„Jeder soll die gleichen Chancen haben“

Vor der NRW-Wahl: Joachim Hoffmann (FDP) im Interview


Joachim Hoffmann. von Nils Dinkel
Joachim Hoffmann. © Nils Dinkel


Ihr Wahlkampf-Slogan lautet „Klare Regeln. Gleiche Chancen. Persönliche Freiheit.“ Bitte erklären Sie das genauer.

Es sind die Erwartungen an unseren Staat:

a.    Ich wünsche mir einen starken Staat, der klare Regeln vorgibt und dafür sorgt, dass diese auch eingehalten werden. Aber: nur so viel Staat wie nötig.

b.    Jeder Mensch in unserem Land soll die gleichen Chancen haben, seinen Lebensweg selber zu gehen und zu gestalten. Dazu gehört eine gute Bildung ebenso wie Sicherheit und ein funktionierendes Gemeinwesen.

c.     Innerhalb der klaren Regeln muss jeder die Möglichkeit haben, sich nach seinen Vorstellungen und Möglichkeiten zu entfalten. Der Staat muss diese Freiheit garantieren. Gleichzeitig aber muss er auch dafür sorgen, dass jeder, der in Not gerät, bei Bedürftigkeit entsprechend unterstützt wird. Und jeder muss Hilfen bekommt, wenn er sein Leben selber nicht gestalten kann.

Der ländliche Raum – und damit auch Südwestfalen und der Kreis Olpe – steht vor dem Hintergrund des demografischen Wandels vor mehreren großen Herausforderungen. Eine davon ist die Landflucht junger Menschen. Wie lässt sich diese verhindern?

Die Landflucht wird sich nicht verhindern lassen. Die Gesellschaft wird mobiler, die Ausbildung findet in anderen Städten statt, und die Lebensgewohnheiten ändern sich. Aber es kann gelingen, die Attraktivität unseres ländlichen Raumes wieder zu steigern. Und dann werden Familien auch wieder in unserer Region heimisch werden. Voraussetzung ist allerdings, dass es eine gute kulturelle und medizinische Infrastruktur gibt.
„Die Attraktivität für Landpraxen muss gesteigert werden“
Wie lässt sich die medizinische, hausärztliche und pflegerische Versorgung auf dem Land sicherstellen? 

Dies kann das Land NRW nur bedingt beeinflussen. Hier muss die Gesetzgebung des Bundes die Rahmenbedingungen entsprechend ändern. Anreize müssen gesetzt werden und die Attraktivität für Landpraxen muss gesteigert werden. Die Apotheken müssen für den Wettbewerb mit den Online-Apotheken die gleichen Voraussetzungen und Möglichkeiten erhalten, damit unsere inhabergetragenen Apotheken nicht die Verlierer sind und verschwinden! Die Wertigkeit und Attraktivität der Pflegeberufe muss in der Öffentlichkeit gesteigert werden – auch finanziell.

Welche Stärken und welche Schwächen sehen Sie für den Kreis Olpe? Wie können diese erhalten und ausgebaut bzw. behoben werden?

Sowohl die Wirtschaftskraft als auch unsere Natur sind sicherlich Stärken des Kreises Olpe. Wirtschaftsförderungen in Verbindung mit einem nachhaltigen Fremdenverkehrskonzept zu verbinden, ist eine große Herausforderung für die Zukunft.

Südwestfalen gilt als eine der bundesweit bedeutendsten Wirtschaftsregionen. Was muss mit Blick auf die Infrastruktur passieren, damit die Region ihren Status halten und ggf. weiter ausbauen kann?

Die Infrastruktur muss verbessert werden. Die Straßen müssen verbessert und ausgebaut werden und die Anschlüsse an die Autobahnen sichergestellt werden, damit unsere Firmen im Kreis Olpe reibungslos ihre Güter transportieren können. Schnelle Internetverbindungen sind für einen globalen Handel unerlässlich und müssen kreisweit zur Verfügung stehen. Die Schulen müssen auf einem guten und modernen Stand sein, damit auch der Nachwuchs an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Firmen sichergestellt ist.
Wandel zu erneuerbaren Energien braucht einen Plan
Das Thema Erneuerbare Energien, insbesondere Windenergie und die Ausweisung von Vorrangzonen, löst nach wie vor kontroverse, mitunter äußerst emotionale und auch hitzige Diskussionen aus. Wie sieht Ihre Position zu Erneuerbaren Energien im Allgemeinen und Windrädern im Speziellen aus?

Wir werden ohne alternative Energien in den nächsten Jahrzehnten nicht auskommen. Dies gilt für Wind- ebenso wie für Sonnenenergie. Aber der Wandel muss zielorientiert und mit Plan durchgeführt werden. Voraussetzung dafür ist eine entsprechende Technologie. Nicht nur in der Herstellung, hier gibt es ja viele Möglichkeiten, sondern insbesondere auch im Bereich des Transportes und der Speicherung von Energie. Solange diese Probleme nicht gelöst sind, hat es keinen Sinn, Windräder oder Sonnenkollektoren im Sauerland zu bauen, die dann aus Kapazitätsgründen keinen Strom produzieren können. Zudem sollten Energieanlagen immer dort gebaut werden, wo sie so effizient wie möglich produzieren können, und nicht nach Verhältnis- oder Vergleichszahlen.

Ebenfalls umstritten: das sogenannte „Turbo-Abi“ (G8) an den Gymnasien. In NRW läuft das erste Volksbegehren seit 39 Jahren mit dem Ziel, zum Abitur nach 13 Jahren (G9) zurückzukehren. Welches Modell bevorzugen Sie und warum?

