des Sozialdiensts weiter. Vielmehr hätten sich personelle und organisatorische Schwächen noch verstärkt, der Leiter sei in seiner Doppelfunktion überfordert gewesen und habe zudem gesundheitliche Probleme gehabt, was insgesamt schließlich zur Kündigung geführt habe. Der jetzige Leiter der Einrichtung hingegen habe Verwaltung und Betreuung neu und nach den Vorstellungen des Sozialdiensts strukturiert. Auch die Olper Kreispolizei stellt dem aktuellen Heimleiter ein gutes Zeugnis aus. „Wir haben ein grundsätzlich ganz hervorragendes Verhältnis. Auf uns wird auch in Sicherheitsfragen immer gehört“, sagte Pressesprecher Stephan Ommer am Freitag. Er stellte außerdem klar, dass es nur zu wenigen strafrechtlich relevanten Vorkommnissen im und im Zusammenhang mit dem „Regenbogenland“ gekommen sei, seit die Immobilie als Flüchtlingsunterkunft genutzt wird. „Und wenn etwas vorgefallen ist, haben wir immer darüber berichtet, schon allein aufgrund des sensiblen Themas Flüchtlingskrise“, so Ommer.
Kruse attackiert Jäger
Der heimische Landtagsabgeordnete Theo Kruse hat vor dem Hintergrund des „Ruhrbarone“-Berichts eine Kleine Anfrage an die Landesregierung gestellt und fordert eine Aufklärung der Angelegenheit. Der Christdemokrat spricht von „ungeheuren Vorfällen“ und fragt öffentlich, „seit wann die Landesregierung von den Zuständen in Olpe gewusst“ habe. Gleichzeitig übt Kruse scharfe Kritik an Innenminister Ralf Jäger: „Hat der Innenminister überhaupt noch einen Überblick, was mit den tausenden geflüchteten Menschen in seinem Verantwortungsbereich passiert?“ (pri)
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