„Du weißt nicht, ob du heile nach Hause kommst“

Sirat Kasra fühlt sich heimisch in Elspe


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Sirat Kasra war mit Freunden bereits unter anderem in München, im Ruhrgebiet und im Rheinland zu Besuch. Er möchte noch viel mehr von Deutschland sehen. von Nils Dinkel
Sirat Kasra war mit Freunden bereits unter anderem in München, im Ruhrgebiet und im Rheinland zu Besuch. Er möchte noch viel mehr von Deutschland sehen. © Nils Dinkel

Elspe. Über den abgelehnten Asylantrag der Familie Kasra, die aus Afghanistan flüchtete und mittlerweile in Elspe lebt, ist viel berichtet worden. Auch über die breite öffentliche und die kommunalpolitische Solidarisierung und Unterstützung, damit die Familie in Elspe bleiben kann. Jetzt hat LokalPlus mit Sirat Kasra gesprochen. Der 18-Jährige spricht über das Erlernen der deutschen Sprache, die Schule, seine Pläne und sein Ehrenamt. Außerdem blickt er zurück auf den Krieg in seiner Heimat und auf die Flucht.


Zwei Monate nach der Unterbringung in Elspe, noch vor Weihnachten 2015, begann Sirat Kasra, die Schule zu besuchen. „Am Anfang war das alles unglaublich schwer für mich. Deutsch sprechen konnte ich außer ‚Hallo‘, ‚Wie geht’s?‘ oder ‚Woher kommst du?` überhaupt nicht. Die Schüler sind und waren super nett, und ich konnte viel von der Schule und meinen Mitschülern lernen“, sagt Sirat Kasra. Er wurde in Deutsch als Zweitsprache unterrichtet, besuchte einen Deutschkurs. „Die Schule hat das richtig gut gemacht“, so der 18-Jährige.

Sirat Kasra besucht nun die 10. Klasse der Lessing-Realschule in Grevenbrück. Im Sommer wird er voraussichtlich die Fachoberschulreife erreichen. Dann beginnt der Berufsalltag für ihn. Er hat einen Ausbildungsvertrag als Maschinen- und Anlagenführer beim Viega-Teilstandort in Elspe unterschrieben. „Ich gebe mein Bestes und werde mein Bestes geben, um die Schule erfolgreich zu beenden“, sagt Sirat Kasra. Er blickt etwas wehleidig auf den neuen Lebensabschnitt, das Berufsleben, denn: Der junge Mann geht gerne zur Schule.
Engagement im Seniorenhaus
Über die Schule ist er auch zu seiner ehrenamtlichen Tätigkeit gekommen. „Die Schule gibt Empfehlungen für die Ausübung bestimmter Tätigkeiten. Daraus ist das entstanden“, sagt Sirat Kasra. Er arbeitet jeden Dienstag ehrenamtlich in der Cafeteria des Seniorenhauses Elspe, serviert Kaffee und Kuchen oder verkauft Eis. „Ich mache das echt gerne. Die Bewohner sind sehr lieb. Sie mögen und schätzen mich hier“, sagt der angehende Azubi.

Sein weiteres Engagement - er trainiert die D-Jugend des SSV Elspe - liegt aktuell auf Eis. „Ich habe einen Kreuzbandriss erlitten und musste operiert werden. Das Training zu leiten, macht mir genauso viel Spaß, wie vor den Ball zu treten. Die Hauptsache ist, etwas mit den Jungs zu machen“, sagt Sirat Kasra, der viele Freunde hat, gerne Rad fährt und im Fitnessstudio trainiert. Außerdem ist er gerade dabei, seinen Führerschein zu machen.
Mitglied im Schützenverein
Aber auch sonst beteiligt sich der junge Mann am gesellschaftlichen Leben in Elspe und Umgebung. So ist er begeisterter Jungschütze beim Schützenverein Oberelspe. Auf den Vogel zu schießen, hat er sich aber noch nicht getraut. „Man hat so viel Stress als König, aber es ist bestimmt sehr schön“, sagt der 18-Jährige.
 von Nils Dinkel
© Nils Dinkel
Sirat Kasra, seine Geschwister Seyer (20) und Marva (16) und seine Eltern kennen das Leben auf der Flucht. Auch seine Geschwister besuchen die Schule. Sein Bruder beginnt nach dem Fachabitur eine Ausbildung bei Aquatherm in Attendorn. 
Leben in Terrorangst
Dass Afghanistan alles andere als sicher ist, hatte sich vor vielen bereits Jahren abgezeichnet. Daher flüchtete die Familie in den Iran, wo die Kinder zur Welt kamen. Als sie 2015 zurück nach Afghanistan kamen, erlebten sie erneut Terror und Krieg. „Das war sehr schlimm“, erinnert sich Sirat Kasra. „Wenn du in Afghanistan unterwegs bist, weißt du nicht, ob du heile nach Hause kommst. Hier muss man solche Angst nicht haben.“

Die Familie warf 2015 erneut alles hin. Alle Ersparnisse drückten sie einem Schlepper in der Hand. Mit einer Gruppe anderer Flüchtlinge versuchten sie, den Taliban zu entkommen. „Wir sind gelaufen, gelaufen, gelaufen. Bis zur Erschöpfung. Wir haben nur sehr wenig geschlafen und uns kaum ausgeruht. Es ging immer weiter“, erinnert sich Sirat Kasra. „Wir wollten einfach nur weg.“ Die Familie habe nichts als die Kleidung am eigenen Leib und einer kleinen Tasche gehabt, erzählt der junge Mann. Geplagt von Hunger und Durst sei sie gewesen.
Asylantrag abgelehnt
Und genau in dieses von Krieg und Gewalt geprägte Land soll es nun zurückgehen. Zwangsweise. Nach langer Zeit hat die Familie den Bescheid des Asylverfahrens erhalten. Die Entscheidung: „Die Flüchtlingseigenschaft wird nicht zuerkannt. Der Antrag auf Asylanerkennung wird abgelehnt. Der Subsidiäre Schutzstatus wird nicht zuerkannt“, heißt es darin. Und weiter. Die Familie müsse die Bundesrepublik binnen 30 Tagen verlassen, wenn nicht Widerspruch eingelegt werde. Das tat die Familie, die seither Unterstützung vom SSV Elspe, von der Lessingschule, der Politik und vielen weiteren erhält.

„Ich finde es richtig gut, wie viele Menschen sich für uns einsetzen. Damit hatten wir nicht gerechnet. Wir freuen uns sehr über diese Unterstützung und hoffen, dass das auch etwas bringt. Dafür bin ich sehr dankbar“, sagt Sirat Kasra. Nun hofft er, dass der zweite Bescheid positiv ist. „Wir bleiben optimistisch und lassen uns nicht beängstigen.“
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