Beide Modelle haben für mich einen Charme, wenngleich für mich persönlich G9 die bessere Variante wäre. Da einig Schulen gerne G8, andere aber lieber wieder G9 anbieten möchten, sollte man den Schulen die Wahl lassen. Im Gegenzug muss es dann aber auch jedem Schüler freigestellt werden, ob er eine G8- oder eine G9-Schule besuchen möchte. Dies wäre auch in unserem ländlichen Bereich möglich. Auf keinen Fall aber dürfen die Schulen mit erneuten Änderungen wieder übermäßig belastet werden.

Nochmal Bildung: Viele Schulen und Kommunen fühlen sich mit dem Thema Inklusion allein gelassen und mitunter überfordert. Was kann man dagegen unternehmen?

Einen Schritt zurück! Inklusion kann nur funktionieren, wenn es eine genaue Zielvorstellung gibt und wenn ALLE Beteiligten gut vorbereitet und mit in die Planungen einbezogen werden. Aber auch die Grenzen der Inklusion müssen erkannt und respektiert werden. Insbesondere darf eine funktionierende Inklusion nicht auf Kosten von anderen Förderungseinrichtungen durchgesetzt werden.
„Mehr Polizisten und konsequente Strafverfolgung für mehr Sicherheit“
Nach dem Anschlag auf den Mannschaftsbus des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund kurz vor Ostern ist die Debatte um das Thema Innere Sicherheit wieder voll entbrannt. Braucht es (in NRW) mehr innere Sicherheit – und falls ja, wie genau sollte das Ihrer Meinung nach aussehen?

Unvorhergesehene Ereignisse wird es immer wieder geben, so schlimm das auch ist. Mehr Polizisten und mehr Präsenz dieser Polizisten im Alltag und eine konsequente Strafverfolgung sowie die Anwendung bestehender Gesetze wird mehr Sicherheit bringen. Die Vernetzung von Polizei, Bundespolizei und den Behörden aller Bundesländer muss endlich in die Hand genommen werden.

Sieben Städte und Gemeinden verteilt auf 135.000 Einwohner. Macht eine verstärkte interkommunale Zusammenarbeit im Kreis Olpe Sinn?

Zusammenarbeit ist immer sinnvoll. Wenn es über die Zusammenarbeit von zwei Gemeinden oder Städten hinausgeht muss dies über den Kreis Olpe funktionieren. Diese Strukturen bestehen ja schon.
Flüchtlinge: „Der Kreis hat die Aufgaben gut bewältigt“
Vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise beklag(t)en die hiesigen Kommunen und der Kreis Olpe eine Benachteiligung des ländlichen Raums gegenüber Großstädten, wenn es um die Verteilung von Landesmitteln geht. Haben die „Metropolen“ eine Sonderstellung? 

Ich denke nein. Für den Kreis Olpe kann ich sagen, dass ich mich freue, dass er die gewaltigen Aufgaben bisher gut bewältigt hat. Aber man muss jede Kommune individuell betrachten. In den Großstädten im Ruhrgebiet sind die Herausforderungen sicherlich weit größer als in manchen Flächenkreis. Daher muss die Verteilung nach unterschiedlichsten Kriterien erfolgen. Sollten hier allerding zweierlei Maß angelegt werden, dann muss der Kreis Olpe und müssen seine Kommunen deutlich intervenieren.

AfD, Pegida und besorgte Bürger: Seit der Flüchtlingskrise finden rechtspopulistische und offen fremdenfeindliche Thesen vermehrt Gehör und Verbreitung. Wie beurteilen Sie das? 

Veränderungen ängstigen die Menschen. Das ist normal. Und auf diesen Umstand muss man angemessen reagieren. Weder dürfen Ängste geschürt noch die Umstände verharmlost werden. Aber vernünftige und nachweisbare Argumente können und werden überzeugen.

Welche politischen Ziele, die in diesem Interview bislang noch nicht genannt wurden, verfolgen Sie außerdem?

Die Förderung der Kulturlandschaft im Kreis Olpe.

Vervollständigen Sie abschließend folgenden Satz: Sie sollten in den Landtag einziehen, weil…

… ich einen guten Einblick in die medizinische Versorgungslandschaft im Kreis Olpe habe. Durch meine berufspolitischen Aktivitäten und Engagements habe ich eine genaue Vorstellung, wie die wohnortnahe Versorgung im Kreis Olpe erhalten werden kann. Dies gilt für medizinische Berufe und Apotheken genauso wie für die Pflege- und Heilberufe.
Zur Person: Joachim Hoffmann
  • Alter: 58
  • Wohnort: Kirchhundem-Würdinghausen
  • Familienstand: verheiratet mit Dr. Andrea Hoffmann
  • Kinder: keine
  • Beruf: Zahnarzt
  • Parteimitglied seit: über 10 Jahre
  • Bisherige und aktuelle politische Ämter: Seit 9 Jahren Mitglied im Kreisvorstand Olpe, von 2010 bis 2014 Jahre stellvertretender Kreisvorsitzender. Mitglied im Landesfachausschuss Gesundheit der FDP NRW, seit 2013 stellvertretender Vorsitzender. Seit 2015 Mitglied im Sozial- und Gesundheitsausschuss des Kreises Olpe
  • Politisches Vorbild: Martin Luther King
  • Hobbys: Segeln, Tennis, Modellbau
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