Spahn-Äußerungen „sehr unrealistisch“ und „sehr unüberlegt“

Nachgefragt bei Pflegediensten im Kreis Olpe


  • Kreis Olpe, 21.09.2018
  • Von Sven Prillwitz
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    Sven Prillwitz

    Redaktion

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 von Symbol © Kzenon / lia
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Kreis Olpe. Eine Aussage von Gesundheitsminister Jens Spahn sorgt derzeit bundesweit für Empörung. In einem Interview mit der „Augsburger Allgemeinen“ sagte der CDU-Politiker, dass sich der Pflegenotstand dadurch entschärfen lassen würde, wenn zehn Prozent der Teilzeitkräfte in Heimen und ambulanten Diensten „drei, vier Stunden mehr pro Woche arbeiten würden“. Eine Einschätzung, die an der Realität vorbeigehe, erklären Pflegeeinrichtungen und –dienste im Kreis Olpe auf LokalPlus-Anfrage.


Anette Saure (Geschäftsführerin Tagespflege Repetal)
„Die Teilzeitkräfte reduzieren ihre Stunden im Allgemeinen doch erst, weil sie überarbeitet sind, weil sie einfach zu viel arbeiten müssen. Und jetzt sollen die noch mehr Überstunden machen? Da fragen wir uns, woher das Geld dafür kommen soll.

Wenn Herr Spahn über die Organisation der Pflegedienste spricht, merkt man: Da spricht einer, der keine Ahnung hat. Was soll man denn machen, wenn man nicht genug Leute hat? Und das liegt eben daran, dass der Job nicht genug gewürdigt wird und eher schlecht bezahlt ist. So kann man Menschen nicht dazu motivieren, eine Ausbildung zum Altenpfleger zu machen.“
Marcus Werthenbach (Inhaber/Geschäftsführer des ambulanten Pflegedienstes „Wir für Sie“ in Meggen)
„Die meisten Pfleger möchten in Teilzeit arbeiten. Das liegt daran, dass dieser Job zum einen anstrengend ist und zum anderen auch mit der eigenen Familiensituation passen muss. Die Forderung nach Überstunden ist auch deswegen sehr unrealistisch, weil die ambulante Pflege auf Teilzeit aufgebaut ist.

Richtig ist, dass eine gute Organisation in der Pflege sehr wichtig ist, dass man Dienstpläne und Freizeit eínhält, aber auch eine geregelte Bereitschaft für Notfälle haben muss. Dafür braucht es aber eben mehr Leute. Und außerdem muss das Image der Pflegeberufe verbessert werden. Das könnte man auch dadurch erreichen, dass das Pflegepersonal einen Bonus durch steuerliche Vergünstigung erhält. Das wäre meiner Meinung nach eine gerechte Sache.“
Simone Zimmermann (Geschäftsführung Mobile Pflege Müncker, Einrichtungsleitung „Villa Heuel“ in Wenden-Gerlingen)
„Ich finde das sehr unüberlegt, was Herr Spahn da äußert, denn die Mitarbeiter in der Pflege sind in der Regel überlastet – und zwar körperlich und psychisch. Dass die Leute nicht mehr arbeiten wollen, liegt nicht an der Bezahlung. Man versucht als Arbeitgeber ja auch, das zu entschleunigen, aber der Pflegenotstand herrscht seit Jahren und kommt jetzt richtig geballt.

Wir fragen uns ja schon, wie wir das abfangen können. Deutschlandweit wird nach gutem Fachpersonal gesucht. Für mich hat die Politik zu lange geschlafen. Im Moment kann sich nicht viel ändern, weil zu wenig Menschen zum Pfleger ausgebildet werden. Ich finde aber auch, dass es nicht hilfreich ist, wenn immer nur über Probleme und Schwierigkeiten in der Branche berichtet wird. Es ist ja schließlich nicht alles schlecht, und es gibt so viel Pflegepersonal, das den Job gerne und von Herzen macht.“
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