Menschen mit Behinderung fühlen Bundestagskandidaten auf den Zahn

Politische Gesprächsrunde in der Akademie Biggesee Neu-Listernohl


Topnews
Udo Dittmann und Ines Gerke Weipert hießen die Teilnehmer der Diskussionsrunde willkommen. von Adam Fox
Udo Dittmann und Ines Gerke Weipert hießen die Teilnehmer der Diskussionsrunde willkommen. © Adam Fox

Neu-Listernohl. Im Rahmen des zweitägigen Seminars „Wir haben die Wahl! - Inklusives Seminar für (Erst-)Wähler“ in der Neu-Listernohler Akademie Biggesee haben sich Menschen mit Behinderung mit der Politik, dem Wahlsystem und der anstehenden Bundestagswahl auseinandergesetzt. Die Seminarteilnehmer hatten einen Tag zuvor die Fragen für die Bundestagskandidaten erarbeitet. Eingeladen waren alle Kandidaten, deren Partei momentan im Bundestag vertreten ist. Im Wahlbezirk 149 starten des weiteren noch drei Kandidaten anderer Parteien (Freie Wähler, Die Basis, DKP). Am Mittwoch, 25. August, standen die Politiker Rede und Antwort.


Darunter waren die Caritasverbände und Werthmann-Werkstätten im Kreis Olpe sowie das Inklusionsprojekt IKO der Lebenshilfe. Auch Petra Lütticke, Behindertenbeauftragte des Kreises Olpe, war vor Ort.

Zunächst einmal begrüßten Udo Dittmann, Leiter der Akademie, und Bildungsreferentin Ines Gerke-Weipert die sechs Bundestagskandidaten. Live vor Ort waren Florian Müller (CDU), Holger Thamm (Bündnis 90/Die Grünen), Otto Ersching (Linke), Klaus Heger (AfD) und Guido Müller (FDP). Letzter startet im Wahlkreis Siegen-Wittgenstein und vertrat Johannes Vogel. Nezahat Baradari (SPD), die bereits Bundestagsabgeordnete ist, war der Gesprächsrunde zugeschaltet.

Die vor Ort anwesenden Bundestagskandidaten (von links): Otto Ersching (Die Linke), Holger Thamm (Bündnis 90/Die Grünen), Guido Müller (FDP), Florian Müller (CDU) und Klaus Heger (AfD). von Adam Fox
Die vor Ort anwesenden Bundestagskandidaten (von links): Otto Ersching (Die Linke), Holger Thamm (Bündnis 90/Die Grünen), Guido Müller (FDP), Florian Müller (CDU) und Klaus Heger (AfD). © Adam Fox

Die erste Frage eines Teilnehmers thematisierte die Fragestellung, wie man Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt bringt und wie es dann mit dem Mindestlohn aussehe. Alle Kandidaten waren der gleichen Meinung: Hier besteht Handlungsbedarf.

Florian Müller war der Auffassung, dass Menschen mit Behinderung adäquat entlohnt werden müssen. Gleichwohl müsse man branchenspezifisch nach individuellen Lösungen schauen.

„Nicht jeder Mensch kann jeden Job machen.“

Otto Ersching und Holger Thamm plädierten dafür, dass jeder Mensch, ob mit oder ohne Behinderung, eine Anstellung auf dem Arbeitsmarkt finden sollte.

Guido Müller beurteile die Lage auf dem Markt wie folgt: „Nicht jeder Mensch kann jeden Job machen.“ Gleichwohl minderte er nicht die Leistungsfähigkeit und verwies auf ein Unternehmen in Netphen-Deuz mit vielen Mitarbeitern mit Handicap. Dort habe sich das Arbeitsklima durch die Einstellung dieser Menschen deutlich verbessert.

Die Auffassung, dass Unternehmen sich nicht freikaufen können, wenn es um die Einstellung gehandicapter Menschen gehe, war Klaus Heger. Der im Kreistag sitzende Politiker sprach sich dafür aus, dass die Unternehmen ein soziales Gewissen haben bzw. entwickeln sollten.

Belohnung statt Bestrafung

Die sogenannte Ausgleichsabgabe, die die anderen Kandidaten beibehalten möchten, sah Heger von der AfD kritisch. Man müsse auf Belohnung statt Bestrafung setzen.

Nezahat Baradari befürwortete die Aussage: „Ich muss Ihnen ausnahmsweise mal Recht geben“, und ergänzte, dass Unternehmen, die sich für die Einstellung der Menschen mit Behinderung engagieren, sogar mit Bonuszahlungen entlohnt werden sollten.

Die Bundestagsabgeordnete Nezahat Baradari war der Diskussionsrunde zugeschaltet. von Adam Fox
Die Bundestagsabgeordnete Nezahat Baradari war der Diskussionsrunde zugeschaltet. © Adam Fox

Beim Thema behindertengerechtes Wohnen sagte die Bundestagsabgeordnete, dass es sicherlich nicht verkehrt sei, den Bau von neuen Sozialwohnungen behindertengerecht zu planen.

Auch Grünen-Kandidat Thamm gab an, dass barrierefreies Wohnen nicht teurer ist, vor allem wenn man es von Anfang an plane. Florian Müller von der CDU möchte sich in der nächsten Legislaturperiode ebenfalls für die Barrierefreiheit einsetzen und betonte, dass Mobilität für Menschen mit Behinderung ermöglicht werden müsse.

Aktionismus in der Corona-Politik

Ebenfalls wurde das Thema Corona diskutiert. Ersching bezeichnete die Masken als die kleinste aller Einschränkungen. Die Maßnahmen, die die Regierung in den vergangenen Monaten getroffen habe, seien jedoch häufig Aktionismus gewesen. Schulschließungen und das Berufsverbot vieler Menschen seien dafür Beispiele.

Guido Müller (FDP) positionierte sich klar zu den Masken und bezeichnete diese als „doof“. Viele begingen den Denkfehler: „Wir setzen uns die Maske auf und denken wir sind geschützt.“ Deshalb appellierte er auch an alle, die es noch nicht getan haben, sich impfen zu lassen, damit Pandemie und Maske möglichst schnell ihr Ende finden.

Thamm betonte, dass man hätte besser vorbereitet sein müssen auf Corona. Die Diskussion um die Einführung der Maske habe viel zu lange gedauert.

Fehler können nicht rückgängig gemacht werden

Florian Müller stellte fest, dass Fehler, die im Zusammenhang mit der Corona-Politik passiert sind, nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Der Verzicht auf den Besuch im Altenheim oder den Distanzunterricht für Kinder werde es nicht mehr geben. Die Maske bezeichnete er als unangenehm, aber vernünftig.

Die Seminarteilnehmer. von Adam Fox
Die Seminarteilnehmer. © Adam Fox

Die Maske im Freien zu tragen empfand Heger (AfD) als nicht sinnvoll. Und auch in anderen Bereichen trage sie dazu bei, dass das Lebensgefühl verringert werde. Dem widersprach die Sozialdemokratin Baradari: Corona-Viren können bis zu acht Meter weit fliegen. Das Tragen der Maske auf dem Wochenmarkt sei deshalb keineswegs sinnfrei.

Im Anschluss an das Gespräch bedankte sich Udo Dittmann bei allen Beteiligten und versprach: „Wir machen gleich nach der Mittagspause eine Bundestagswahl bei uns im Haus und schauen mal wie unsere Seminarteilnehmer abgestimmt haben. Und natürlich inwieweit Sie als Kandidaten noch zu Verschiebungen der Stimmen beigetragen haben.“

Artikel teilen: