Menschen mit Behinderung stellen politischen Kandidaten ihre Fragen

Im Dialog mit den Anwärtern


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Die Teilnehmer stellten den anwesenden Kandidaten ihre Fragen und kamen mit ihnen ins Gespräch. von Sigrid Mynar
Die Teilnehmer stellten den anwesenden Kandidaten ihre Fragen und kamen mit ihnen ins Gespräch. © Sigrid Mynar

Kreis Olpe/Neu-Listernohl. Ein beeindruckendes Experiment, das Menschen mit Behinderung die Möglichkeit gab, die Landrats- und Bürgermeisterkandidaten im Kreis Olpe kennenzulernen und befragen zu können, gelang am Donnerstagabend, 20. August, in der Akademie Biggesee.


An der Veranstaltung, die gemeinsam von der Akademie Biggesee, den Werthmann-Werkstätten des Kreises, dem Inklusionsprojekt der Lebenshilfe NRW Kreis Olpe und Petra Lütticke, Behindertenbeauftragte des Kreises Olpe initiiert wurde, nahmen zur Freude der Organisatoren nahezu alle Kandidaten teil.

Die seit dem vergangenen Jahr gültige Gesetzesänderung besagt, dass Menschen mit Behinderung gerichtlich bestellter Betreuung zukünftig wählen dürfen. „Diesem Umstand und weil es bei vielen Veranstaltungen noch an den notwendigen Rahmenbedingungen für einen echten Austausch mit Menschen mit Behinderungen fehlt, wollten wir Rechnung tragen“, so Petra Lütticke.
Neue Technik im Einsatz
Durch die Corona-Pandemie musste ein geplantes mehrtägiges Seminar entfallen. Die Ersatzveranstaltung, die einen hohen organisatorischen Aufwand bedeutete, bestand aus mehreren Modulen: Auf drei Räumen verteilt standen die Landrats- und Bürgermeisterkandidaten Rede und Antwort.

Eine Gruppe Hör- und Sprachbehinderter befragte durch Raumwechsel alle Politiker, während in den anderen Räumen drei externe Gruppen der Lebenshilfe und zwei der Werthmann-Werkstätten per Videokonferenz aus Olpe zugeschaltet wurden.
Busverbindungen sind ein großes Thema
Schon kurz nachdem sich die Kandidaten vorgestellt hatten, bekamen die beiden Gebärdendolmetscherinnen Monika Pöttgen und Marion Schmallenbach alle Hände voll zu tun: Unzuverlässige und spärliche oder nicht vorhandene Busverbindungen wurden gleich mehrfach angesprochen.

„Der Schnellbus von Olpe nach Siegen muss wieder eingesetzt werden“ war eine Forderung. „Das wird er, das ist bereits fest beschlossen“, sagte Theo Melcher (CDU Kreis Olpe), auch wenn das nicht von heute auf morgen geschehen könne.
 von Sigrid Mynar
© Sigrid Mynar
Weitere Ansätze, die sowohl die Landrats- als auch die Bürgermeisterkandidaten nannten, setzten auf digitale Möglichkeiten im Busverkehr.  Fred Josef Hansen (Grüne Kreis Olpe) ergänzte, den ÖPNV an Wochenenden kostenfrei nutzbar machen zu wollen und mehr Mitfahrbänke zu installieren.

Die Kandidaten wurden auch mit der Aussage konfrontiert, dass amtliche Briefe oft nur schwer zu verstehen seien „mit zu vielen verklausulierten Rechtverordnungen“. Andreas Reinéry (Parteilos Kirchhundem): „Hier muss eindeutig nachgearbeitet werden. Dem stimmte auch Christian Pospischil (SPD Attendorn) zu, schränkte aber ein, es liege auch an der Komplexität der Rechtssicherheit, die in diesen Schreiben zu beachten sei.  
Olper möchten bezahlbaren Wohnraum
Bezahlbarer Wohnraum war ein Anliegen der Olper Teilnehmer. Für dieses Problem sah Jan Wichterich (SPD Olpe) die Gründung einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft als Aufgabe. Es sei machbar, Wohnraum für 5 Euro pro Quadratmeter anzubieten.

Dem widersprach Peter Weber (CDU Olpe) deutlich: „Man muss schon so ehrlich sein, dass 5 Euro nicht realisierbar sind“ und eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft koste nur Geld. Die Wohnungsgenossenschaft im Kreis Olpe habe konkrete Pläne, bezahlbare Wohnungen zu errichten, „die werden bei circa 7 Euro pro Quadratmeter liegen.“
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Menschen mit Behinderung stellen politischen Kandidaten ihre Fragen
Als besonders große Hürde in den Behörden wurde die Verständigung mit den Hör- und Sprachbehinderten genannt. Dietmar Heß (Einzelbewerber Finnentrop) bestätigte Handlungsbedarf, das Problem sei ihm auch durch die Kontakte zum Gehörlosenverein bekannt. 

Bernd Clemens (CDU Wenden) merkte an, dass der Wendener Ratssaal über Technik verfüge, die Hörgeschädigten die Teilnahme an Sitzungen ermögliche. Als effektiven Weg nannte ein Teilnehmer die digitale Dolmetscherzentrale. Öffentliche Einrichtungen müssten dazu nur mit entsprechender Technik ausgerüstet werden. Diesen Hinweis nahmen alle Kandidaten auf.
Teilnehmer nehmen Anregungen mit
Am Ende des Diskussionsabends waren die Teilnehmer einig, dass sie wertvolle Anregungen erhalten und die speziellen Probleme von Betroffenen selten so drastisch wahrgenommen hätten.

Uli Berghoff (CDU Drolshagen) resümierte: „Der Abend hat mein Bewusstsein erweitert, ich bin froh, dabei gewesen zu sein“. Eine Aussage, die Udo Dittmann, Leiter der Akademie und seine Mitarbeiterin Ines Gerke-Weipert, sichtlich zufriedenstellte.
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